Erich Vad im Club

Im Juli 2022 durfte Erich Vad in der Sendung «Club» noch mitdiskutieren. © srf

Gastbeitrag des «erbärmlich ahnungslosen» Erich Vad in der NZZ

upg. /  Der Ex-Brigade-General Erich Vad unterschrieb das Manifest gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Jetzt kam er in der NZZ zu Wort.

Vad wandte sich von Anfang an gegen die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine. Über sachliche Argumente des umstrittenen Ex-Generals, der zeitweise militärpolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel war, informieren grosse Medien spärlich. In Talkshows wird er kaum mehr eingeladen. Als Vorwand wird Vad vorgeworfen, dass er der Ukraine nicht zutraute, die besetzten Gebiete zurückzuerobern. Lucien Scherrer titelte in der NZZ «Erbärmliche Loser, die vom Krieg keine Ahnung haben» und zitierte eine Aussage des früheren ukrainischen Botschafters Andri Melnik über Erich Vad und andere. Tamedia-Berlin-Korrespondent Dominique Eigenmann warf Vad im Tages-Anzeiger ohne Belege vor, er würde «russische Kriegsverbrechen relativieren». In der Basler Zeitung bezeichnete Eigenmann den Ex-General als «Liebling aller Extremisten».

Bereits am 15. Januar hatte Infosperber ein «Emma»-Interview mit Vad übernommen unter dem Titel «Ex-Brigade-General Erich Vad fragt: Was sind die Kriegsziele?» Auf genau diese Frage ging jetzt Erich Vad auch in der NZZ ein, die am 15. Mai einen seitenlangen Gastkommentar von Vad veröffentlichte. Infosperber dokumentiert im Folgenden einige seiner Kernaussagen:


«Russland kann sich aus dem Donbass und der Krim nicht einfach zurückziehen»

Russland führt einen Angriffskrieg. Es ist richtig, dass der Westen an der Seite der Ukraine steht und hilft. …

Waffenlieferungen zur Stabilisierung der Ukraine sind und bleiben wichtig. Es müssen jedoch auch die politischen und strategischen Ziele der Waffenlie­ferun­gen definiert und die damit zusammenhängenden Fragen beant­wortet werden: Will man mit der Lieferung von Panzern Verhandlungsbereitschaft er­reichen? Will man Donbass und Krim zurücker­obern? Oder will man Russland militärisch besiegen? …

Ein Zugriff des geopolitischen Riva­len USA auf die Schwarzmeerregion wäre für Russland ebenso we­nig hinnehmbar, wie es für die USA der Kontrollverlust in der Karibik und im Panamakanal oder für China der Kontrollverlust im Südchinesischen Meer sowie in Taiwan wäre. Vor diesem Hintergrund kann sich Russland aus geopoliti­schen und strategischen Gründen aus dem Donbass und der Krim nicht einfach zurückziehen. …

Wäre eine militärische Niederlage Russlands für den Westen überhaupt wünschens­wert? Wer sollte das damit entstehende strategische Vakuum in Eurasien füllen und die über hundert unterschiedlichen Föderationssubjekte, Regionen und Oblaste der Russischen Föderation zusammenhalten? Vom Ende her, strategisch gedacht, können ein Sieg über Russland und die damit einhergehende Destabilisierung des Landes nicht im europäischen politisch-strategischen Interesse sein.

Wenn aber eine Macht in der strate­gischen Interessensphäre einer anderen Macht interve­niert, gibt es von diplomatischem Är­ger bis zu gewaltsamen Konflikten vieles, was zum Krieg führen kann. Handelt es sich wie bei Russland um eine Nuklearmacht, ist besondere Vorsicht geboten – auch beim Aggressor, der dies weiss. …

