Sterilisation

Die Sterilisation von Frauen ist unwiderruflich, aber ein Recht ab 18 Jahren. © Depositphotos

Immer noch: Ärzte bevormunden junge Frauen ohne Kinderwunsch

Barbara Marti /  «Ich darf zehn Kinder in die Welt setzen. Aber wenn ich keine möchte, brauche ich ein psychiatrisches Gutachten», sagt 22-Jährige.

Nach Infosperber informierte auch die «NZZ», wie junge Frauen schikaniert werden, wenn sie sich sterilisieren lassen wollen. Nik Hauser, Inhaber des Frauenzentrums Aargau meinte: «Eine Frau kann früh schwanger werden und viele Kinder haben. Aber wenn eine Frau keine Kinder haben möchte, stösst sie an Grenzen.»

Sterilisation ist die sicherste Verhütungsmethode. Bei Frauen werden dafür beide Eileiter abgetrennt, so dass Eizellen nicht mehr in die Gebärmutter kommen. Eine Sterilisation ist grundsätzlich unwiderruflich. 

Die «NZZ» griff den Fall der 28-jährigen Österreicherin Julia Brandner auf, die lange vergeblich einen Arzt oder eine Ärztin suchte, welcher bei ihr den 15- bis 30-minütigen Eingriff vornimmt. Brandner räumte ein, dass «die Endgültigkeit des Eingriffs das grösste Problem» sei. Bei Frauen, die sich im Alter von unter 30 Jahren haben sterilisieren lassen, würde jede Fünfte den Eingriff später bereuen. Allerdings sei auch der Entscheid, Kinder zu zeugen, ein unwiderruflicher Entscheid. Laut «NZZ» würde auch jede fünfte Mutter und jeder fünfte Vater später sagen, sie hätten besser keine Kinder gezeugt.

«Nach dem sechsten Arzt habe ich resigniert»

Infosperber hatte am 23. Mai über zwei junge Schweizerinnen berichtet, die von Ärzten bevormundet wurden, weil sie sich sterilisieren lassen wollten. Die Gesetzeslage ist klar: Wer sich unterbinden lassen will, muss in der Schweiz und in Deutschland mindestens 18 Jahre alt, urteilsfähig und umfassend informiert sein. Die Person muss dem Eingriff frei und schriftlich zustimmen. Trotzdem verweigern Ärztinnen und Ärzte jungen Frauen ohne Kinderwunsch eine Sterilisation oft jahrelang. Sie trauen diesen zwar zu, sich selbstbestimmt für ein Kind zu entscheiden. Aber beim Entscheid gegen Kinder misstrauen sie ihnen. 

Als erste Zeitung berichtete «Blick» über den Fall einer 29-jährigen Schweizerin, die sich sterilisieren lassen wollte. Sie liess sich von einer Psychotherapeutin begutachten. Trotzdem verweigerten sechs Gynäkologinnen und Gynäkologen in verschiedenen Praxen in der Stadt Basel den Eingriff. «Nach dem sechsten Arzt habe ich resigniert», sagte sie. 
Auch Alma Lukic weiss seit Jahren, dass sie nie Mutter werden will. Die 19-Jährige sagte dem «Blick», dass sie sich von Ärztinnen und Ärzten bevormundet fühlte. Statt Hilfe habe sie von ihrem Gynäkologen über Jahre nur Rezepte für verschiedene Antibabypillen und Schmerzmittel gegen ihre schweren Menstruationsbeschwerden bekommen. 

Bevormundung vermeiden
Jean Dubuisson, Leiter der Abteilung für Gynäkologische Chirurgie am Universitätsspital Genf, erklärt, dass der Leidensdruck von Frauen ohne Kinderwunsch gross sein könne: «Viele haben einen schwierigen Weg mit vielen Abweisungen hinter sich, bis sie bei uns in der Sprechstunde sind.» Ärztinnen und Ärzte möchten junge Frauen meist erst unterbinden, wenn sie schon Kinder geboren haben. Doch persönliche Ansichten von Ärztinnen und Ärzten dürften die Behandlung von Frauen ohne Kinderwunsch nicht beeinflussen.
Weil in der Schweiz eine Richtlinie fehlt, entscheidet Dubuisson aufgrund der Empfehlungen des Ethikausschusses des «American College of Obstetricians and Gynecologists». Danach ist es ethisch vertretbar, junge Frauen, die noch kein Kind haben, zu unterbinden. Dubuisson: «Obwohl Ärzte verständlicherweise vermeiden wollen, dass Frauen eine Sterilisation bereuen, sollten sie auch eine Bevormundung vermeiden.» 

