Kommentar

Karl Lauterbach und die fehlende Transparenz

Martina Frei © zvg

Martina Frei /  Deutsche Politiker wollen nun angeblich die Corona-Pandemie aufarbeiten.

Noch im April 2023 stemmte sich das deutsche Parlament gegen einen «Corona-Untersuchungsausschuss», den die AfD beantragt hatte. Dieser Ausschuss hätte untersuchen sollen, ob die «massiven Eingriffe in die Grundrechte der Bürger und in das deutsche Wirtschaftsleben und der Lockdown tatsächlich geeignet, erforderlich und angemessen» waren. Doch das deutsche Parlament lehnte den Antrag der AfD ab.

Nun dreht der Wind. Ein bisschen. Denn nächstes Jahr ist Bundestagswahl in Deutschland und die etablierten Parteien befürchten, dass ihnen die Felle davonschwimmen. 

Die deutsche FDP fordert jetzt eine «kritische Aufarbeitung der Corona-Politik» – reichlich spät. Ihr Chef Christian Lindner sagte vor wenigen Tagen: Schulschliessungen, Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren und Zutrittsverbote seien «zum Teil absolut unverhältnismässige Eingriffe in die Freiheitsrechte» gewesen.

Wer sich während der Corona-Pandemie so äusserte, wurde als ahnungslos, unverantwortlich oder «Corona-Leugner» zum Schweigen gebracht.

Maximal unglaubwürdig

Noch Anfang letzter Woche zitierte die «Süddeutsche Zeitung» den deutschen Gesundheitsminister Karl Lauterbach wie folgt:

«Deutschland sei insgesamt gut durch die Pandemie gekommen, die Arbeit des Robert-Koch-Instituts (RKI) habe dazu beigetragen, viele zusätzliche Todesfälle zu verhindern. Eine politische Aufarbeitung brauche es nicht, nur eine wissenschaftliche, fand Lauterbach. Es sei wichtig, ‹nach vorne zu blicken›. Der Minister sprach gar – ohne Beleg – von der ‹Einmischung fremder Regierungen›, durch deren Hilfe Verschwörungserzählungen in den sozialen Medien entstehen sollten.»  

Wenige Tage später besann sich Lauterbach plötzlich eines Besseren. Wenigstens ein bisschen. Er sprach sich nun dafür aus, die mit über tausend Schwärzungen versehenen Protokolle des Robert-Koch-Instituts (RKI) «weitestgehend» zu entschwärzen, um «maximale Transparenz» herbeizuführen. Das Entschwärzen würde aber einige Zeit in Anspruch nehmen. 

Lauterbachs Zusicherung «maximaler Transparenz» ist maximal unglaubwürdig. Denn der Gesundheitsminister hätte maximale Transparenz längst herstellen können. Das RKI verbrachte vor der Herausgabe der Protokolle ungezählte Arbeitsstunden, um über 1000 Textpassagen in den RKI-Protokollen zu schwärzen und auf über 1000 Seiten zu begründen, weshalb sie geschwärzt wurden. 

Wenn es Lauterbach mit seiner «maximalen Transparenz» ernst wäre, ginge es nicht bloss um die Protokolle des RKI. Denn wirklich Brisantes und Heikles wird in Protokollen gemeinhin gar nicht erst erwähnt.    

In der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» räumte Lauterbach nun zwar ein: Es sei nicht alles richtig gewesen. Er betonte aber: «Wir haben damals besten Wissens gehandelt.» Daraus kann man nur ableiten: Entweder lügt der Minister oder er und seine Vorgänger liessen sich von den falschen Leuten informieren. 

Die angeblich «nebenwirkungsfreie» Impfung

Es war Karl Lauterbach, der beispielsweise im August 2021 via Twitter von der «nebenwirkungsfreien» Impfung faselte. Dabei weiss jeder Medizinstudent, dass alles, was wirkt, auch Nebenwirkungen hat – der Medizinprofessor Lauterbach wollte das nicht gewusst haben? Obwohl schon allererste Impfstudien Nebenwirkungen nachgewiesen hatten? 

Lauterbach verhinderte auch, dass das nötige Wissen erarbeitet wurde. So setzte er einen leicht realisierbaren Vorschlag von deutschen Krankenkassen nicht um. Sie schlugen vor, bei 73,4 Millionen Krankenversicherten in anonymisierter Form nach auffälligen Mustern zu suchen, etwa, ob sich längere Zeit nach der Impfung bestimmte Erkrankungen bei gewissen Personengruppen häufen. Solche «Mustererkennungen» halfen in der Vergangenheit, Risiken zu erkennen, etwa zu den Nebenwirkungen bestimmter Antibiotika oder verunreinigter Blutdrucksenker. Das hätte helfen können, Impfungen sicherer zu machen, weil sich damit «positive, aber auch unbeabsichtigte Wirkungen» leichter erkennen lassen. Doch weder Lauterbachs Vorgänger Jens Spahn noch Lauterbach nahm die Anregung von Gesundheitsforschern auf, die diese im Mai 2021 in «Gesundheit und Gesellschaft» veröffentlichten (Infosperber berichtete).

