Gideon Levy

«Haaretz»-Mitherausgeber Gideon Levy: Drei tiefverwurzelte Werte und Einstellungen. © IRD

Gideon Levy: «Der Horror ist sowohl hier wie dort»

Red. /  Der Mitherausgeber der israelischen Oppositionszeitung «Haaretz» spricht Klartext.

upg. In scharfen Worten kritisiert Gideon Levy den britischen Gitarristen und Mitgründer der Rockgruppe Pink Floyd, Roger Waters. Dieser hatte das Ausmass des Terrorangriffs der Hamas vom 7. Oktober in Zweifel gezogen. 

In einem Offenen Brief an Waters schrieb Levy am 19. November wörtlich: 

«Es fand eine Gräueltat statt, wie wir sie in der blutigen Geschichte dieses Konflikts noch nie gesehen haben.
Diese Gräueltat hat einen Kontext, nämlich die verbrecherische Blockade und den religiösen Fundamentalismus, der im Schatten der Blockade entstanden ist. Aber kein Kontext der Welt kann eine solche Barbarei rechtfertigen.»

Der «Haaretz»-Mitherausgeber und Journalist Levy besuchte die Orte des Massakers: 

«Ich habe alles mit meinen eigenen Augen gesehen. Ich sah die Blutspuren, die verbrannten Häuser, die überall verstreuten Leichen und den Geruch des Todes überall. Es war furchtbar. Kein Mensch und kein Land hat so etwas verdient.»

Er sei der Letzte, der Israels Verbrechen auch jetzt in Gaza auf die leichte Schulter nehme. Auch dieses müsse bestraft werden. An Roger Waters gerichtet, schrieb Levy:

«Ich würde Dich mitnehmen und Dir die schrecklichen Tatorte im Süden Israels zeigen. Anschliessend würden wir zusammen nach Gaza fahren und uns die schrecklichen Tatorte dort ansehen. Der Horror ist sowohl hier als auch dort. Das muss auch für Dich klar sein.»

Palästinenser seien keine gleichwertigen Menschen

In einem Vortrag vor drei Wochen wandte sich Gideon Levy an seine eigenen Landsleute. Sie müssten drei tiefverwurzelte Werte und Einstellungen hinterfragen, um ein Zusammenleben mit den Palästinensern zu ermöglichen. 

Zuerst sollten die jüdischen Israelis davon Abstand nehmen, sich als das alleinige auserwählte Volk zu verstehen. Denn das bedeute, sich niemandem unterzuordnen. Beispielsweise würden internationale Rechtsnormen nur für die anderen gelten. Oder Israel müsse keine echten Asylsuchenden aus Eritrea aufnehmen. [Red. In Israel leben rund 100’000 Juden aus Äthiopien.]

Als zweites sollten die Israelis nicht mehr glauben, sie seien weit und breit die einzigen und grössten Opfer der Geschichte: «Tatsächlich ist Israel die einzige langjährige Besatzungsmacht, die sich selber als Opfer sieht.»

Drittens gehe es um eine tiefverwurzelte, wenn auch oft nicht zugegebene Einstellung, dass die Palästinenser nicht gleichwertige Menschen seien: 

«‹Sie lieben die Kinder nicht gleich wie wir. Sie schätzen das Leben nicht so wie wir. Sie werden geboren, um zu töten. Sie sind grausame Sadisten ohne Moral. Schaut nur, wie sie uns töten.› 
Diese Haltung ist in unserer Gesellschaft tief verwurzelt. Vielleicht ist dies das Kernproblem. Solange die Israelis glauben, so viel besser und menschlicher zu sein als die Palästinenser, wird es kein friedliches Zusammenleben geben.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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2 Meinungen

  • am 22.11.2023 um 15:02 Uhr
    Permalink

    Ich frage mich, warum Kritik am Staat Israel immer mit Antisemitismus gleichgesetzt wird. Falls sich dieser Staat über die Rassen- oder Religionszugehörigkeit definiert, wäre dies Anlass zu schärfster Kritik.

    • am 23.11.2023 um 14:26 Uhr
      Permalink

      Sie schreiben: «Ich frage mich, warum Kritik am Staat Israel immer mit Antisemitismus gleichgesetzt wird. Falls sich dieser Staat über die Rassen- oder Religionszugehörigkeit definiert …»

      ISRAEL ist in seiner Eigendefinition ein «jüdischer Staat», in der Ansprache zur Verkündigung der Unabhaengigkeitserklaerung hatte Ben Gurion aber noch «eine Verfassung und Gleichberechtigung für alle Menschen im künftigen Staat, unabhängig von ihrer Religion» versprochen.

      Also, eine «Heimstatt … als sichere Zuflucht für alle Juden, die irgendwo in der Welt unter Druck stehen oder verfolgt werden: Das war der Traum von Theodor Herzl.»
      heute zugespitzt in Eretz Israel mit Landanspruch jenseits der heutigen Staatsgrenzen

      Araber müssen in diesem Konzept um ihren Platz (Land, Wohngebaeude) bitten …

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