Kommentar

Sprachlust: Die Nichtregierung kümmert sich um uns

Daniel Goldstein © Grietje Mesman

Daniel Goldstein /  Keine zu klein, von der Nichtregierung zu sein: Als wär's ihre wichtigste Eigenschaft, markieren viele Organisationen Staatsferne.

Die Nichtregierung leistet enorm viel, und doch kennt kaum jemand sie – drum sei ihr hier ein Kränzchen gewunden und auf diesem Weg dargereicht. Denn irgendwo muss sie ja stecken, schliesslich schenkt sie uns Organisationen sonder Zahl, die einander gegenseitig darin überbieten, Gutes zu tun. Wer speist die Armen, tröstet die Kranken, setzt sich für politische Gefangene ein, markiert unsere Wanderwege, schützt Frösche und Lurche? Fast immer ist es eine Körperschaft, die sich heute gern als NRO bezeichnet, als «Nichtregierungsorganisation». Falls sie nicht das Kürzel NGO vorzieht und damit auf den englischen Ursprung dieses Sammelnamens verweist.
Non-government organizations (meist mit amerikanischem -z-, nicht britischem -s-) also sind es, die sich um gar manches kümmern, das auch den Regierungen wohl anstünde, von diesen aber oft sträflich vernachlässigt wird. Natürlich bezieht sich die Bezeichnung keineswegs auf eine mysteriöse «Nichtregierung», die da in die Bresche spränge. Die Organisationen legen vielmehr Wert auf die Feststellung, sie seien nicht von einer Regierung abhängig oder gar von ihr geschaffen.
Unabhängig sind alle gern
«Regierungsunabhängig» nennen sie sich daher auf Deutsch zuweilen auch. «Nichtstaatlich» wäre näher am Original, denn wenn Amerikaner «government» sagen, meinen sie kaum die Regierung, schon gar nicht die aktuelle, sondern den Staat an sich. Das Regieren besorgt die «administration», die den Namen des jeweiligen Präsidenten trägt und für uns jetzt «Regierung Obama» heisst. Wer dagegen «Obama-Administration» nachplappert, müsste eigentlich jene Leute im Weissen Haus meinen, die des Präsidenten Alltag verwalten, seine Termine, Reden und Reisen. Diesen Stab gibts ja, und um seine Macht rankt sich manche Legende.
Aber ist die Unabhängigkeit von der sichtbaren oder weniger sichtbaren Regierung wirklich, was das Wesen einer NGO ausmacht? Auch Sportvereine, Berufsgilden und politische Parteien sind im Prinzip nicht von der Regierung abhängig, wenngleich oft von deren Geld.
Gemeinnützig müssen sie sein
Steuergelder nehmen auch «richtige» NGOs zuweilen ohne Skrupel. Aber sie würden wohl aufschreien, beanspruchten blosse Interessenverbände den Ehrentitel der Regierungsunabhängigkeit. Bestenfalls gesteht man den «unechten» NGOs zu, dass sie ebenfalls zur «Zivilgesellschaft» gehören. Diese wiederum ist nicht wegen ihrer Uniformlosigkeit zivil, sondern weit «civil society» einfach nachgebildet wird, statt als «Bürgergesellschaft» übersetzt.
Der wahre Prüfstein für eine NGO ist, ob sie sich für Wesen einsetzt, die ihr nicht angehören. Sie tut es entweder in althergebrachter Weise als Hilfswerk und könnte sich dann wohltätig nennen, klänge es nicht so selbstgerecht. Oder sie betreibt «advocacy», ist also Fürsprecherin zum Beispiel des globalen Klimas oder der deutschen Sprache. Meistens treibt eine Organisation beides zugleich: Sie hilft, und sie weibelt. Für altruistisches Wirken dieser Art gibt es ein leider aus der Mode geratenes deutsches Wort, das den NGOs eine wesentlichere Eigenschaft als ihre «Nichtregierungshaftigkeit» attestiert: Gemeinnützig sind sie.
— Zum Infosperber-Dossier «Sprachlust»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Redaktor der Zeitschrift «Sprachspiegel» und schreibt für die Zeitung «Der Bund» die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.

Zum Infosperber-Dossier:

Portrait_Daniel_Goldstein_2016

Sprachlupe: Alle Beiträge

Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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3 Meinungen

  • am 15.04.2014 um 00:08 Uhr
    Permalink

    Zwei Hinweise in aller Güte (verblüffend allerdings, dass sie bei diesem Autor überhaupt nötig sind): “NGO“ steht für “non-governmental organization“; und das z hier ist mitnichten britisch, sondern klassisch amerikanisch. Es sind die Briten, die s setzen, ennet dem Teich verwendet man z. Dem haben sich auch die Briten partiell angepasst: British English International näherte sich den US-Schreibweisen weitgehend an.

  • Portrait_Daniel_Goldstein_2016
    am 15.04.2014 um 10:15 Uhr
    Permalink

    Richtig gemeint, falsch geschrieben, schon korrigiert, vielen Dank! Die Adjektiv-Endung -al habe ich nicht übernommen: Korrekt ist sie, aber sehr häufig fehlt sie.

  • am 15.04.2014 um 12:43 Uhr
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    Na, für irgendwas muss der Korrektoren-Fernkurs ja gut sein. 😉
    Besten Tag Ihnen.
    SP

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