Aufklärung in Äthiopien.ipas

Aufklärung in Äthiopien. Viele dortige Gesundheitszentren klären nicht auf, weil sie sonst Hilfsgelder der USA verlieren. © ipas

USA torpedieren das Recht auf Abtreibung in Afrika und Indien

Pascal Derungs /  Millionen Mädchen und Frauen erleiden Schäden bei wilden Aborten, weil US-finanzierte Kliniken keine Abtreibungen vornehmen dürfen.

Abtreibungen sind in Ländern wie Äthiopien, Ruanda oder Indien gesetzlich erlaubt. Doch viele dortige Gesundheitsinstitutionen werden von der US-Regierung finanziell unterstützt. Sie würden diese Unterstützung verlieren, sobald sie Abtreibungen durchführen. Denn ein US-Gesetz, das sogenannte Helms Amendment, verbietet es US-Regierungsbehörden, irgendwelche Institutionen oder Organisationen zu unterstützen, wenn diese Abtreibungen vornehmen oder unterstützen. «Dieses Gesetz führt zu einer internationalen Einmischung der USA und muss aufgehoben werden», fordert Anu Kumar in der New York Times. Kumar ist Präsidentin und CEO der NGO Ipas, welche sich auf der ganzen Welt für den Zugang zu Verhütungsmitteln und für sichere Abtreibungen einsetzt. Bemühungen, das Gesetz aufzuheben, blieben bisher ohne Erfolg.

Im Folgenden fassen wir die wichtigsten Informationen und Argumente von Anu Kumar zusammen.

Entwicklungshilfe als frauenverachtende Bevormundung

Weltweit gibt es jährlich rund 35 Millionen wilde, unfachmännische Abtreibungen. Ein Teil davon ist auf restriktive Gesetze in manchen Ländern wie Ägypten, Senegal oder den Philippinen zurückzuführen. Doch 19 Millionen dieser gefährlichen Aborte geschehen in Ländern, die Abtreibungen gesetzlich ganz oder unter gewissen Bedingungen eigentlich erlauben, deren Kliniken aber von US-Finanzhilfen abhängen und Abtreibungen deswegen verweigern. In diesen Ländern leiden jährlich fast 12 Millionen Frauen und Mädchen nach wilden Abtreibungen an Komplikationen, die medizinische Nachbehandlung erfordern. Das reicht von Blutungen über Schock bis zu schweren Entzündungen, und in 16’000 Fällen sterben Frauen und Mädchen an den Folgen solcher Eingriffe. Millionen von ihnen könnten diese Risiken erspart werden, wenn das Helms Amendement aufgehoben würde.

Abtreibungsverweigerung führt auch zu gewaltigen Kosten für Nachbehandlungen 

Die unsicheren Aborte haben eine hohe Komplikationsrate, 20 bis zu 50 Prozent der Fälle benötigen medizinische Nachbehandlung. Bei fachmännischen Abtreibungen hingegen liegt der Anteil von Komplikationen nur bei etwa 3 Prozent, auch in ärmeren Entwicklungsländern. Das Helms Amendement könnte weniger streng ausgelegt werden, sodass Abtreibungen nach Vergewaltigung oder wegen Gesundheitsgefährdung erlaubt wären, doch es wurde seit seiner Einführung 1973 strikt gehandhabt, als genereller Bann jeder Art von Abort. So versperrt das radikal konservative Gesetz den Zugang zur Gesundheitspflege für Millionen von Frauen weltweit, obwohl sich die kulturellen und gesetzlichen Standards in den vergangenen 50 Jahren global drastisch verändert haben.  

Benin: Mehr Abtreibungen – weniger gesundheitliche Schäden

Gegen heftigen Widerstand der katholischen Bischöfe verabschiedete das Parlament im afrikanischen Kleinstaat Benin im Oktober 2021 ein Gesetz, das die Abtreibung legalisiert. Etliche Spitäler melden seither mehr Abtreibungen, aber gleichzeitig werden viel weniger Frauen eingeliefert, die bei einer wilden Abtreibung gesundheitlich geschädigt wurden. Das berichtete die New York Times am 14. November 2022 aus Benin.

