Elon Musk in Shanghai

... und andere stehen im Regen: Elon Musk – hier bei der Grundsteinlegung für eine Tesla-Fabrik 2018 in Shanghai – zahlt rund drei Prozent Steuern. © ChinaImages / Depositphotos

Superreiche scheffelten in der Corona-Zeit Billionen

Josef Estermann /  Die Hälfte des neu angesammelten Reichtums seit 2020 geht aufs Konto von einem Prozent der Weltbevölkerung.

Dass die Corona-Pandemie nicht nur Millionen Menschenleben gekostet und viele Volkswirtschaften im globalen Süden schwer in Mitleidenschaft gezogen hat, ist hinlänglich bekannt. Dass die Pandemie aber auch «Gewinner» hervorgebracht hat und wer diese sind, darüber gab es bis anhin nur Mutmassungen.

«Survival of the richest»

Im Januar dieses Jahres trat die britische NGO Oxfam anlässlich des WEF (World Economic Forum) in Davos mit einem Bericht an die Öffentlichkeit, der hierzulande nur ansatzweise aufgegriffen oder gar weiterverbreitet worden ist. Dabei birgt das unter dem vielsagenden Titel «The survival of the richest» (Das Überleben der Reichsten) erschienene Dokument viel politischen und sozialen Zündstoff. Die Anspielung auf die darwinistische Evolutionslehre («The survival oft he fittest») legt zudem nahe, dass gerade in Zeiten einer Pandemie sozialdarwinistische Tendenzen augenscheinlich sind. Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer.

Aber dieser Gemeinplatz hat laut Oxfam inzwischen zu einer grotesken, wenn nicht gar perversen Umverteilung von unten nach oben geführt. Seit 2020, also dem Beginn der Pandemie, wurden weltweit trotz Lockdowns und Restriktionen bei den Lieferketten 42 Billionen US-Dollar (mit 12 Nullen) an neuem Reichtum generiert. Davon gehören 63 Prozent oder 26 Billionen dem reichsten Prozent der Weltbevölkerung, während die ärmeren 99 Prozent den Rest unter sich aufteilen mussten. Oder noch konkreter, wie der Bericht veranschaulicht: Ein Milliardär hat während der Pandemie 1,7 Millionen US-Dollar für jeden Dollar angehäuft, den jemand aus den ärmeren 90 Prozent der Weltbevölkerung verdient hat.

Elon Musk zahlt drei Prozent Steuern, die Marktfrau in Afrika 40 Prozent

Der Lebensmittel- und Energiesektor konnte im Pandemie- und Kriegsjahr 2022 den Profit um mehr als das Doppelte steigern und zahlte seinen (ohnehin schon reichen) Aktionärinnen und Aktionären die Summe von 257 Milliarden US-Dollar aus, während über 800 Millionen Menschen Hunger litten.

Die zunehmenden Einkommens- und Vermögensungleichheiten sind verantwortlich für eine Reihe von Krisen (Oxfam spricht von «Polykrise»), die den Planeten in den letzten Jahrzehnten und Jahren überziehen. Als Hauptgrund für die rapide Zunahme dieser Ungleichheiten sieht Oxfam das bestehende Steuersystem weltweit, das Superreiche und grosse transnationale Unternehmen bevorzugt beziehungsweise ihnen genügend Schlupflöcher bietet, angemessene Steuern zu «vermeiden». 

Als konkretes Beispiel nennt der Bericht einerseits Elon Musk, der als einer der reichsten Menschen von 2014 bis 2018 bloss etwas über drei Prozent Steuern bezahlt habe. Die Marktfrau Aber Christine aus Norduganda hingegen, die mit Reis, Mehl und Soja handelt, verdient monatlich 80 US-Dollar und bezahlt 40 Prozent Steuern.

Oxfam Grafik Zuwachs an Reichtum 2012 bis 2021
So verteilt sich der neu angehäufte Reichtum: Links die zehn Prozent der ärmsten Bevölkerung, rechts das eine Prozent der reichsten. Die hellgrünen Balken zeigen den Zuwachs in den Jahren von 2012 bis 2021. Dunkelgrün dargestellt der Zuwachs in den Jahren 2020 und 2021. Oxfam erstellte diese Grafik anhand des «Berichts zum weltweiten Reichtum» der Crédit Suisse.

