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Kann sich auch heute ein Syrien nur ohne Assad vorstellen: US-Botschafterin Nikki Haley © CNN

Wie die USA den Regierungswechsel in Syrien planten

Helmut Scheben /  Die USA versuchen schon seit 12 Jahren, Assad zu stürzen. Das zeigt ein von Wikileads veröffentlichtes Dokument von 2006.

Im Dezember 2006 schickte William Roebuck, US-Botschafter in Damaskus, eine Nachricht an das Aussenministerium in Washington. Diese Depesche war nicht mehr und nicht weniger als eine detaillierte Liste von Vorschlägen zur Destabilisierung Syriens. Aufgezählt wurden die wichtigsten Verwundbarkeiten (vulnerabilities) der Regierung Assad und die entsprechenden Handlungsmöglichkeiten (possible action) der USA, um einen Regierungswechsel zu erreichen.

Ausschnitt aus der geheimen Depesche aus dem Jahr 2006 von William Roebuck, damals US-Botschafter in Syrien. Bild: Scheben.

Das als geheim eingestufte Dokument wurde von Wikileaks – mit einer Flut von weiteren Dokumenten – am 30. August 2011 publik gemacht und von den Medien kaum beachtet. Zu diesem Zeitpunkt war der bewaffnete Aufstand mit Terrorattacken bereits in vollem Gang. Er wurde aber unter dem Einfluss der grossen westlichen Medien in der öffentlichen Meinung als ein Resultat des sogenannten arabischen Frühlings wahrgenommen.

Die Mär vom unbeeinflussten Volksaufstand

Die USA und ihre Verbündeten verbreiteten äusserst wirkungsvoll die Erzählung, das syrische Volk habe sich im Sog des arabischen Frühlings gegen Assad erhoben und habe «zu den Waffen greifen müssen», um sich gegen die Unterdrückung zu wehren. Noch heute liest man unter dem Stichwort Bürgerkrieg in Syrien auf Wikipedia: «Auslöser des Konflikts war ein friedlicher Protest gegen das autoritäre Regime Assads im Zuge des Arabischen Frühlings Anfang 2011.» An dieser Darstellung halten Washington, London, Paris und Berlin bis heute mit Verbissenheit fest, und die westlichen Leitmedien folgen ihnen weitgehend kritiklos, obwohl eine Reihe von Fakten beweisen, dass die USA den Sturz unliebsamer Regierungen im Nahen und Mittleren Osten seit den Anschlägen von 9/11 angeheizt hatten.

Frappierend in der Depesche von Botschafter Roebuck ist die Feststellung, Syrien werde (bereits 2006!) zunehmend von radikalislamischen Gruppen bedrängt und die Regierung der Syrisch Arabischen Republik (SARG) sehe sich gezwungen, gegen Al Kaida vorzugehen: «Extremist elements increasingly use Syria as a base, while SARG has taken some actions against groups stating links to Al-Qaeda.»

Als Syrien aber 2011 die Vereinten Nationen um Hilfe gegen fundamentalistische Terrorgruppen bat, wurde dies im Westen als eine Propagandalüge Assads abgetan. Unsere Medien hielten sich treuen Glaubens an die offizielle US-Version, in Syrien sei 2011 ein «Bürgerkrieg» entstanden, weil Assad sein Volk unterdrücke. 2006 wusste aber Botschafter Roebuck bereits wie die Extremisten in Syrien propagandistisch nutzbar zu machen seien: Man müsse die Sachlage publik machen, um von Syrien «ein Bild des Chaos, der Schwäche und Instabilität zu erzeugen».