«Dem damaligen Stand der Wissenschaft entsprochen»

Im Jahr vor der Bundestagswahl findet plötzlich auch Lauterbach, dass während der Pandemie «Massnahmen wie Schulschliessungen und Kontaktbeschränkungen für Kinder zu weit gegangen seien, wenngleich sie dem damaligen Stand der Wissenschaft entsprochen hätten

Diese Darstellung ist erstens falsch und zweitens scheinheilig. Falsch, weil der «damalige Stand der Wissenschaft» alles andere als ein Konsens war. Immer wieder meldeten sich Expertinnen und Experten zu Wort, die zum Beispiel darauf hinwiesen, dass Kinder keine Sars-CoV-2-Virenschleudern und Schulen keine gefährlichen Orte seien. Doch die deutsche Regierung hörte nicht auf sie. 

Stattdessen stützte sie sich auf Wissenschaftler wie den Virologen Christian Drosten, der etwas anderes behauptete. Oder auf das Team um die Physikerin Viola Priesemann. Sie behauptete aufgrund ihrer Annahmen und Berechnungen: Die von der deutschen Regierung beschlossenen Massnahmen seien wirksam und die strengen Regeln zur Kontaktbeschränkung nötig gewesen. Dass diverse Fachleute die Priesemann’schen Modelle nicht nachvollziehen konnten und erhebliche Zweifel anmeldeten – auch das kümmerte die damalige Regierung nicht. Sie erhielt durch Priesemann die «wissenschaftliche» Legitimation ihrer Massnahmen (Infosperber berichtete).

Scheinheilig ist es, weil Lauterbach selbst Falschinformationen verbreitete. Schon 2021 und 2022 deckte die «Bild»-Zeitung auf, dass er in Talkshows und auf Social Media wiederholt falsche Angaben machte (Infosperber berichtete). Ein Minister, der es erwiesenermassen mit der Wahrheit nicht so genau nahm, kann kein Interesse an «maximaler Transparenz» haben.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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4 Meinungen

  • am 1.04.2024 um 10:50 Uhr
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    Zumindest gibt es in DE einen gewissen Druck, die Coronazeit politisch aufzuarbeiten. Ähnliches habe ich in CH noch nicht vernommen. Zwar waren die «Massnahmen» hierzulande deutlich weniger drakonisch (insbesondere gegenüber von Kindern), aber spätestens mit der Einführung von 2G wurde eine Grenze überschritten, die zwingend aufgearbeitet werden muss.

  • am 1.04.2024 um 12:22 Uhr
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    Es ist so ziemlich alles gesagt, was gesagt werden muss, in diesem Artikel. Die ganze Regierung hat sich schon ab 2020 komplett unglaubwürdig gemacht. Wenn nun diese Regierung von wissenschaftlicher Aufarbeitung redet (selbstverständlich keine politische – das wäre ja Selbstmord), kann man nur von Dreistigkeit reden.

  • am 1.04.2024 um 17:23 Uhr
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    Eine Aufarbeitung wäre tatsächlich dringend nötig. Der Bock (Lauterbach) sollte dabei aber nicht den Gärtner spielen wollen.
    Ich bin gespannt, ob es die FDP ernst meint mit dieser Forderung, oder ob sie einknickt, wenn innerhalb der Koalition ein wenig Gegenwind aufkommt.
    Unterdessen werkelt die WHO an einem neuen Pandemiepakt und an einer Verschärfung der IHR (international health regulations). Ganz abgesehen von grundsätzlichen staatspolitischen Vorbehalten (wieso sollte die WHO dazu legitimiert sein, Staaten weitreichende Vorschriften zu machen?) müssen diese Aktivitäten sistiert werden, bis eine umfassende und unvoreingenommene Analyse der Corona-Krise stattgefunden hat. Ein Beschluss dieser Vorhaben an der WHO-Versammlung im Mai wäre verantwortungslos.

  • am 1.04.2024 um 17:45 Uhr
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    Wer Zeitung liest, weiss was in der Welt passiert !
    FALSCH ! Er weiss nur, was in der Zeitung steht !
    Genau dasselbe gilt auch für die übrigen Medien, bei Funk und Fernsehen ………
    und erst 2 Jahre später sickern immer mehr Informationen durch, die vorher konsequent geleugnet wurden. Von praktisch allen Medien, in jedem Land. War es dann verwunderlich, wenn plötzlich Verschwörungstheorien die Runde machten……..?

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