Ein neues weltweites Steuersystem

Es mag deshalb nicht verwundern, dass Oxfam einmal mehr ein gerechtes Steuersystem fordert, das die Superreichen angemessen besteuert, denn dies sei eine «strategische Voraussetzung zur Reduktion der Ungleichheit und zur Wiederherstellung der Demokratie», wie die Geschäftsführerin von Oxfam, Gabriela Bucher, betont. Heute lebt die Hälfte der Milliardäre in Ländern, die keine Erbschaftssteuer kennen. Nur vier Prozent der weltweiten Steuereinnahmen stamme von einer Reichtumsteuer (wealth tax).

Eine Steuer von fünf Prozent auf den Reichtum der Multimillionäre und Milliardäre weltweit dürfte jährlich 1,7 Billionen US-Dollar einbringen, was genug wäre, um zwei Milliarden Menschen aus der Armut zu befreien und den Welthunger zu beenden. «Die Superreichen und grossen Unternehmen zu besteuern ist das Instrument, um die heutigen sich überlappenden Krisen zu bewältigen. Es wird Zeit, den Mythos zu zerstören, dass Steuererleichterungen für die Superreichen im Endeffekt auch uns allen zugute kämen, weil deren Reichtum auf alle heruntertropfe (Trickle Down Effect)», meint Gabriela Bucher. 

Dieser Appell für eine neues weltweites Steuersystem findet laut Meinungsumfragen in den meisten Ländern eine überwältigende Mehrheit. Sogar unter Superreichen wächst die Bereitschaft, mehr Steuern zu entrichten, aus Angst vor sozialen und politischen Unruhen und einem Abbau der Demokratie. Im Januar 2022 haben über hundert Millionärinnen und Millionäre eine Erklärung unterzeichnet, in der sie um eine höhere Besteuerung ihrer Gewinne und ihres Vermögens bitten.

Konkrete Massnahmen

Da die zunehmenden Ungleichheiten zwischen einer superreichen Oberschicht und der Mehrheit von armen Menschen die heutigen Krisen verschärfen werden, ist die Einführung einer angemessenen Reichtumsteuer konsequent. Oxfam errechnet, dass dadurch die Schere zwischen Arm und Reich bis 2030 nicht weiter anwachsen, sondern sich auf Verhältnisse einpendeln würde, wie sie in den 1990er Jahren vorherrschend waren.

Konkret schlägt Oxfam für eine Reform des weltweiten Steuersystems folgende Massnahmen vor:

  1. Einführung einer einmaligen solidarischen Vermögenssteuer und einer Unternehmenssteuer auf unerwartete Gewinne sowie einer deutlich höheren Besteuerung von Dividendenausschüttungen, um Krisenprofiteure zu stoppen.
  2. Dauerhafte Erhöhung der Steuern für die reichsten ein Prozent, zum Beispiel auf mindestens 60 Prozent ihres Einkommens aus Arbeit und Kapital, mit höheren Sätzen für Multimillionäre und Milliardäre.
  3. Besteuerung des Reichtums der Superreichen mit ausreichend hohen Sätzen, um den extremen Reichtum systematisch zu reduzieren und die Machtkonzentration und Ungleichheit zu verringern. 
  4. Verwendung der Einnahmen aus diesen Steuern zur Erhöhung der Staatsausgaben für Bereiche, welche die Ungleichheit verringern, wie Gesundheitswesen, Bildung und Ernährungssicherheit, sowie zur Finanzierung des gerechten Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Welt.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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8 Meinungen

  • am 9.09.2023 um 15:09 Uhr
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    Wie realitätsfremd muss man sein, wenn man immer noch nicht verstanden hat, wohin die Reise geht (Brave New World – «Die Menschen werden ihre Knechtschaft lieben»).
    * diese endlosen Notstände und selbstverursachten Krisen
    * diese Datensammelwut (Cambridge Analytica & Co)
    * das Mainstreaming, Nudging
    * die Gleichschaltung der Medien
    * die Sprachpolizei
    * diese ausufernde Zensur
    * die Abschaffung des Bargeldes
    * alle Abweichler kategorisch als angeblich ‹Rechtsextreme›, ‹Nazi›, ‹Antisemmiten› gebrandmarkt werden
    * der Kampf gegen angeblich ‹Rechts›, im Klartext ‹Bekämpfung anderer Meinungen› heisst
    * Zwecks Fragmentierung der Gesellschaft, Schaffung von Paralellgesellschaften, die gesteuerte Einwanderung ein Ausmass angenommen hat, sodass eine Integration aussichtslos ist.
    * usw.