USA heizten den Konflikt an

Des weiteren schlägt Roebuck vor, man müsse einen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten anheizen. Die Sunniten fürchteten den wachsenden Einfluss des Iran in Syrien. Roebuck schreibt, er sei sich mit den Botschaften von Saudi Arabien und Ägypten einig, dass man dies propagandistisch thematisieren müsse. Ausserdem müsse man syrische Oppositionelle wie den in Paris lebenden ehemaligen syrischen Vizepräsidenten Khaddam aufbauen. Dieser habe zwar kaum Support in Syrien, wisse aber genug über «schmutzige Wäsche» des Assad-Clans. Er wisse, wo die «hidden Skeletons» (Leichen im Keller) des Regimes seien.
Eine Schlüsselrolle ordnete Roebuck den Kurden zu. Sie seien als ethnische Minderheit das grösste Problem für Assad. Dieser fürchte nichts so sehr wie einen Aufstand der Kurden. Folglich müssten die USA sich zum Sprachrohr der Kurden machen und «Verstösse gegen die Menschenrechte publizieren». Man dürfe es indessen nicht übertreiben, denn die arabische Bevölkerung sei skeptisch gegenüber den Kurden. Dies könne, so Roebuck, «zu einer Belastung werden für unsere Ziel, die Opposition zu vereinen».
Roebuck muss Ende 2006 einräumen, Bashar al-Assad gehe gestärkt in die Präsidentschaftswahlen 2007, und Syrien sei ein stabiles Land. Viele Expats seien zurückgekehrt, um in Syrien zu investieren, es herrsche der Glaube an eine politische Öffnung. Assad habe eine Reihe von Wirtschaftsreformen eingeleitet und glaube wohl, dies sei seine wichtigste Hinterlassenschaft für Syrien. Da müssten die USA nun «Wege finden, um diese Reformen anzuzweifeln» und zu diskreditieren. Man könne zum Beispiel verbreiten, die Reformen nützen nur der Kumpanei unter der herrschenden Elite. Botschafter Roebuck hebt hervor, man müsse vor allem auf Öffentlichkeitsarbeit (public diplomacy) setzen, aber auch auf «more indirect means», um den inneren Zirkel der Assad-Regierung zu destabilisieren.

Was unter den «indirekten Mitteln» zu verstehen ist, lässt sich begreifen, wenn man zum Beispiel die bekannte Dissertation des Journalismus-Forschers Uwe Krüger zur Hand nimmt. Er belegt die personelle Verfilzung von Leitmedien und NATO-nahen Institutionen. Für viele Chefredaktoren westlicher Medien ist das «westliche Bündnis» so viel wie ein religiöser Grundsatz. Was in Washington verlautet, wird kaum ernsthaft in Frage gestellt.

Neben Worten auch Geld und Waffen

Es kann keinen Zweifel geben, dass der Krieg in Syrien lange vor dem Jahr 2011 von den USA geplant wurde. Aber selbstverständlich beruhte die Strategie des Regime Change – wie vorher in Afghanistan, Irak, Libyen – nicht nur auf «public diplomacy and more indirect means», sondern auch auf der massiven Finanzierung und Bewaffnung von aufständischen Milizen. Saudi Arabien und Katar haben dafür Milliarden Dollar aufgewendet, westliche Geheimdienste haben logistisch und militärisch tatkräftig unterstützt.

Botschafter Roebuck schreibt im Dezember 2006 an seine Chefs in Washington: «Wir müssen bereit sein, schnell zu handeln, wenn sich die Gelegenheit ergibt.»
Die Gelegenheit kam mit dem arabischen Frühling. Seitdem haben schätzungweise 500’000 Menschen ihr Leben verloren, mehrere Millionen sind auf der Flucht.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

BasharalAssad

Der Krieg in Syrien

Das Ausland mischt kräftig mit: Russland, Iran, USA, Türkei, Saudi-Arabien. Waffen liefern noch weitere.

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7 Meinungen

  • am 28.08.2018 um 12:40 Uhr
    Permalink

    Danke für diesen guten Artikel.

  • am 28.08.2018 um 12:50 Uhr
    Permalink

    Das ist wieder so ein Beitrag der hart an fake vorbei schrammt. Journalistisch korrekt wäre es gewesen, die Punkte der Depesche aufzuzählen und herauszuarbeiten, ob diese auch wirklich in die US-Politik eingingen. Ein despotisches System zu destabilisieren ist durchaus linke Politik, wenn es die USA gemacht hätte, was ich leider nicht glaube, dann fände ich das gut. aber wahrscheinlich war es dann doch nur ein Plan, wie es die Überschrift ja auch aussagt.

  • am 28.08.2018 um 22:44 Uhr
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    Herr Knauser, wie kommen Sie denn darauf, dass irgendetwas, was die USA macht, «durchaus linke Politik» sei, wenn doch im Jahr 2006 Bush und seine Crew unter dem Motto «good versus evil» noch am Ruder waren? Wo ist denn die Linke in den USA überhaupt? Ich sehe beim besten Willen nur eine rechte bis ultrarechte und eine Mitte-Partei. Leider.

