Kommentar

Lauterbachs Digitalisierungs-Offensive mit üblem Beigeschmack

Martina Frei © zvg

Martina Frei /  Der deutsche Gesundheitsminister treibt die Digitalisierung voran. Aber nur, wenn es auch den Interessen der Pharma dient.

Was die Digitalisierung des Gesundheitswesens betrifft, ist Deutschland laut seinem Gesundheitsminister Karl Lauterbach ein Entwicklungsland. Er wolle nun «Druck bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens machen», berichtete das «Deutsche Ärzteblatt». Der deutsche Gesundheitsminister «erwarte von der Ärzte- und der Apo­thekerschaft, ‹dass sie diese wichtige Innovation, die Medikamente sicherer macht, die den Patienten hilft und darüber hinaus die Arbeitsabläufe vereinfacht, nicht blockiert, sondern dass sie mitzieht›.»

Der Minister würde besser zuerst vor der eigenen Türe kehren. Die Corona-Krise beispielsweise hat gezeigt, dass es Lauterbach nicht darum geht, Impfstoffe mit einer zuverlässigen Datengrundlage sicherer zu machen. Im Mai 2021 appellierten mehrere Gesundheitsforscher eindringlich, die «verschiedenen Datentöpfe» in Deutschland miteinander zu verknüpfen. Die Krankenkassen boten Hand dafür (Infosperber berichtete). Doch der Gesundheitsminister vergab diese Chance.

In Deutschland sammelt das Robert Koch-Institut anonymisierte Daten, wer, wann, wo mit welchem Covid-Impfstoff geimpft wurde. Das Paul-Ehrlich-Institut sammelt die Verdachtsfälle von Nebenwirkungen. Und die Krankenkassen wissen, wer, wann, wo wegen welcher Krankheit behandelt wurde und wird. Diese drei «Datentöpfe» sollten schleunigst zusammengeführt werden. Dafür plädierten die Gesundheitsforscher vor mehr als zwei Jahren.

Impfungen sicherer machen, Long Covid- und Post Vac-Betroffenen helfen

Wäre dies geschehen, hätte man dort bei 73,4 Millionen gesetzlich Versicherten in anonymisierter Form nach auffälligen Mustern suchen können, beispielsweise, ob sich längere Zeit nach der Impfung bestimmte Erkrankungen bei gewissen Personengruppen häufen. Solche «Mustererkennungen» halfen in der Vergangenheit, Risiken zu erkennen, etwa zu den Nebenwirkungen bestimmter Antibiotika oder verunreinigter Blutdrucksenker. 

Die drei Datentöpfe zu verbinden, könnte helfen, Impfungen sicherer zu machen, weil sich damit «positive, aber auch unbeabsichtigte Wirkungen» der Impfstoffe leichter erkennen liessen, schrieben die Gesundheitsforscher im Mai 2021 in «Gesundheit und Gesellschaft». 

Wenn zum Beispiel eine bestimmte Charge eines Medikaments verunreinigt ist und zu Gesundheitsproblemen führt, könnte dies ermittelt werden – vorausgesetzt, die drei Datentöpfe wären miteinander verknüpft. Angesichts einer dänischen Studie, die bei bestimmten mRNA-Impfchargen von Pfizer/Biontech grosse Probleme vermuten lässt, wäre es umso wichtiger, diesen Verdacht zu überprüfen (Infosperber berichtete). Hätte Lauterbach dafür gesorgt, dass die drei Datentöpfe verknüpft werden, dann wäre dies ein Leichtes gewesen. Die Verknüpfung hätte den Impfstoff-Herstellern frühzeitig Gefahrenhinweise liefern können.

Für alle Menschen, die als Folge von Covid oder von den Covid-Impfungen an Schäden leiden, wäre das Zusammenführen dieser drei Datentöpfe ebenfalls von grossem Nutzen.

Kein Interesse beim Minister

Es wäre keine grosse Sache, die drei Datentöpfe zusammenzuführen. Deutsche Krankenkassen haben vor über zwei Jahren einen Vorschlag gemacht, wie dies zu bewerkstelligen sei. Auch der Datenschutz wäre gewährleistet.

Aber der Minister, dem die Gesundheit der Menschen doch am Herzen liegen müsste, hat offenkundig kein Interesse daran. Wie sonst ist es zu erklären, dass die drei Datentöpfe noch immer nicht verbunden sind? 

Ganz anders beim «Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten», das Lauterbach mit Tempo vorantreibt. Am 4. August 2023 wurde der überarbeitete Entwurf dieses Gesetzes präsentiert. Im Vergleich zur vorherigen Fassung fällt darin besonders eine Neuerung auf. Sie betrifft die Frage, wem die Gesundheitsdaten der in Deutschland lebenden Menschen zugänglich gemacht werden. 

In der vorherigen Fassung des Gesetzesentwurfs stand eine Liste derjenigen, die unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt wären, diese sensiblen Daten zu erhalten: Krankenkassen, einige Gesundheitsinstitutionen und -behörden, Forscherinnen und Forscher, Patientenselbsthilfeorganisationen und weitere. 

Gesundheitsdaten der Deutschen werden Firmen zur Verfügung gestellt

In der neuen Version des Gesetzesentwurfs fehlt diese Liste. Stattdessen sollen die Gesundheitsdaten der Deutschen nun alle erhalten, wenn sie einen von neun Zwecken verfolgen. Neu zählen zu diesen Nutzniessern alle Pharmafirmen, alle Hersteller von Medizinprodukten, App-Entwickler sowie diejenigen, die Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen trainieren oder anwenden möchten. Die Gesundheitsdaten der Deutschen werden ihnen – falls dieser Entwurf angenommen wird – zur Verfügung gestellt.

Die Firmen werden sich freuen, umso mehr, da Lauterbach ja nun «Druck machen» will bei der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens. Ob diese freiherzige Weitergabe der Gesundheitsdaten an profitgetriebene Firmen in den USA, in China, in der Schweiz oder andernorts auch der deutschen Bevölkerung nützt, ist ungewiss.

Sicher genützt aber hätte es den Menschen in Deutschland, wenn der Minister sich darum gekümmert hätte, die drei Datentöpfe zu verknüpfen, zumal Lauterbach mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens ja die «Medikamente sicherer» machen will. Doch Deutschland verzichtete auf dieses Monitoring der Nebenwirkungen. Karl Lauterbach trägt die Verantwortung.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Die Autorin ist Ärztin.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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Eine Meinung zu

  • am 13.08.2023 um 14:05 Uhr
    Permalink

    Die Ernennung von Dr. med. Karl Lauterbach zum deutschen Gesundheitsminister war die grösste Fehlbesetzung in der deutschen Regierung. Das will etwas heissen.

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