In Deutschland informiert der Verein «Selbstbestimmt steril» über Ärztinnen und Ärzte, die Sterilisationen an jungen Frauen vornehmen und mit der Veröffentlichung ihrer Adresse einverstanden sind. 

Kinderlosigkeit gilt als Makel
Die Gesellschaft nimmt es Frauen nach wie vor übel, wenn sie freiwillig kinderlos bleiben. Dies zeigen die Reaktionen auf einen Gastbeitrag für die Satiresendung «Daily Show» der kinderlosen US-Komikerin Chelsea Handler. Darin machte sie sich Anfang dieses Jahres lustig über die Vorurteile gegenüber kinderlosen Frauen. Sie hasse Kinder nicht, sie wolle einfach keine, sagte Handler. Ihr Beitrag ging viral und sorgte für heftige Kritik. Handler antwortete ihren Kritikern mit einem neuen Video. «Warum brauche ich überhaupt eigene Kinder, wenn ich die ganze Zeit diese Schreibabys hören muss?» 


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Die Autorin ist Redaktorin und Herausgeberin der Online-Zeitschrift «FrauenSicht».
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Logo_Frau_Mann_Familie

Frau, Mann, Familie

Müssen sich Ideale der Realität anpassen? Muss sich die Politik an der Realität ausrichten oder umgekehrt?

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

3 Meinungen

  • am 1.10.2023 um 21:03 Uhr
    Permalink

    Als ich mich im Alter von 42 Jahren nach einer Curettage unterbinden lassen wollte, redete die behandelnde Ärztin so lange auf mich ein, bis ich mir eine Spirale, angepriesen als neueste Generation und ohne Nebenwirkungen, einsetzen liess.
    Nach zwei Wochen litt ich unter so schlimmen Depressionen, dass ich morgens nicht mehr aus dem Bett kam und von Selbstmordgedanken geplagt war, was mit zwei Kleinkindern nicht eben zielführend ist.
    Der Frauenarzt diagnostizierte eine «kleine Hausfrauendepression» und wollte mir Antidepressiva verschreiben, obwohl ich ihn auf die Spirale hingewiesen hatte und dass ich vermute, das dies der Übeltäter sei.
    Im nächsten Etablissement wurde mir diese dann entfernt, was meine Probleme schnell und nachhaltig lösen konnte.
    Unfassbar, wie man teilweise als Frau von Medizinern gegängelt wird. Da hilft nur, hartnäckig zu bleiben und den Arzt zu wechseln, falls nötig.

  • am 2.10.2023 um 04:45 Uhr
    Permalink

    Ärzte verweigern nicht nur Frauen, sondern auch Männern eine Sterilisation.
    Mein Kindsvater war nach der Geburt unserer beiden Kinder 27 Jahre alt. Wir hatten abgemacht, dass er sich unterbinden lässt – weil es für Männer der viel kleinere Eingriff ist. Der vom Kindsvater aufgesuchte Urologe verweigerte diesen Eingriff, weil der Patient noch viel zu jung sei.

  • am 2.10.2023 um 13:12 Uhr
    Permalink

    Ich stelle mir vor, ich sei Gynäkologe mit dem Wissen, dass jede fünfte Frau den Eingriff später bereut, und eine junge Frau von eben erst 19 kommt zu mir. Die Gefahr, dass sie es später bereut, ist gegeben. Anzunehmen ist auch, dass das dann in irgend einer Form auf mich/mein Handeln zurückfällt. Wie würde ich entscheiden? Ist es nicht mein Recht, abzulehnen, wo ich nicht dahinter stehen kann? Ich muss ja nicht dagegen sein, aber ich muss auch nicht jeden Auftrag annehmen. Ich kann unbegründet ablehnen, auch wenn ich es als freie Entscheidung der Frau respektiere – aber genauso muss auch meine Entscheidung respektiert werden. Gerade in der heutigen Zeit.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...