  • am 30.08.2018 um 10:51 Uhr
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    Danke Infosperber, dafür lese ich euch gern. Leider sind solche Beiträge in den «westlichen Qualitätsmedien» nicht zu finden.
    @ Karl Knauser:
    fakenews? Das Sie in Ihrer Filterblase es begrüßen sich in souveräne Länder einzumischen und dies noch als «linke» Politk der VSA zu begreifen ist schon eine
    Glanzleistung. Systemtroll? 😉
    Man sollte sich besser hüten den gewählten Präsidenten Syriens zu verurteilen da die Informationslage eher schwierig ist.
    Ich vermute das die Mehrheit des syrischen Volkes diesen traurigen, angeblichen Bürgerkrieg sehr gern gegen friedliche Zeiten mit Assad getauscht hätte.

  • am 30.08.2018 um 14:15 Uhr
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    Danke für defragmentierte kontextualisierte Fakten gegen leitmediale Mythen! Die USA wollten bereits Vater Assad ab den 1980er-Jahren stürzen mit ihren Lakaien Muslimbrüder und konnten ihm Autoritarismus vorwerfen, der in erster Linie begründet war als Abwehrmassnahme genau gegen diese von den USA unterstützten Muslimbrüder. Noch Anfang 2011 war Assad ein Freund des Westens und zierte seine syrisch-britische Ehefrau die Titelseite von «Vogue» als «Desert Rose», welche gemeinsam mit ihrem Ehemann, vorher tätig als Augenarzt in London und wie die Jungfrau zu seinem Amt gekommen wegen des Unfalltodes seines älteren Bruders, Syrien in einem noch moderneren noch säkulareren Staat entwickelt. Der Gründe für den völkerrechtswidrigen (auch vom wisschenschaftlichen Rat des deutschen Bundestages bestätigt) in einen Angriffskrieg von USA/NATO/SAU/QAT/ISR/WhiteHelmets/ISIL et al. gegen Syrien ausgearteten Regime change gibt es viele. Der unmittelbare, welcher rasches Handeln bedingte, war seine Entscheidung 2011 für die «falsche» Pipeline, diejenige aus dem Iran und nicht diejenige aus Qatar.

  • am 4.09.2018 um 12:54 Uhr
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    Dass Assad letztlich Krieg gegen sein eignes Volk führt und Aleppo in Trümmer legen liess, Giftgas einsetzte und Tausende durch Folter umbrachte, wird hier völlig unterschlagen. Das hat zunächst einmal nichts mit dem Wunsch der USA zu tun, Assad zu stürzen. Auch Saddam Hussein war ein Diktator, der Tausende hinmorden liess. Selbst wenn die USA Assad stürzen wollte: Man kann durchaus über die Art und Weise eines Regimewechsels diskutieren und dies kritisieren, nicht jedoch die ganze Morderei einfach vergessen.

  • am 8.09.2018 um 10:08 Uhr
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    @Thomas Ferber: Selbst wenn die Vorwürfe, die Sie an Assad richten, alle in dieser Uneingeschränktheit stimmen würden: Wenn die USA ihre Bemühungen zum Regierungssturz unterlassen hätten, hätte es den Krieg in dieser Brutalität wohl kaum gegeben und damit auch keine Trümmerstädte und Giftgas-Einsätze. In diesem Sinn sind USA & Co. die Hauptbrandstifter.
    Zur Folter: Da frage ich mich, ob Folterungen in Syrien unmenschlicher sind als in anderen Ländern oder Regimes, mit denen der Westen ohne Gewissensbisse zusammenarbeitet; oder ob Guantanamo allenfalls eine Rechtfertigung wäre für einen Regime-Change in den USA.
    Zu den Vorwürfen: Nach meinem Wissen hat die syrische Armee in erster Linie gegen bewaffnete Gruppen (oft Dschihadisten) gekämpft und nicht gegen «das eigene Volk"; Aleppo ist nun befriedet und wird wieder aufgebaut; bei einigen Giftgas-Einsätzen bestehen starke Zweifel, ob die syrische Armee wirklich der Urheber war (allein Motiv und Zeitpunkt der Attacken werfen einige Fragen auf).

    Sie würden jetzt vielleicht meine Quellen anzweifeln. Da entgegne ich, dass ich mich lieber anderweitig informiere, weil die Hauptquellen der westlichen Leitmedien (SOHR, Weisshelme, Aleppo Media Center etc.) für mich gar nicht glaubwürdig sind. SOHR ist ein 1-Mann-Büro in England, die Weisshelme wurden im Krieg gegründet von einem britischen Ex-Offizier, eine mittelmässige Laien-Schauspielertruppe. Und die verschiedenen Mediencenter sind auch nicht über alle Zweifel erhaben.

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