Claire's Preisschild Preisdifferenz

Offensichtliche Preisdifferenzen: Anderswo verkauft Claire's die gleichen Produkte viel billiger als in der Schweiz. © Thomas Bornhauser

Die Schweizer haben’s ja

Marco Diener /  Der Franken-Euro-Kurs steht bei 1:1. Deshalb fällt jetzt auf: Internationale Konzerne verlangen hierzulande unverschämte Preise.

Claire’s nimmt sich nicht einmal die Mühe, die Preisunterschiede zu kaschieren. Auf dem Preisschild für ein Paar Ohrwärmer steht «CHF 34.90». Darüber der Preis in Euro: «€ 19.99.» Und daneben in ungarischen Forint: «HUF 6290.»

Mehr als doppelt so teuer

Man braucht kein Rechen-Weltmeister zu sein, um festzustellen, dass die Ohrwärmer in der Schweiz überteuert sind. Denn der Franken-Euro-Kurs steht seit einiger Zeit bei etwa 1:1. Das heisst: Die Ohrwärmer kosten in der Schweiz fast 35 Franken. In den Euro-Ländern keine 20 Franken. Und in Ungarn weniger als 15 Franken. Sie sind in der Schweiz also 75 Prozent teurer als in den Euro-Ländern und mehr als doppelt so teuer wie in Ungarn.

Kein Einzelfall

Die Ohrwärmer sind kein Einzelfall. Die Claire’s-Produkte kosten in der Schweiz meist 50 Prozent mehr als in den Euro-Ländern – manche sogar 80 Prozent. Infosperber fragte Claire’s nach den Gründen. Doch der Konzern, der seinen Sitz in der Nähe von Chicago hat, gab keine Antwort.

Preis überklebt

Auch andere internationale Konzerne holen aus den Schweizer Kunden und Kundinnen das Maximum heraus. Die italienische Firma Calzedonia versteckt den Euro-Preis – damit es nicht auffällt – unter einer Schweizer-Franken-Etikette. Beispiel Hosen: Auf der Etikette ist ein Franken-Preis von 49.95 aufgedruckt. Wer sie wegklaubt, stellt fest: In den Euro-Ländern kosten die gleichen Hosen 35.95 Euro. Schweizer und Schweizerinnen zahlen drauf.

Calzedonia Preisschild Preisdifferenz
CHF 49.95: Die Preisetikette kaschiert, …
Calzedonia Preisschild Preisdifferenz
…dass die Hose im restlichen Europa nur 35.95 Euro kostet.

In Spanien am billigsten

Calzedonia differenziert die Preise bei gewissen Produkten sogar zwischen den Euro-Ländern. Am teuersten – aber immer noch billiger als in der Schweiz – sind die Produkte in Deutschland, Österreich und Irland. Etwas günstiger in Portugal, der Slowakei, in Slowenien, Estland, Frankreich sowie den Benelux-Ländern. Am günstigsten sind sie in Spanien.

Auch Mango, H&M sowie Vero Moda

Infosperber verglich auch die Preise anderer Kleiderketten. Resultat: Die Preise sind immer in der Schweiz am höchsten. Bei Mango um bis zu 80 Prozent, bei H&M um bis zu 60 Prozent und bei Vero Moda um bis zu 28 Prozent. Wie Calzedonia verzichteten auch diese Firmen auf eine Stellungnahme.

Die Löhne

Vor drei Jahren gab H&M der Konsumentenzeitschrift K-Tipp auf die Frage nach den Gründen für die grossen Preisunterschiede die nichts sagende Antwort: «Aus Gründen des Wettbewerbs ist es uns nicht möglich, auf unsere Preisstrategie einzugehen.» Andere Anbieter begründeten die hohen Preise damals mit höheren Löhnen in der Schweiz.

Die Lohnnebenkosten

Die Löhne sind in der Schweiz tatsächlich deutlich höher als in den umliegenden Ländern. Doch nach Berücksichtigung der Lohnnebenkosten ist die Differenz bereits deutlich kleiner. Denn die Lohnnebenkosten sind in vielen EU-Ländern sehr hoch, weil dort die Arbeitgeber höhere Anteile an die Altersvorsoge zahlen und auch die Krankenkassenbeiträge übernehmen. Hinzu kommt: Der Grossteil der Lohnkosten dieser internationalen Konzerne fallen im Ausland an — für Design, Entwicklung, Rohstoffe, Produktion und Transport.