Es lassen sich Dutzende Beispiele für die Bedeutung strategischer Interessen zwischen konkurrierenden Machtbereichen anführen. Man denke an die Bedeutung der Karibik für die Sicherheit der USA oder der Golanhöhen und der Strasse von Tiran für die Sicherheit Israels. Für das Nato-Mitglied Türkei gilt Gleiches, ein Land, das in Syrien und im Irak militärisch intervenierte und, parallel zum russischen Überfall auf die Ukraine, die Kurden bekämpfte. Die Türkei reklamiert für ihre strategischen Interessen – Völker­recht und territoriale Integrität der Nachbarländer hin oder her – eine Sicherheitszone in Syrien und im Irak. Ein freies Kurdistan wird die Türkei aus strategischen Gründen nicht dulden, selbst wenn völkerrechtliche Prinzipien wie das Selbstbestim­mungsrecht der Völker anderes fordern. …

Im Hinblick auf den Ukraine-Krieg geht es darum, zwischen einer freien Bündniswahl der Ukraine und der strategischen Balance in Europa abzuwägen. Aus geostrategischer Sicht ist eine Nato-Mitgliedschaft der Uk­raine für Russland nicht akzeptabel. Deshalb ist die Forderung, den Rus­sen die Kontrolle über die Krim und die Gebiete mit hoher Zahl russischsprachiger Be­völke­rung in der Ukraine zu über­lassen oder dem Donbass weitestge­hende Autonomie zu gewähren, aus strategischer Sicht realistischer, als auf das ukrainische Selbstbestimmungsrecht oder auf einen lang andau­ernden Abnutzungskrieg mit hohem Eskalationspotenzial zu setzen. …

Vollständiger Gastkommentar von Erich Vad in der NZZ hier.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Ukraine_Sprachen

Die Ukraine zwischen Ost und West: Jetzt von Russland angegriffen

Die Ukraine wird Opfer geopolitischer Interessen. Die Nato wollte näher an Russland. Seit dem 24.2.2022 führt Russland einen Angriffskrieg.

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11 Meinungen

  • am 17.05.2023 um 11:53 Uhr
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    Ich frage mich wer denn eigentlich Lucien Scherrer ist? Was berechtigt ihn einen ehemaligen General zu verunglimpfen? Was versteht er denn von Krieg, nur das Schiessen oder auch alles was um Kriege und ihre Gründe und die Beendigung von Kriegen auch eine Rolle spielt?

    Die Punkte von Brigadier Vad aD sind alle samt schon zu Beginn des Krieges aufgeworfen worden, notabene auch vom obersten General der USA und bis heute nie beantwortet worden.

    Wenn es Helfershelfer zum Krieg gibt, dann sind das meist Journalisten die dem offenbaren Mainstream nachreden, von Militärs habe ich bis heute solches nie gehört. Militärs sind, wenn schon, die Berufsgattung, die sich ein Berufsleben lang mit Krieg beschäftigt haben und sehr genau wissen von was sie sprechen. Militärs sind auch keine Politiker und müssen nicht irgend welchen Falken folgen, sondern ihren Job verantwortungsvoll erfüllen. Dabei geht es immer aber um Menschen, die in eine Schlacht ziehen müssen und deren Leben kostbar ist.

  • am 17.05.2023 um 12:22 Uhr
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    Vad ist zwar auf dem richtigen Weg der Erkenntnis, bleibt aber trotzdem ahnungslos bezüglichder Gründe für den Konflikt in der Ukraine, oder ignoriert sie bewusst.
    Klar ist, Russland kann militärisch nicht besiegt werden. Auch dann nicht, wenn die NATO direkt eingriffe. Das für lediglich dazu, dass der Konflikt nuklear wird.
    Der einzige Ausweg ist der zurück zu Ende 2021 – als Russland die NATO und die USA aufgefordert hat, Russland Sicherheitsgarantien zu geben, und was arrogant abgeschmettert wurde. Es braucht eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa, welche die Sicherheit aller gewährleistet und in der nicht ein Block auf Kosten eines der Teilnehmer expandieren will. Wird da eine Lösung gefunden, löst sich auch das Problem Ukraine.