    Siehe dazu auch Norbert Häring:
    https://norberthaering.de/propaganda-zensur/jitsuvac-und-who/
    https://norberthaering.de/propaganda-zensur/who-resolution/

  • am 9.09.2023 um 15:22 Uhr
    Permalink

    Die Oxfam-Forderungen (es fehlt eine Börsen-Steuer) sind natürlich mehr als berechtigt und stellen in gewisser Weise eine Strategie gegen die sozialen Explosionen dar, die wir unweigerlich in kurzen Abständen erleben werden. Die Ungleichheit zwischen den Reichen und den restlichen über 90 Prozent hat inzwischen – wie wir alle wissen – ein Ausmass erreicht, das jenem am Vorabend des Ausbruchs des 1. Weltkrieges entspricht (T. Piketty). Aber: würde man diese Forderungen – z.B. in der Schweiz – über die demokratischen Entscheidsysteme umsetzen wollen? 50 Jahre «Mehr Freiheit weniger Staat» und ein tollwütiger Neoliberalismus (eine systematische Plünderung) haben aus Bürgern Kunden und Konkurrenten gemacht. Die neoliberale Verteilung von unten nach oben erfolgte hier stets mit Zustimmung einer verdummten Mehrheit (gemäss Max Frisch die Mehrheit der «Cretins»). Solidarität und Gleichheit sind nicht mehrheitsfähig. Und andernorts, wo nicht einmal Mitentscheidungsinstrumente existieren?

  • am 9.09.2023 um 15:44 Uhr
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    Krisen als Dauerzustand.

    Das die «Superreichen» u.a auch während der Corona-Krise ihre Vermögen deutlich vergrössern konnten, ist ja seit längerem bekannt.

    So gesehen sind Krisen für diese kleine Gruppe von Personen sehr interessant. Ihre Vermögen wachsen genau so wie die Möglichkeit der Einflussnahme auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

    Ich nehme an, das wir auch aus diesen Gründen weiterhin eine Krise nach der anderen serviert bekommen werden (Klima, Corona, Ukraine, Energieversorgung, Finanzen, Flüchtlinge).

    Das Ausrufen neuer (bei Bedarf), wie das erhaltende Bewirtschaften bestehender Krisen sind für die globalen Eliten (meist) mit einem Zuwachs an Macht verbunden. Und darum geht es ja wahrscheinlich ..

  • am 9.09.2023 um 23:18 Uhr
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    Der Norddeutsche sagt dazu: «Wat dem eenen sin Uhl (Eule), is dem annern sin Nachtigall»

  • am 10.09.2023 um 07:56 Uhr
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    Wenn von 42 billionen US-dollars die rede ist tönt das nach tausend mal mehr als es ist. nicht das 42 milliarden schwiizer fränkli nicht auch genug wären aber was bei uns milliarden sind werden bei den amis zu billionen. die 42 billionen wären ca 10% des weltvermögens

    oder anders gesagt: bitte datenquelle angeben

    • Favorit Daumen X
      am 11.09.2023 um 09:06 Uhr
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      Der Oxfam-Bericht ist nicht nur als Quelle angegeben, sondern auch verlinkt. Was bei den Amis Trillionen sind, sind bei uns eben Milliarden.

  • am 10.09.2023 um 12:34 Uhr
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    Dass die Aussage, wonach die Corona-Pandemie Millionen Menschenleben gekostet habe, sei hinlänglich bekannt, hat sich inzwischen als blosse Behauptung herausgestellt. Die Sterblichkeit bewegte sich währender der Corona-Krise im Rahmen der letzten zwanzig Jahren und die Weltbevölkerung hat wie bisher zugenommen. Der PCR-Test wurde als diagnostisches Mittel angewendet, obwohl der Entwickler dieses Tests ausdrücklich betont hat, dass dieser nicht dazu dient. Wurde jemand positiv getestet und verstarb danach, galt er als Corona-Toter, obwohl erhebliche Vorerkrankungen vorlagen.

  • am 10.09.2023 um 14:50 Uhr
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    «Never let a good crisis go to waste» (Churchill)

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