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Präsident Bingu wa Mutharika vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Jahr 2008 © Forum

Präsident Mutharika: «Protestierende räuchere ich»

/  Militär und Polizei gehen mit brutaler Gewalt vor. Doch die Dauerproteste in Malawi finden in unseren Medien kein Echo.

Das zentralafrikanische Land Malawi «soll ein keusches Land bleiben», sagt der Präsident und Sohn eines katholischen Primarlehrers. Frauen dürfen deshalb keine Hosen tragen. Homosexualität wird bis zu vierzehn Jahren Gefängnis bestraft. Und sogar öffentlich furzen darf man nicht mehr straflos. Diese Vorschriften laufen unter dem Motto «Wir können die Natur kontrollieren.»
Die ökologische Zerstörung ist unbeschreiblich
Doch von Respekt vor der Natur kann keine Rede sein. Wegen der breitflächigen Abholzung an den Abhängen zur Gewinnung von Holzkohle ist die ökologische Zerstörung unbeschreiblich. Der lebenswichtige Humus wird in den 600 Kilometer langen Malawi-See abgeschwemmt. Die Ufer sind bereits bis zu zwei Meter zurückgegangen, wie der WWF bereits 2000 feststellte.
Hässliche Transitroute
Nicht nur der Humus schwimmt davon. Auch alles andere Wertvolle durchquert Malawi nur im Transit. Die meist befahrene Lastwagenroute im südlichen Afrika beginnt in Dar es Salaam in Tansania und führt bis nach Kapstadt in Südafrika.
Die Route durchquert Malawi, das die Form eines Schlauchs hat, von Nord nach Süd auf einer Länge 850 Kilometern. Die Truck-Road, auch «Run of the Devil» genannt, besteht heute in Malawi fast nur noch aus Löchern und Staub, umsäumt von Bordellen und Bars (Shebens). Das Aids-Virus fährt mit, wenn Güter durch Malawi transportiert werden.
Bis in die 90er Jahre ein Satellit Südafrikas
Früher hiess Malawi Nyasaland und gehörte einst zusammen mit Nord- und Südrhodesien (Sambia und Simbabwe) zur britischen Kolonie «Zentralafrikanische Föderation». Das Land war immer arm; die Männer gingen in die Minen von Südafrika, schufteten ein Leben lang und kamen mit nichts zurück. Malawi war bis in die 1990er Jahre ein Satellit Südafrikas. Von hier kamen die allerbilligsten Arbeiter, die in Südafrika praktisch nur Kost und engste, dreckige Unterkünfte bekamen. Etwas Lohn gab es erst, wenn die Zeit abgelaufen war und sie mit kaputten Lungen und alkoholsüchtig heimkehrten.
Oppositionelle Krokodilen zum Frass «geopfert»
Geblieben aus dieser Zeit, sozusagen als Erinnerung, ist die Sprache der Malawier, Chichewa. Sie ist im südlichen Afrika, in Sambia, Simbabwe oder Botswana als Umgangssprache verbreitet anzutreffen.
Historisch haben das Land zwei Exzentriker geprägt: Der eine, zeitlich aber spätere, ist Hastings Banda. Der Arzt, Magier und erste Präsident nach der Unabhängigkeit 1964, war ein sonderbarer Diktator, der zusammen mit Krokodilen im eigens gebauten Teich vor dem Palais regierte und wöchentlich diesen Krokodilen Oppositionelle und Verbrecher «als Opfer» zum Frass vorwarf. Vor der Unabhängigkeit war er praktizierender Arzt in Bulawayo (Zimbabwe), von wo er – wie er stets behauptete – als Maus nach Malawi übersiedelte, um das koloniale System zu zernagen.
Livingstone sorgte für Handel
Der zweite Exzentriker lebte vor Banda und war David Livingstone (1813 – 1873). Er bezeichnete sich selber als Missionar, war aber eigentlich ein Abenteurer im typischen Verständnis des 19. Jahrhunderts. Dieser hatte sich als Missionar und Abenteurer auf die Suche nach den Quellen des Nils aufgemacht. Der sonderbare Mensch «entdeckte» dauernd Flüsse, Flussquellen, Flussläufe mit ein paar Seen dazu. Er baute eine grosse schottische Missionsstation, die er zugleich zum Handelszentrum ausbaute.
Die Missionare mussten «Heiden» bekehren und sie zu Baumwollarbeitern erziehen. Damit sie Geld verdienen konnten, mussten sie Christen werden. Livingstone gab dem kolonialen Protektorat, das er selbst geschaffen hat, das Motto «Christianity and Commerce».
Heute bräuchte es einen neuen Livingstone.
Vom Handel ist nur der Transit übrig
Denn unterdessen ist das Christentum in 500 neue Pfingstler-, Auferstehungs- und Heilungskirchen zerfallen und vom Commerce und der wirtschaftlichen Entwicklung ist bloss noch der erwähnte Transit geblieben.
Malawi ist ein im Westen vergessenes Land. Nur wenige Stars wecken Aufmerksamkeit: Roger Federer entnahm jüngst seiner Stiftung drei Millionen und wollte in sechs Bezirken Grundschulen bauen. Denn seit der Unabhängigkeit gehen immer weniger Buben und Mädchen zur Schule. Ein Teil des Geldes versickerte.
Madonna hat sich hier zwei Kinder geholt, David und Sarah; als diese Geste Kritik auslöste, spendete die Queen of Pop 15 Millionen für Mädchenschulen. Doch das Geld verschwand – in einem anderen Transit.
Präsident kümmert sich um Ortsnamen und Nationalflagge
Die jetzige Regierung unter Präsident Bingu wa Mutharika, der sich 2004 dank manipulierten Wahlen an die Macht hievte, kapriziert sich in oberflächlicher Erneuerung: Städte und Ortschaften erhielten neue Namen. Selbst die Flagge weht erneuert im Wind: Vorher war es die aufgehende Sonne. Dann sagte der Präsident: «Inzwischen ist die Sonne längst aufgegangen; wir befinden uns im Zenith» und schon entstand eine Fahne mit einer Sonne weiter vorgerückt.
Erschossene werden in Massengräber geschmissen
Seit einem Monat regt sich grösserer Unmut unter der Bevölkerung. Es gibt Dauerproteste. Die Polizei ist angewiesen, Protestierende zu erschiessen. Der Präsident sagte zynisch: «Wenn ihr auf die Strasse geht, räuchere ich euch aus.» Die beim Protest Erschossenen erhalten kein Begräbnis; sie werden ohne Zeremonien in Massengräber geschmissen. In westlichen Medien liest man kaum etwas darüber. Politische Gefangene in China stossen auf mehr Aufmerksamkeit und Empörung.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Langjähriger Afrikakenner und Vermittler afrikanischer Kultur und Literatur.

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