Sperberauge

Eine Richterin in Delaware erklärt Elon Musk zum «Abzocker»

Christof Leisinger © zvg

Christof Leisinger /  Ein Aktionär klagte gegen das Milliarden-Vergütungspaket des «reichsten Menschen» der Welt. Nun ist die Vergütung vorerst nichtig.

Unglaubliche Ambitionen, enorme Leistungen, aber auch höchst umstrittene Meinungen, Flirt mit bewusstseinserweiternden Drogen und Gier – Elon Musk schien lange Zeit keine Grenzen zu kennen. Dann startete ein Aktionär seine «Abzocker-Initiative» der besonderen Art und klagte gegen die «überzogene Vergütung». Nun kam Richterin Kathaleen McCormick aus dem amerikanischen Bundesstaat Delaware nach langem Überlegen zu einem eindeutigen Urteil.

55-Milliarden-Dollar-Paket für nichtig erklärt

Ausgerechnet dort, wo die Steueroase nur so aufblüht, hat sie Elon Musks im Jahr 2018 mit dem Elektroautohersteller Tesla vereinbartes Gehaltspaket im Wert von rund 55 Milliarden Dollar für nichtig erklärt. Sie schlägt sich damit auf die Seite eines Aktionärs, der eine Klage gegen Musk und Tesla eingereicht hatte, weil er die Vergütung des Exzentrikers für exzessiv hält.

Musk kann zwar gegen das Urteil Berufung einlegen. Sollte die Entscheidung aber aufrechterhalten werden, müsste der Verwaltungsrat von Tesla ein neues Gehaltspaket für ihn schnüren. Und das ausgerechnet kurze Zeit, nachdem er mit der Forderung nach einem weiteren üppigen Gehaltspaket hatte aufhorchen lassen. Er drohte sogar damit, künftig Produkte anderswo zu entwickeln, wenn er nicht mindestens 25 Prozent der Stimmrechte erhalte.

Er behauptete zwar, dabei gehe es ihm nicht ums Geld. Sondern er wolle nur sicherstellen, genug Einfluss zu haben, um nicht so leicht von institutionellen Investoren mit «seltsamen Ideen» entmachtet werden zu können. Skeptiker dagegen argumentieren, er sei selbst nach Aktienverkäufen im Wert von etwa 20 Milliarden Dollar im Jahr 2022 zur Refinanzierung der Übernahme von Twitter knapp bei Kasse, er sorge sich über eine Entmachtung wegen Drogenkonsums sowie über den Geschäftsgang.

elon verkauft
Elon hat im Jahr 2022 mit dem Verkauf von Tesla-Aktien Milliarden eingenommen.

Musks Gehaltspaket war sehr ungewöhnlich. Nach den Anfangsjahren bezog er weder ein Grundgehalt noch Bonuszahlungen, sondern liess sich stattdessen Aktien-Kaufoptionen zuteilen. Diese waren und sind zwar an das Erreichen bestimmter operativer Ziele gebunden, aber sie waren überaus lukrativ. Denn auf diese Weise konnte er Tesla-Aktien günstig kaufen und wurde steinreich, weil der Kurs phasenweise durch die Decke ging, weil der Autohersteller enorm wuchs, weil die Aktionäre davon begeistert waren und weil sich das Gegenüber der Optionsgeschäfte bei steigenden Notierungen mit den Papieren eindecken musste.

Teslas Börsenwert lag bei 60 Milliarden Dollar, als das Gehaltspaket beschlossen wurde. In den Jahren danach stieg er auf zeitweise mehr als eine Billion Dollar. Heute liegt er noch bei etwa 600 Milliarden Dollar, was Tesla immer noch mit Abstand zum scheinbar wertvollsten, aber auch teuren Autohersteller der Welt macht.

Gehaltspaket: «historisch noch nie dagewesen» und «unfair»

Die Aktionärsklage wurde schon im Herbst des Jahres 2022 vor Gericht in Anwesenheit Musks verhandelt. Danach nahm sich Richterin McCormick viel Zeit für das 201 Seiten umfassende Urteil, in dem sie Musks Gehaltspaket als «historisch noch nie dagewesen» und als «unfair» bezeichnet. Das Prozedere, das zur Gewährung des Vergütungspakets geführt habe, sei «zutiefst fehlerhaft» gewesen. Unter anderem wegen der engen persönlichen Verbindungen zu anderen Mitgliedern des Verwaltungsrats, die für das Aushandeln seiner Entlohnung verantwortlich gewesen seien.

Elon Musk habe den «maximalen Einfluss» ausgeübt, den ein Manager über ein Unternehmen haben könne, und der Verwaltungsrat habe sich nie die Frage gestellt, ob eine so üppige Bezahlung notwendig sei, um ihn zu halten. Die Richterin mutmasste, das Gremium sei «vielleicht von Musks Superstar-Gehabe» verblendet» gewesen. Dem achtköpfigen Führungsgremium des Unternehmens gehören mehrere enge Freunde von Musk und seinem Bruder Kimbal an. Viele verdankten diesen einen Grossteil ihres persönlichen Reichtums.

Sollte das Urteil Bestand haben und Musks Vergütungsplan annulliert werden, verlöre er Kaufoptionen auf 303 Millionen Tesla-Aktien, was fast zehn Prozent des Unternehmens entspräche. Auf diese Weise würde nicht nur sein Anteil auf etwa 13 Prozent und damit weit unter die angestrebten 25 Prozent fallen, sondern auch seine Position als reichster Mensch der Welt wäre gefährdet. In den Augen von Kritikern ist das Urteil «eine unglaublich wichtige Entscheidung, weil sie feststellt, dass es so etwas wie unverschämte Vergütung gibt», erklärte Sarah Anderson vom Institute for Policy Studies, einer progressiven Forschungsgruppe, der New York Times. Und die Diskussionen über die Abzocker-Initiative in der Schweiz würden relativiert.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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2 Meinungen

  • am 1.02.2024 um 13:41 Uhr
    Permalink

    Die ausgehandelten Ziele schienen 2018 extrem schwer erreichbar. Pro memoria: 2018 stand Tesla kurz vor der Pleite. Inzwischen ist der Wert des Unternehmens auf über 600 Mrd. gewachsen.

    Nur als Vergleich: Aktie Ende 2018: $20
    Aktien Ende 2023: $260

    Aktiensplit 2020: 1:5
    Aktiensplit 2022: 1:3

    D.h. eine Aktie im Wert von $20 von Ende 2018 hatte Ende 2023 den Wert von $3’900 ($260 x 5 x 3)

    Klar ist das Aktienpaket viel wert. Aber auch nur deswegen, weil Musk verschiedene Ziele erreicht hat und den Wert von Tesla so steigern konnte.

    • am 2.02.2024 um 11:43 Uhr
      Permalink

      Danke Herr Tieffenbacher für Ihre ergänzenden Informationen. Diese spielen mE eine wichtige Rolle in der Beurteilung der Rechtmässigkeit. Ex Ante ist die Wahrscheinlichkeit extrem klein, dass so eine Aktienpreisexplosion erfolgt. Wenn das ganze noch mit Out of the Money Optionen gehebelt wird, können so absurde Endzahlen wie die genannten 55 Mia zusammenkommen.

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