Patientin im Spital

Gute Betreuung im Spital kann Stürze von Patientinnen und Patienten verhindern. © jovannig / Depositphotos

Investoren übernehmen Spitäler: Mehr Komplikationen

Martina Frei /  Wenn Investoren Gesundheitseinrichtungen kaufen, werden die Rechnungen oft teurer. Und die Patientenzufriedenheit sinkt.

Es gibt Dinge, die möchten Patienten im Spital nie erleben: Zum Beispiel, dass Chirurgen bei der Operation ein Instrument im Bauch zurücklassen, dass es nach einem Eingriff zur Wundinfektion kommt, dass sie wundliegen, dass sie stürzen, dass ihr Blutzucker gefährlich entgleist … All diese Vorkommnisse werfen ein schlechtes Licht auf die Behandlungsqualität im Spital.

US-Gesundheitswissenschaftler haben nun untersucht, ob sich solche Vorkommnisse häuften, nachdem ein Spital von privaten Investoren gekauft wurde. Dazu verglichen sie die Entwicklung in 51 privatisierten Spitälern und in 259 Vergleichsspitälern, die nicht zum Ziel von Investoren wurden. 

Pflegeheime, Spitäler und Arztpraxen auf Effizienz trimmen

Im Gesundheitsmarkt sind solche Investitionen gegenwärtig en vogue. Sie hätten in den letzten Jahren Rekordhöhen erreicht, berichtete das «British Medical Journal» (BMJ). Ihm zufolge gaben private Investoren seit 2021 über 200 Milliarden US-Dollar aus, um Gesundheitseinrichtungen weltweit zu kaufen. Diese werden dann auf mehr Effizienz und Sparen getrimmt. Es kommt zu Kürzungen beim Personal oder es werden weniger qualifizierte Personen mit tieferen Löhnen angestellt. Auch das Aushandeln von günstigeren Einkaufsbedingungen gehöre dazu, das Überweisen von Patienten an angegliederte Labore oder Fachärzte sowie Druck auf die Angestellten, beispielsweise in der Dermatologie den Patienten und Patientinnen Anti-Ageing-Produkte oder Aknecremen anzudrehen. Befeuert wurden die Investments und Übernahmen – mindestens in den USA – während der Corona-Pandemie.

Erwartet werde laut einem Artikel in der US-Ärztezeitung «Jama» von 2019 eine Rendite von 20 bis 30 Prozent. Private Investitionen in Gesundheitseinrichtungen seien attraktiv, weil sie als «Rezessions-resistent» gelten würden und die zunehmende Anzahl alter Menschen und chronisch Kranker einen wachsenden Bedarf verspreche. 

Nach drei bis sieben Jahren soll das Investment Früchte tragen. Laut den Ärztezeitungen werden die Spitäler, Pflegeheime oder Arztpraxen dann mit sattem Gewinn dem nächsten Investor weiterverkauft. Eine Methode sei auch, die Liegenschaft zu verkaufen und dem Spital teure Langzeitmieten abzuverlangen. 

Vorher-Nachher-Vergleich zeigt Anstieg von Komplikationen

Die Studienautoren und -autorinnen griffen zwölf Vorkommnisse wie die oben genannten heraus, weil sie als Massstab für die Behandlungsqualität gelten. Anhand der Abrechnungscodes auf den Spitalrechnungen analysierten sie, wie oft diese Diagnosen vor der Privatisierung und nachher genannt wurden. Als Vergleichszeitraum dienten maximal drei Jahre vorher und drei Jahre nach der Übernahme.

Bei insgesamt über 4,8 Millionen Hospitalisierungen kam es rund 10’000-mal zu solchen unerwünschten – und vermeidbaren – Vorkommnissen.  

Pro 10’000 Hospitalisationen nahm ihre Anzahl um durchschnittlich 4,6 Vorkommnisse zu, nachdem die Investoren ein Spital übernommen hatten. Dies sei eine «besonders besorgniserregende» Steigerung von rund 25 Prozent im Vergleich zur Zeit vor der Übernahme durch den Investor, schreiben Joseph Dov Bruch von der Universität Chicago und seine KollegInnen in der US-Ärztezeitung «Jama». Denn diese Zunahme lief dem Trend sowohl in den Vergleichsspitälern als auch dem nationalen Trend zuwider. Andernorts nahmen diese Fehler und Pannen insgesamt ab. Die Zunahme in den Spitälern, welche Investoren übernommen hatten, war auch nicht damit zu erklären, dass die Patienten dort länger lagen – sie wurden eher rascher entlassen als in den Vergleichsspitälern.

Stürze von Patienten, aber auch mehr Infektionen von zentralen Venenkathetern trieben die unerfreuliche Statistik hoch. Die Wundinfektionen bei ausgewählten Operationen nahmen in den aufgekauften Spitälern ebenfalls zu, obwohl die Anzahl dieser Operationen abnahm. Von den privatisierten Spitälern wurden überdies öfter Patienten in andere Spitäler verlegt, insbesondere solche mit schweren Blutvergiftungen (Sepsis). Ein Problem bei der Auswertung war jedoch, dass unberücksichtigte Faktoren die Ergebnisse möglicherweise beeinflussten.

Weitere Hinweise für Qualitätsverlust

Die Übernahmen würden den Patienten schaden, warnte indes einige Monate zuvor schon die britische Ärztezeitung «BMJ»: «Die überwiegende Anzahl der Beweise deutet darauf hin, dass die Qualität und die Behandlungsergebnisse nach einer Übernahme abnehmen.»

Joseph Dov Bruch hatte im «BMJ» gemeinsam mit Kollegen ebenfalls eine Studie veröffentlicht. Sie fassten dort 55 Studien von 2000 bis 2023 zusammen, welche die Folgen von Übernahmen durch private Investoren untersuchten. 17 davon betrafen Pflegeheime, 9 betrafen Spitäler, der Rest finanziell attraktive fachärztliche Zentren wie Dermatologie, Augenheilkunde, Urologie und weitere. 47 Studien stammten aus den USA, 7 aus Europa, und eine verglich mehrere Länder. 

Zwölf der 55 Studien untersuchten die Kosten für Patienten oder Versicherer: Keine davon zeigte, dass diese nach der Übernahme durch den Investor sanken, aber neun Studien stellten höhere Rechnungen fest. 

27 der 55 Studien untersuchten die Behandlungsqualität. 21 davon fanden mindestens eine schädliche Auswirkung und 12 irgendeine positive Folge. Die Patientenzufriedenheit sank fast durchgehend.


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Eine Meinung zu

  • am 8.03.2024 um 15:44 Uhr
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    Wer sind denn diese Investoren (aka Heuschrecken)? Zum grössten Teil die Superreichen, die reichsten 10 Prozent, welche immer Reicher werden.
    Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich weite Teile der Bevölkerung für diese reichsten 10 % aufopfern, sich für deren Gewinnmaximierung, für eine Umverteilung von unten nach oben einsetzen, (Trickle-Up / Streaming-Up economics).
    Ich frage mich immer wieder, ob es denn nicht einfacher wäre, die MWSt zu erhöhen und mit dem Gewinn diese Investoren (aka Heuschrecken) zu subventionieren.

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