Die grossen Preisdifferenzen dürften also, wie H&M sagte, aufgrund einer «Preisstrategie» zustande kommen. Und die lautet in der Unternehmersprache: Zahlungsbereitschaft abschöpfen. Am besten bei den Schweizern. Denn die haben’s ja.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Tasche_Hintergrund

Konsumentenschutz

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8 Meinungen

  • am 16.12.2022 um 12:20 Uhr
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    Man kann das zwar nicht oft genug thematisieren, aber das ist leider kein neues Phänomen. Es war schon bei Büchern, Schallplatten, CDs und DVDs jahrzehntelang so, jedenfalls bevor man das alles über Amazon bestellen konnte. Seither haben sich die Preise angeglichen. Bei den Comics und Klatschheftli am Kiosk ist es aber, glaube ich, immer noch so, dass der Preis in CHF sehr viel höher ist, als der in Euro, auch bein großzügigem angewendeten Wechselkurs.

  • am 16.12.2022 um 13:13 Uhr
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    Da ist doch überhaupt nichts neues dran, Rechnen hat doch jeder in der Schule gelernt.
    Als zugewanderter ist mir das sofort aufgefallen, kannte ich doch die Preise schweizer Hersteller in Deutschland. Die Argumentation von höheren Kosten in der Schweiz konnte ich daher auch nicht nachvollziehen, da die Preise in DE nur gut die hälfte des Preises in der Schweiz war.
    Aber auch schon seit ewigen Zeiten wurde innerschweizerisch, unermüdlich immer wieder darauf hingewiesen das die Preise der Waren in den Supermarktregalen viel zu hoch kalkuliert waren.
    Aber fragt man mal genau nach, den Spass hatte ich mir mehrere Male gegönnt, bekommt man zur Antwort: «Ihr verdient doch da sehr gut, dann könnt ihr auch mehr bezahlen! «

    • am 20.12.2022 um 11:34 Uhr
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      Ja Aussenstehenden und Grenzgängern fällt so etwas leicht auf, doch was machen Bürger, die noch nie im Ausland waren, abgeschnitten im Tal. Dazu kommen die Arbeitnehmer, die froh sind ihr Leben auf die Reihe zu bringen. Gerade mit diesen Leuten wird spekuliert, sie können sich keine Alternativen suchen.

  • am 16.12.2022 um 13:50 Uhr
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    Es fällt ein wenig mehr auf, aber neu ist es wirklich nicht. Die Einwohner der Schweiz interessiert das zu wenig. Bei einem Medikament habe ich vor ein paar Jahren ein Verhältnis von 1:40 festgestellt. Das interessiert niemanden. Und wir wundern uns, dass das Gesundheitssystem so teuer geworden ist. Von den 5 Freiheiten der EU hat die Schweiz einen Teil übernommen, aber eben nicht den freien Warenverkehr. Daran haben v.a. bürgerliche Politiker gar kein Interesse. Wo kämen wir denn hin, wenn die Konsumenten bessere Bedingungen hätten?

  • am 18.12.2022 um 13:23 Uhr
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    Ein gewisser Karl Marx hat uns vor etwa 200 Jahren die Erkenntnis mitgeteilt, dass es mehr als einen Wert (und damit Preis) für eine Ware gibt. Da ist der Gebrauchswert, das heisst – einfach gesagt – die Gestehungskosten. Und auf den anderen Seite der Tauschwert, der – in dieser famosen Marktwirtschaft – auf der Spekulation darauf beruht, was der Erwerbende dafür zu bezahlen bereit ist (z. B. Kleider) oder was er aufgrund der Umstände gezwungen ist dafür zu bezahlen (z. B. Medikamente).

  • am 18.12.2022 um 15:38 Uhr
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    Bei der Analyse wären auch die unterschiedlich hohen Mehrwertsteuersätze einzubeziehen. Das verstärkt den geschilderten Missstand.

  • am 20.12.2022 um 12:16 Uhr
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    Dieser Artikel erfüllt die eingangs erwähnte Zielsetzung (Der Franken-Euro-Kurs steht bei 1:1. Deshalb fällt jetzt auf: Internationale Konzerne verlangen hierzulande unverschämte Preise.) nicht, denn es wird auf Altbekanntes hingewiesen, aber nicht erklärt, was ein Wechselkurs von 1:1 für eine Wirkung hat.

  • am 20.12.2022 um 12:59 Uhr
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    Zu den erhöhten Preisen kommt dann auch noch die Moralkeule und die Einforderug von Solidarität mit dem Gewerbe, wenn man sich erlaubt, die Dinge «drüben» zu holen. Wichtig wäre es aber auch, im Vergleich der einzelnen Produkte die Einstandspreise und die Margen zu kennen, um sich ein Bild über die «Preisstrategien» unserer Detaillisten machen zu können.

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