Bayer-Genmais kreuzt aus
Red. – Der Autor Christoph Then ist Tierarzt sowie Geschäftsführer und wissenschaftlicher Direktor von «Testbiotech». Dieses unabhängige, gemeinnützige Institut macht Folgenabschätzung im Bereich Gentechnik. Es wird unter anderem vom deutschen Bundesamt für Naturschutz gefördert. Thens Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift «Stichwort Bayer» Nr. 4/2024, herausgegeben vom internationalen Netzwerk namens «Coordination gegen Bayer-Gefahren». Zwischentitel von der Redaktion.
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Die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) hat einen Bericht über das Monitoring des Anbaus von Mais «Mon810» in Spanien veröffentlicht. Die Behörde kritisiert die Firma Bayer dafür, ihre Verpflichtungen zur Überwachung des Anbaus dieses insektengiftigen Mais‘ nicht zu erfüllen. [Anm. d. Red. – Der gentechnisch veränderte Mais «Mon810» stellt einen Wirkstoff des Bakteriums Bacillus thuringiensis her, der ihn gegen den Pflanzenschädling Maiszünsler schützt. «Mon810» darf in 16 EU-Ländern nicht mehr angebaut werden.]
Seit mehreren Jahren wird davor gewarnt, dass der transgene Mais fähig ist, sich mit Teosinte [eine unerwünschte, wilde Maispflanze – Anm. d. Red.] zu kreuzen und hybride Nachkommen zu erzeugen. Teosinte gilt in den Maisanbaugebieten Spaniens als besonders schwer kontrollierbares Unkraut. Obwohl sie dazu verpflichtet ist, hat die Firma Bayer die Institutionen der EU nicht offiziell über diese Risiken informiert.
Neue Daten zeigen: Risiko wurde bisher unterschätzt
Jüngst wurden von einer staatlichen Forschungseinrichtung aus Spanien neue Daten veröffentlicht, die zeigen, dass die Risiken für derartige Auskreuzungen bisher unterschätzt wurden. Die WissenschaftlerInnen fanden heraus, dass der transgene Mais seine Genkonstrukte mit einer wesentlich grösseren Wahrscheinlichkeit an Teosinte weiterzugeben vermag, als bisher angenommen.
Die transgenen Nachkommen wiesen im Vergleich zu Teosinte einen stärkeren Wuchs und eine verfrühte Blüte auf, was das Risiko für deren Ausbreitung erhöht. Die Nachkommen produzierten das Insektengift in einer ähnlichen Konzentration wie «Mon810». Falls solche Hybridpflanzen in den Feldern entstehen, könnten sie sich schnell ausbreiten und zu einer Bedrohung sowohl des Maisanbaus als auch der Ökosysteme werden.
Unkontrollierte Ausbreitung möglich
Im Gegensatz zu Mais sind Teosinte und entsprechende Hybride in der Lage, dauerhaft in der Umwelt zu bestehen und Nachkommen zu produzieren. In der Folge können auch die Transgene in der Umwelt überdauern und sich unkontrolliert ausbreiten.
Für den kommerziellen Anbau von Gentechnik-Pflanzen schreiben die Gentechnikgesetze der EU ein fortlaufendes Monitoring vor, bei dem die Risiken für die Umwelt erfasst werden müssen. Doch die Firma Bayer hat in ihren jährlichen Monitoringberichten nie über das Problem mit Teosinte berichtet. Stattdessen hatte «Testbiotech» die Kommission über die neuen Erkenntnisse informiert, die ihrerseits dann bei der EFSA eine Bewertung in Auftrag gab.
Jetzt bestätigt die EFSA: Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass das Potential für eine Hybridbildung zwischen «Mon810» und der in Spanien vorkommenden Teosinte grösser sein kann, als bisher angenommen. Dabei können die Nachkommen vitaler sein als die ursprüngliche Teosinte (grösser, dickere Stängel, mehr Blätter), und sie produzieren das Insektengift Cry1Ab in ähnlicher Konzentration wie «Mon810».
EU-Behörde kritisiert Bayer
Die EFSA verlangt weitere Untersuchungen bezüglich der möglichen Invasivität und der Häufigkeit der Hybridisierung zwischen «Mon810» und Teosinte unter Feldbedingungen. Sie kritisiert den Bayer-Konzern auch dafür, dass er beim Anbau des Mais keine Abstände zu geschützten Gebieten vorsieht. Zudem zeigen die von der EFSA publizierten Daten bei bestimmten Schadinsekten eine leichte Zunahme von Resistenzen.
Das Auftreten von Teosinte wurde 2014 zum ersten Mal in Spanien beobachtet. Sie gilt als Urform des Mais und stammt ursprünglich aus Mexiko. Ihre Ausbreitung in Spanien führt zu Ernteverlusten, die unerwünschten Pflanzen werden oft erst zum Zeitpunkt der Ernte auf dem Acker erkannt.
Schon 2016 hatte «Testbiotech» die EU-Kommission aufgefordert, den Anbau von Gentechnik-Mais in den betroffenen Regionen zu stoppen, um eine unkontrollierte Ausbreitung der Transgene zu verhindern. Es gibt Berichte darüber, dass die Teosinte bereits eine Herbizidresistenz aus früheren Kreuzungen in anderen Regionen erworben hat.
Neuzulassungsverfahren seit über 15 Jahren verschleppt
Die EU-Anbauzulassung für den Mais war schon 2008 ausgelaufen, zehn Jahre nach der Erstzulassung. Seitdem – also bereits seit 17 Jahren – erfolgt der Anbau der Maispflanzen ohne erneuerte Genehmigung. Nach Ansicht von «Testbiotech» zeigt sich darin ein Versagen der EU- Kommission, die für die entsprechenden Genehmigungsverfahren zuständig ist.
Im April 2024 hatte «Testbiotech» einen Brief an die EU-Kommission geschrieben, in dem aufgrund der neuen Forschungsergebnisse ein Anbaustopp gefordert wurde. Die EU-Kommission, deren Pro-Gentechnik-Haltung bekannt ist, hatte diese Forderung aber zurückgewiesen.
«Mon810» darf in der Schweiz als Lebensmittel verwendet werden, aber nicht als Futtermittel
In der Schweiz war «Mon810» von Ende Juli 2000 bis Ende 2024 als Futtermittel zugelassen, nicht aber sein Anbau. Der Hersteller beantragte keine Verlängerung dieser Zulassung. Für Lebensmittel darf «Mon810» weiterhin verwendet werden. Dies muss dann auf der Packung gekennzeichnet werden, zum Beispiel mit der Angabe «aus gentechnisch verändertem Mais hergestellt». In welchen Mengen «Mon810» hier zu Lande in Lebensmitteln vorkommt, ist unbekannt. (mfr)
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor ist Geschäftsführer und wissenschaftlicher Direktor von «Testbiotech».
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Nein, die Risiken wurden nicht unterschätzt sondern bewusst vernachlässigt.