Mit schierer Finanzmacht verteufeln die USA Abtreibungen

Die USA sind mit der Agentur für internationale Entwicklung USAID der mit Abstand grösste Geldgeber im Bereich der weltweiten Gesundheitsförderung. Allein 2020 schickte sie dafür 592 Millionen Dollar für Familienplanung ins Ausland. Fast 50 Prozent der weltweiten finanziellen Zuwendungen stammen aus dieser Quelle. Dieses Geld hat einen verheerenden Multiplikationseffekt, indem es sich auf viele kleine Bezüger verteilt, die vor allem in ländlichen, abgelegenen Gebieten tätig sind. In Äthiopien beispielsweise stammen 30 Prozent der internationalen Finanzhilfe im Gesundheitswesen aus den USA, doch diese Gelder verteilen sich auf fast die Hälfte aller Gesundheitsinstitutionen im Land. Diese verweigern Abtreibungen, obwohl sie nach äthiopischem Recht weitgehend legal sind.
Es gibt Bemühungen, das Helms Amendement zu ersetzen durch ein US-Gesetz, das Abort weltweit als Mittel der Familienplanung begreift und die finanzielle Unterstützung nach Massgabe des Rechts der Empfängerländer erlaubt. Doch vor allem die Republikaner blockieren die Beratungen darüber im US-Kongress seit Jahren.

Gesetze und Abtreibungsstatistiken in Ländern Afrikas und Asiens

Anu Kumar hat die Entwicklung der Abtreibungsgesetze von 1973 bis heute grafisch dargestellt. Ebenso die Häufigkeit von riskanten wilden Abtreibungen. Lesen Sie hier ihren Artikel in der New York Times (rechts scrollen, um die neueren Zahlen zu sehen). Die Lektüre kostet 50 US-Cents.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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3 Meinungen

  • am 21.11.2022 um 09:46 Uhr
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    Ein Hauptpunkt für die Einführung eines gesetzlich geregelten Schwangerschaftsabbruchs in vielen westlichen Ländern waren genau die im Artikel beschrieben furchtbaren Folgen illegaler, unfachmännischer Abtreibungen. Egal ob verboten oder erlaubt, Abtreibungen werden durchgeführt. Besser also unter Aufsicht des Staates und in einem festgelegten medizinischen und gesetzlichen Rahmen. Um das zu akzeptieren, muss man kein Abtreibungsbefürworter sein, sondern einfach nur gewissse gesellschaftliche Notwendigkeiten einsehen. Es passt wiederum gut zur us-amerikanischen Bigotterie, weltweit Abtreibungen verhindern zu wollen, aber in genau jenen Ländern, die US-Hilfe nötig haben, Drohnenhinrichtungen mit hunderten unbeteiligten Toten durchzuführen; dagegen gibt es leider keinen «somebodies name»-act.

  • am 21.11.2022 um 14:51 Uhr
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    Danke für diesen spannenden Artikel Herr Derungs! Leider haben immer noch über 230 Mio Paare keinen Zugang zu Verhütungsmitteln. Über 20 Mio Geburten weltweit stammen jedes Jahr von Mädchen unter 18 Jahren. Die Schwangerschaften sind meist ungeplant und ungewollt. In vielen Fällen wäre eine Abtreibung im Sinne einer Fristenlösung wie in der Schweiz eine sinnvolle Sache. Aber eben, religiöse Fundamentalisten aller Couleur, allen voran die evangelikalen Kreise aus den USA torpedieren seit Jahrzehnten das Menschenrecht auf freiwillige Familienplanung. Auch die Pille danach oder Misoprostol, welche Blutungen stillen kann, wird in vielen Fällen nicht abgegeben. Für die betroffenen jungen Frauen bedeutet eine Geburt oft ein Schicksal als alleinerziehende Mutter in Armut, den Ausschluss aus der Gesellschaft und den Abbruch der Schulbildung. Ob dies im Sinne christlicher Nächstenliebe ist, bezweifle ich doch stark!
    Andreas Thommen, Geschäftsführer ECOPOP.

  • am 21.11.2022 um 15:27 Uhr
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    Dass in den USA allgemein und damit auch in deren Hilfswerken Abtreibungsgegner Aufwind haben, ist bekannt. Das ist leider bei den meisten Schweizer Entwicklungshilfsorganisationen gar nicht viel anders; Beispiel: «Caritas».
    Noch alarmierender ist dieser Satz:
    «….viele äthiopische Gesundheitszentren KLÄREN NICHT AUF, weil sie damit … Hilfsgelder verlieren würden….».
    Die «Helfenden» aus den entwickelten Ländern wollen NICHT aufklären, sie wollen KEINE Verhütungsmittel zur Verfügung stellen – sie verweigern den Ärmsten dieser Welt elementarste Mittel, um aus der Armut zu kommen. Sie verdammen die Verzweifelten zu illegalen und gefährlichen Abtreibungen oder zu einem Kind, das sie nicht wollten und kaum ernähren können. Zynischer geht kaum.
    Währenddessen nehmen wir in den Geberländern seit 60 Jahren die Möglichkeiten des Verhütens gerne in Anspruch; bestimmen selbst wann wir Kinder wollen und wieviele. Im Notfall haben wir die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs.

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