    • am 19.05.2023 um 15:01 Uhr
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      Nun sie unterstellen Br Gen Vad Ahnungslosigkeit zu den Gründen zum Krieg, das ist fast das Selbe wie Scherrer. Gen Vad weiss sehr genau wie es zum Krieg gekommen ist, dies aber zu schreiben würde hier fast niemand verstehen wollen, weil man das nicht sagen darf. – Trotzdem bleibt jede Aussage von ihm richtig. Er wurde nicht gefragt, wie man den Krieg beenden soll, er hat aber immerhin dargelegt wie es geopolitisch zu verstehen ist und dieser Krieg ist reine Geopolitik.

  • am 17.05.2023 um 12:50 Uhr
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    Ich sehe das Primärproblem Medien in Schweiz, Europa.
    1) Infosperber nennt hier Beispiele: NZZ, Tages-Anzeiger, Basler Zeitung.
    2) Bei «Der Bund» sehe ich tendenziöse Artikel, er verweigerte aber soeben die Veröffentlichung meines folgenden Kommentars:
    https://www.derbund.ch/madame-tussaud-waere-vor-neid-gestorben-903354924963
    Dass Swetlana Tichanowskaja keine «Einmischung Russlands» will, wissen wir längst. Russland will keine Einmischung der USA, so wie die USA keine Einmischung im karibischen Raum wollen, siehe: Infosperber, aktueller Artikel über Stellungnahme von Ex-Brigade-General Erich Vad in der NZZ.

  • am 17.05.2023 um 13:04 Uhr
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    Vad und andere, die man weder hören und sehen noch lesen darf, ohne dass sie im vorauseilenden Medien-Gehorsam diffamiert werden, sagt aus meiner Sicht nichts anderes, als es die reine Vernunft gebietet. Dass er dies mit wohlüberlegten strategischen Argumenten untermauert, ist aber wohl für den grössten Teil der in den warmen und sicheren Redaktionsstuben Tätigen eine Ueberforderung. Deshalb wohl die Häme und der Hass, der all jenen entgegenschlägt, die sich entschieden gegen den Angriffskrieg stellen, aber es trotzdem fragwürdig finden, wenn dem vormaligen Fernsehkomiker Selenskij in allen Hauptstädten der Nato-Mitgliedstaaten der rote Teppich ausgerollt wird und mit noch mehr Waffen-Versprechen im Gepäck nach Kiew fährt. Wozu? Das Problem bei der Einschätzung der Lage ist nicht die vom medialen Mainstream abweichende Position, sondern das unkritische Trommeln einer Medienmeute für eine skrupellose Militärindustrie. Warum wundert einen das nach der Medien-Pandemie nicht mehr?

  • am 17.05.2023 um 14:11 Uhr
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    Eine florierende, friedliche Zusammenarbeit und Ko-Existenz zwischen Europa und Russland ist das grösste Schreckgespenst für die USA (= NATO). Dies muss aus US-Sicht um jeden Preis verhindert werden.

    Einen nachhaltigen Frieden mit Russland hätte Europa gratis und sogar höchst gewinnbringend haben können: Die Ausweitung der Nato verhindern und die wirtschaftliche und gesellschaftliche Verflechtung fördern. So einfach ist es tatsächlich.

    Ganz zentrale Fragen stellen bis anhin aber weder Infosperber noch Herr Vad in den Raum: Was macht eigentlich der Kreml, wenn es den Ukrainern tatsächlich gelingt die Krim, den Donbass, etc. zurückzuerobern? Was macht der Kreml, wenn die Ukraine NATO oder EU-Mitglied wird? Sollte man den russischen Bären als grösste Atommacht der Erde mit einem durchaus etwas speziellen Präsidenten wirklich um jeden Preis dermassen an die Wand drücken?

