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Bundeskanzlerin Merkel liest ab, was die Banken schrieben © ss

Merkel las ab, was die Bankenlobby vorschrieb

upg /  Für die Euro-Rettung bringen Banken angeblich ein Opfer. Sie verzichten aber höchstens auf Geld, das sie längst nicht mehr haben.

Im Einklang mit dem Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, verkündeten die Staatschef der EU nach dem letzten Euro-Gipfel, die privaten Banken und Versicherungen würden jetzt erstmals selber Opfer bringen und auf ihren griechischen Guthaben 21 Prozent Verluste übernehmen. Die Tagesschau des Schweizer Fernsehens hatte es als «bemerkenswerten Schritt» bezeichnet, dass sich die Banken und Versicherungen «an der Bewältigung der Krise beteiligen».
«Der Verlust der Banken liegt bei null
Das ist eine Verschleierung und krasse Irreführung der Öffentlichkeit und der Steuerzahler, auf deren Buckel die Risiken der Banken einmal mehr abgewälzt werden. Von «bemerkenswertem Schritt» kann keine Rede sein. Denn in Tat und Wahrheit liege «der Verlust der Banken bei null», rechnete der deutsche Wirtschaftsprofessor Peter Bofinger in der ARD-Sendung Plusminus vor. Bofinger gehört zu den «Wirtschaftsweisen» des Sachverständigenrats der Bundesregierung.
Damit bestätigt sich, was Infosperber bereits am 24. Juli berichtete: Die Banken, die sich in Griechenland gegen hohe Zinsen verspekuliert haben, werden statt mit Verlusten abgestraft mit staatlichen Garantien belohnt und mit Staatsgeldern vor Verlusten bewahrt.
Merkel plappert nach, was Banken vorgaben
Die 21 Prozent Verlust seien eine «rein theoretische Berechnung», erklärte Wirtschaftsprofessor Peter Bofinger. Banken und Versicherungen würden nämlich auf keinen Euro ihrer Obligationen-Guthaben verzichten. Sie gewähren Griechenland lediglich eine um bis zu dreissig Jahren längere Frist, bis das investierte Kapital zurückbezahlt werden muss. Während dieser Zeit können die Banken weiterhin gute Zinsen kassieren.
Josef Ackermann, der als Präsident des «Institute for International Financing» IIF, der wichtigsten Vereinigung des Finanzkapitals, mit den EU-Regierungschefs stets am gleichen Tisch sass, jammerte taktisch geschickt vor, dass die Banken mit dieser Laufzeitverlängerung ein «grosses Opfer» bringen, weil sie mit den in Griechenland blockierten Milliarden während dieser Zeit anderswo viel höhere Gewinne erzielen könnten.
Das ist eine gewagte Hypthese. «Die 21 Prozent Verlust sind das Resultat finanzmathematischer Berechnungen», erläuterte Professor Bofinger.
Diese Finanzakrobatik hat offensichtlich sogar die studierte Physikerin Bundeskanzlerin Merkel und erst recht die übrigen Regierungschefs überfordert. Jedenfalls war augenfällig, dass Merkel an der Pressekonferenz diese finanzmathematische Berechnung wie folgt holprig von einem Blatt ablas (siehe Bildausschnitt oben): «Da sind verschiedene Dinge drin: Ein Bond Exchange in 30-jährige Instrumente, ein roll-over, ein discount-bond-exchange, in 30 Jahren Laufzeit…»
Was Merkel ablas, steht praktisch wortwörtlich in der Vorlage der internationalen Bankenvereinigung IIF. Die Rechercheure der Wirtschaftssendung Plusminus konnten die Unterlagen des IIF sichten und kommen zum Schluss, dass die Regierungen beschlossen haben, was die Banken vorschlugen. Und das würden die Banken jetzt als «grosses Opfer» verkaufen.
Berechnung aufgrund falsche Ausgangsdaten
Josef Ackermann ging bei seinen Berechnungen davon aus, dass Banken und Versicherungen griechische Wertpapiere im Wert von 150 Milliarden halten (obwohl es unterdessen einiges weniger sein dürften). Wegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit Griechenlands sind diese Wertschriften am Markt jedoch längst nicht mehr 150 Milliarden wert, sondern nur noch etwa 80 Milliarden. Also wäre auch der Gewinn viel niedriger, auf den die Banken dank attraktiverer Investitionsmöglichkeiten angeblich verzichten. «Die Banken verzichten auf Geld, das sie gar nicht mehr haben», sagt Professor Bofinger.
Dickes Geschenk für die Banken
Sie erhalten im Gegenteil ein dickes Geschenk, weil sie am Schluss der verlängerten Laufzeiten das ganze Kapital ohne Abschreiber zurück erhalten. Und dies sogar unabhängig davon, ob Griechenland in den nächsten Jahren doch noch pleite geht. Sollte es nämlich in Griechenland trotz des neuen «Hilfspakets» zu einer grossen Umschuldung mit noch grösseren Abschreibern kommen, dann würde die «Europäische Finanzstabilitätsfazilität» EFSF, im Klartext die Steuerzahler der EU-Länder, alle weiteren Verluste der Banken und Versicherungen übernehmen. Darin besteht der von den Banken vorgeschlagene und am letzten EU-Gipfel abgesegnete Deal.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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