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Schweizer Sanktionen sollen Präsident Nicolas Maduro zur Respektierung des Rechtsstaats zwingen © cc

Die Sanktionspolitik der Schweiz hat eine Schlagseite

Urs P. Gasche /  Gegen Venezuela hat der Bundesrat die Sanktionen verschärft, weil das Regime Maduro die demokratischen Rechte verletzt.

Am 11. Juli verbreiteten NZZ, Tages-Anzeiger und andere Medien die SDA-Nachricht, dass der Bundesrat die Reise- und Finanzsanktionen gegenüber Venezuela ausgeweitet habe. Es handelt sich um einen autonomen Nachvollzug der Sanktionen, welche die EU als Reaktion auf die Wahlen vom 20. März 2018 ergriffen hatte. «Die Wahlen in Venezuela seien weder frei noch ausgewogen noch fair verlaufen» zitierten die Zeitungen den Bundesrat.

Keine Sanktionen gegen Pakistan, Ägypten, Saudiarabien, China

Doch Menschenrechte und Gewaltentrennung werden in manch andern Ländern mindestens ebenso stark missachtet. Freie und faire Wahlen gibt es beispielsweise weder in Pakistan, noch in Ägypten, Saudiarabien, China oder Kambodscha. Warum wendet die neutrale Schweiz nicht überall den gleichen Massstab an? Und Menschenrechte werden dort ebenfalls verletzt.
Die Antwort von Seco-Sprecher Fabien Maienfisch:
«Der Erlass von unilateralen Schweizer Sanktionsmassnahmen ist nicht möglich.»

Für die Schweiz sei es «seit jeher ein Anliegen, dass von der EU erlassene Sanktionen nicht über die Schweiz umgangen werden können», ergänzte das zuständige Seco. Die EU und jetzt auch die Schweiz hätten die Sanktionen gegen Venezuela «aufgrund der Verletzung von Menschenrechten und der Untergrabung der Rechtsstaatlichkeit und demokratischer Institutionen» erlassen. Und weiter: «Die Einschätzung der Schweiz, wonach die Wahlen weder frei noch fair waren und ein grosses Defizit an Legitimität aufwiesen, deckt sich mit derjenigen der EU, womit eine Übernahme der Listings angezeigt ist.»

Tatsächlich erlaubt das vom Parlament beschlossene Embargogesetz lediglich, dass sich die Schweiz Sanktionen der Uno oder der wichtigsten Handelspartner anschliessen kann. Eigenständige Sanktionen der Schweiz gegen Länder, gegen die weder der Uno-Sicherheitsrat noch die EU Sanktionen verhängt haben, wie etwa Pakistan, Ägypten, Saudiarabien, China oder Kambodscha, wären höchstens möglich, wenn «die Wahrung der Interessen des Landes es erfordert» (Bundesverfassung Art. 184).

Willkürliche Sanktionen nicht übernehmen, aber Beziehungen auf bestehendem Niveau einfrieren

Nun wären Sanktionen, welche die Schweiz allein oder fast allein beschliesst, meistens nicht sehr wirkungsvoll. Warum aber genügt es nicht, bestehende Wirtschaftsbeziehungen mit Venezuela – wie in andern Fällen schon oft gehandhabt – lediglich auf bestehendem Niveau einzufrieren? Dann wäre der Vorwurf vom Tisch, Schweizer Unternehmen könnten von Sanktionen der EU oder des Uno-Sicherheitsrats profitieren. Ein solches Einfrieren hätte es der Schweiz erlaubt, die willkürliche Sanktionspolitik der EU nicht mitzumachen.
Man kann sich natürlich fragen, weshalb Schweizer Unternehmen nicht davon profitieren sollen, wenn die EU oder der Uno-Sicherheitsrat Sanktionen verhängt, die aus Schweizer Sicht einseitig und willkürlich sind. Denn umgekehrt werden Schweizer Unternehmen weitgehend gezwungen, beispielsweise die Sanktionen der USA gegen den Iran – zu ihrem Nachteil – mitzumachen, obwohl sich die Schweiz an den Sanktionen nicht beteiligt.

Unglaubwürdig
Ein Schweizer Embargogesetz, das sich nach den Prinzipien der Neutralität und der Gleichbehandlung ausrichtet, wollte die bürgerliche Mehrheit im Parlament ausdrücklich nicht. Und jetzt scheint sich niemand daran zu stören, dass der Bundesrat die Finanz- und Wirtschaftsbeziehungen mit Venezuela wenigstens nicht bloss auf das bisherige Niveau beschränkt, sondern sich den einseitigen EU-Sanktionen anschliesst.
Glaubwürdig ist eine solche Schweizer Sanktionspolitik, die bei verschiedenen Ländern unterschiedliche Kriterien anwendet, jedenfalls nicht. Der Bundesrat setzt die Rolle der Schweiz als neutrale Vermittlerin in internationalen Konflikten aufs Spiel.
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Siehe Nachtrag vom 18. Juli 2018: «EU-Kommission verweigert Antworten auf Fragen von Infosperber»

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Zur Liste der Länder, gegen welche die Schweiz zur Zeit wirtschaftliche Sanktionen verhängt hat.

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Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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2 Meinungen

  • am 17.07.2018 um 14:58 Uhr
    Permalink

    Die offensichtlichste Sanktion sollte Israel treffen, weil dieser Staat zu «unserem System», der europäisch-amerikanischen Welt, gehört. Vertrieben und entrechtet wird mit unserer ideologischer Rückendeckung. Die übrigen aufgezählten Länder verstoßen auch ohne uns gegen die Menschenrechte. Solange wir nicht selbstkritisch auf unser eigenes System schauen, messen wir mit zweierlei Mass.

  • am 18.07.2018 um 21:32 Uhr
    Permalink

    Sanktionen gegen Venezuela, aber Munitions- und Waffenexporte nach Saudiarabien und die VAE und Katar, wo bleibt da die vielgepriesene Neutralität der Schweiz? Es wird hier eindeutig mit 2 Ellen gemessen, massgebend ist offenbar das wirtschaftliche Interesse. Mit Neutralität hat das aber gar rein nichts zu tun. Und BR Schneider-Ammann ist sich nicht zu schade, in Riad Hände zu schütteln mit dem König der islamistischen Kopfabschneide-Diktatur Saudiarabien.

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