  • am 17.05.2023 um 16:08 Uhr
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    Man kann diesen Erich Vad in die Hölle wünschen, aber dies wäre fahrlässig. An seiner Botschaft ist nichts auszusetzen, auch wenn sie dem öffentlichen Mainstream und den Politikern in der EU und insbesondere auch in den USA nicht in den Kram passt.
    Es ist zweifelhaft, ob Wladimir Putin sich von den westlichen Waffenlieferungen beeinflussen und einschüchtern lässt. Ein Angebot an Russland durch die Ukraine, auf eine Nato-Mitgliedschaft für immer zu verzichten und dafür Garantien in Bezug auf die zur Diskussion in Frage stehenden durch Russland besetzten Gebiete zu verlangen, könnte die Brücke für Friedensverhandlungen ebnen.
    Die Ukraine ist ein grosses Land, dieses Land schluckt noch viele Waffen beiderseits, welche dem Krieg zum Opfer fallen, die Ukraine wird zu einem grossen Entsorgungsstandort!
    Doch der Krieg muss so schnell als möglich beendet werden, der Blutzoll ist nicht mehr länger zu verantworten, da sind beide Kontrahenten angesprochen.

  • am 17.05.2023 um 18:20 Uhr
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    Russland könnte sich sehr wohl aus der Ukraine zurückziehen. Einfach so. Dann wäre der Krieg beendet. Anders als bei den Nazis gegen Ende des zweiten Weltkrieges haben seine Gegner keineswegs den Plan, bis nach Moskau vorzurücken und das Land militärisch zu besiegen.
    Die strategische Bedeutung des Schwarzen Meeres ist begrenzt. Kein Schiff kommt ohne Zustimmung der Türkei raus. Ausserdem hat Russland auch ohne die Krim Zugang zum Schwarzen Meer.
    Russland hat von Murmansk aus Zugang zum Atlantik, und in Ostsibiren hat es Zugang zum Pazifik.

    • am 19.05.2023 um 14:01 Uhr
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      Zöge sich Russland nach allem was bisher passierte einfach aus der Ukraine zurück, würden die Nationalukrainer sofort über die Bewohner des Donbass herfallen; jeder, der sich vermeintlich oder wirklich mit den Russen eingelassen hätte, hätte schwere Repressalien zu befürchten. Ethnische, sprachliche und ideologische Verfolgung und Säuberung wurden ja bereits von ukrainischen Politikern angekündigt. Das Problem der Donbassezession wäre auch nicht gelöst; der Bürgerkrieg dort ging weiter, so wie vorher mit wechselndem Erfolg und Unterstützung beider Gegner. Wahrscheinlich käme es zu einer riesigen Flüchtlingswelle Richtung Russland. Wahrscheinlich würde der Krieg nach einigen Jahren erneut ausbrechen. Mit einem Rückzug Russlands wäre – so paradox es scheint – momentan nichts gewonnen.

    • am 19.05.2023 um 16:50 Uhr
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      @Daniel Heierli Ich sehe es im Gegenteil so: Ihnen widersprechen der 1WK und 2WK (nun versucht es der Westen alias USA im Dritten Anlauf) und Zbigniew Brzezinski (in seinem Buch: The Grand Chessboard), der die Ukraine damals schon als Schlüssel für die Hegemonie (meine Translation: Weltherrschaft) der USA bezeichnete.
      http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/USA/nach-bush.html

  • am 19.05.2023 um 14:54 Uhr
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    Jura – Analogie auf Infosperber:
    https://www.infosperber.ch/freiheit-recht/menschenrechte/im-jura-blueht-das-selbstbestimmungsrecht-der-voelker-auf/

    Sowohl die geostrategischen Interessen der USA als auch Russlands über die Ukraine, und andere Staaten sind glasklare Verstösse gegen das in Art. 2 der UN-Charta gewährte «Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder»; «die territoriale Unversehrtheit» und «die politische Unabhängigkeit eines Staates» Entgegen der weitverbreiteten Irrmeinung hat auch die USA in der Ukraine nichts verloren.

    Aber eben, für den Donbass und die Krim gilt halt auch das in der UN-Charta erwähnte Selbstbestimmungsrecht der Völker, was besagt, dass die Westukraine dort nichts verloren hat und deren Bombardierung halt auch völkerrechtswidrig ist.

    Bei einer kurzen Recherche im historischen Atlas stellt man sogleich fest (Vorsicht: Spoileralarm), dass es sich beim Donbass und der Krim um eine Wiedervereinigung mit Russland handelt.

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