Modi bei Biden

Präsident Joe Biden empfängt Indiens Premierminister Modi am 21. Juni 2023 zu einem offiziellen Staatsbesuch. © ARD

Gute Miene zum bösen Spiel: Indien profitiert von Russlands Öl

Urs P. Gasche /  Indien raffiniert das russische Erdöl zu Benzin und Heizöl und exportiert diese Produkte sogar nach Europa und in die USA.

Seit dem Boykott russischen Erdöls haben die Tankschiffe mit russischem Öl ihre Richtungen fast vollständig geändert. Vor dem Krieg verkauften über die Hälfte der Tanker mit russischem Erdöl ihre Ladungen in Europa – heute geht die Hälfte nach Indien. Noch im Vorkriegsjahr 2021 bezog Indien nur etwa zwei Prozent des über die Meere importierten Erdöls aus Russland, den Rest hauptsächlich von den Ölländern des Mittleren Ostens (siehe rot-braune Fläche).

Erdöl Russland Indien
Russische Erdöl-Exporte per Tanker seit 2019: Indien kauft heute die Hälfte, raffiniert einen Teil und exportiert Benzin und Heizöl sogar auch nach Europa.

China ist mit 31 Prozent die zweitgrösste Anlaufstelle von Tankern mit russischem Öl. Doch dieser Anteil war auch in den Jahren 2020 und 2021 bereits ähnlich gross (siehe goldene Fläche).

Sowohl Indien wie China profitieren jedoch davon, dass russisches Erdöl günstiger wurde, seit die EU Russland boykottiert und im Dezember 2022 einen Preisdeckel von 60 Dollar pro Barrel beschloss. Der Preis für einen Barrel russischen Öls sank von 78 Dollar in den Monaten nach dem russischen Angriff auf die Ukraine auf gegenwärtig etwa 51 Dollar.

Das geht aus Recherchen der «New York Times» hervor, die sich auf Angaben von SynMax stützen, welche Daten von Satelliten auswertet. Danach sollen heute jeden Monat mehrere Dutzend Tanker mit russischem Öl indische Häfen anlaufen. Wichigste Anlaufstelle ist der Hafen im Golf von Kachchh (englisch Gulf of Kutch) an der Westküste Indiens. Dort befindet sich die weltweit grösste Erdölraffinerie Jamnagar mit – laut Wikipedia – etwa 100’000 Beschäftigten. Sie gehört dem indischen Konzern Reliance.

In nur 16 Kilometern Entfernung steht Indiens zweitgrösste Raffinerie namens Vadinar, die der Konzern Nayara Energy betreibt. Dieser Konzern gehöre zur Hälfte dem russischen Staatskonzern Rosneft und bei der anderen Hälfte seien andere russische Investoren beteiligt, schreibt die NYT und kommentiert: «Russische Unternehmen ernten einige der Vorteile» der stark gestiegenen russischen Exporte nach Indien. 

Russland verschifft heute sogar mehr Erdöl mit Tankern als vor dem Krieg. Doch wegen der gesunkenen Preise verdiene Russland mit dem verschifften Erdöl weniger. 

Es profitieren auch alle diejenigen Länder, denen Indien einen Teil der russischen Importe in Form von raffinierten Produkten wie Benzin, Kerosin oder Heizöl weiterverkauft. Darunter in erster Linie Staaten in Südostasien und Afrika, aber – wie die NYT vermerkt – «zunehmend auch europäische Staaten und die USA».

Indien habe allein aus dem Hafen von Sikka in den drei Monaten von Dezember 2022 bis Februar 2023 raffinierte Erdölprodukte für fast drei Milliarden Dollar an (EU-)Länder verkauft, welche sich an die Preisobergrenze für Rohöl von 60 Dollar halten. Seit dem 5. Februar ist in der EU offiziell ein Verbot von Importen raffinierter Produkte in Kraft, deren Rohöl aus Russland stammt.

Modi mit Putin.ARD
Indiens Premierminister Modi kann es auch mit Präsident Putin.

Indiens Aussenminister Subrahmanyam Jaishankar erklärte im Parlament zu den russischen Erdöl-Importen: «Es ist vernünftig, beim Einkauf das beste Geschäft für die indische Bevölkerung zu machen.»

Nicht nur Indien würde russisches Öl «weisswaschen», erklärte das finnische «Center for Research on Energy and Clean Air» (CREA) in einem im April veröffentlichten Bericht. Neben Indien und China würden namentlich auch die Türkei, die VAE und Singapur Rohöl aus Russland kaufen, raffinieren und die raffinierten Produkte dann in Drittländer exportieren. 


Die Gesamtheit der russischen Exporte fossiler Energieträger (einschliesslich via Pipelines) ging stark zurück:

Russland Fossile Exporte
Gesamtexporte fossiler Energien von Russland (einschliesslich Pipelines). Gestrichelte Linie links = Beginn des Krieges.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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2 Meinungen

  • am 28.06.2023 um 11:09 Uhr
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    Bestes Beispiel für die gegenteiligen Effekte der kurzsichtigen westlichen Sanktionen. Andere Regionen werden wirtschaftlich gestärkt, produzieren billiger mit billiger Energie und sind mehr als willig in die Bresche zu springen. Wenn Politiker ihre eigene Propaganda glauben, kommt eben so etwas dabei heraus. Ich erinnere an das sehr erfolgreiche Gas-gegen-Röhren-Geschäft der BRD in den 70igern und an die ersten Gasverträge Österreichs Ende der 60iger mit der UdSSR: mitten im Kalten Krieg, als Gegensätze und Feindbilder noch viel stärker waren, hatte man keine Berührungsängste, ja man war sogar bereit, Milliardenbürgschaften für die notwendigen Investitionen zu übernehmen. Die Folge war das Druschba-Netz und die Urengoy-Pipeline, die jahrzehntelang Europa mit billigem Gas versorgten und zum Erfolg der westlichen Wirtschaft beitrugen. Jetzt freuen sich Chinesen und Inder während der Westen sich kollektiv verzockt hat und am Tropf von US-Amerikanern und arabischen Potentaten hängt.

  • am 29.06.2023 um 17:28 Uhr
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    Es ging seeehr lange, bis Infosperber da ebenfalls feststellte, dass wegen den europäischen Sanktionen, Russland sein billiges Öl nach China in Indien verkauft, aber nicht in Dollar sondern in Yuan.

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