Sperberauge

Es ist das Wetter, Dummkopf

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Steigt die Arbeitslosigkeit, wenn sie nicht soll, dann ist auch das Wetter schuld.

»It’s the economy, stupid» (es geht um die Wirtschaft, Dummkopf). Mit diesem Slogan punktete Bill Clinton im Wahlkampf von 1992. Die Entwicklung von Bruttoinlandprodukt, Aktienkursen oder Arbeitslosenzahlen beeinflusst nicht nur Wahlkämpfe in den USA, sondern auch Volksabstimmungen in der Schweiz – und mithin die Schlagzeilen in den Medien.

Zunahme der Arbeitslosigkeit

Die offizielle Arbeitslosenquote in der Schweiz stieg im Dezember 2013 auf 3,5 Prozent, meldete das Staatssekretariat für Wirtschaft am Freitag. Das ist ein Anstieg um 0,3 Prozentpunkte gegenüber dem Vormonat und 0,2 Prozentpunkte gegenüber dem Dezember 2012. «Trotz Aufschwung», so konstatierten mehrere Medien, hat die Arbeitslosigkeit also zugenommen. Das wirft nicht nur ein schlechtes Licht auf die wachsende Wirtschaft. Der Umstand, dass die Arbeitslosenquote unter den Ausländerinnen und Ausländern um 0,7 Prozentpunkte und damit überdurchschnittlich gestiegen ist, könnte der SVP-Initiative gegen die Zuwanderung Auftrieb geben.

Die meisten Medienschaffenden lehnen die SVP-Initiative ab, weil sie fürchten, ein Ja gefährde den Wohlstand im reichsten Land der Welt. Darum beschwichtigen sie. «Es herrscht fast Vollbeschäftigung», beruhigte etwa der «Berner Bund» in seiner Samstagsausgabe das Volk. Die «Basler Zeitung» titelte: «Seco sieht den Arbeitsmarkt in bester Verfassung.» Der «Zürcher Tages-Anzeiger» anerkannte zwar: «Besonders unter EU-Einwanderern scheint sich die Zahl der Erwerbslosen erhöht zu haben», relativierte aber: «Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch ein anderes Bild.»

»Schlechtes Wetter» im sonnigsten Dezember

In der «näheren Betrachtung» wird unter anderem das Wetter ins Feld geführt: «Wegen des schlechten Wetters verzeichnete etwa die Baubranche (in der viele Ausländer arbeiten) im vergangenen Monat über Erwarten viele Erwerbslose», schrieb Simon Schmid im Medienverbund des Zürcher «Tages-Anzeiger» und des Berner «Bund». Und die NZZ setzte den Titel: «Dem Schweizer Arbeitsmarkt bekommt die kalte Witterung nicht.»

Es ist also das Wetter, liebe Dummköpfe, welche die Leute arbeitslos macht. Da fragt sich der Leser natürlich, wie schlecht das Wetter im Dezember 2013 wirklich war. Dazu konstatiert er unter www.meteoschweiz.ch und unter dem Stichwort «Wetterrückblick» das «Klimabulletin Dezember 2013» und liest unter dem Untertitel «Sonnenscheinrekord bei anhaltendem Schönwetter»: «Noch vor Weihnachten wurden Dezember-Sonnenrekorde in den Regionen Bern, Zürich, Winterthur und St. Gallen erreicht. Anschliessend kamen die Rekorde der Messstandorte Basel, Schaffhausen, Luzern, Altdorf sowie Güttingen am Bodensee hinzu.» Und wie steht es mit der «kalten Witterung» im Dezember 2013? Dazu nochmals das offizielle Klimabulletin: «Gemittelt über die ganze Schweiz ergibt sich ein Temperaturüberschuss von +0.8 Grad».

Merke: Es gibt gute Argumente gegen die Anti-Zuwanderungs-Initiative der SVP. Das Wetter gehört nicht dazu.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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3 Meinungen

  • am 12.01.2014 um 16:41 Uhr
    Permalink

    Klar ist das Wetter schuld !
    Wäre es kälter gäbe es mehr Glatteis.
    Mehr Glatteis gäbe mehr Unfälle mit Personenschäden.
    Mehr Personenschäden würden durch die Unfallversicherungen gedeckt.
    Was zwangsläufig zu weniger Arbeitslosen führt da kranke und verunfallte nicht als arbeitslose zählen.
    Ergo: Das Wetter ist schuld und sollte des Landes verwiesen werden.
    Als Ersatz empfehle ich Unwetter !!! ( Jahrhundert Sturm / Neue Eiszeit )

    Beitrag bitte Ironisch betrachten.

  • am 13.01.2014 um 15:09 Uhr
    Permalink

    Die Schönredner, Schrecken- und Angstmacher, dazu gehören auch Bundesräte, laufen wieder zur Hochform auf. Alles nur halb so schlimm, stellen Sie wenig überzeugend fest. Allerdings ist dies nur die halbe Wahrheit. Bei näherer Betrachtung, auch wenn man die Studie der Universität Basel studiert (Prof. George Sheldon), zeigt sich ein anderes Bild. Wir Schweizer sind wachstumshörig geworden und stellen quantitativer über qualitatives Wachstum. Gerade dieses Wachstum, höher als jenes in der EU schafft doch die Probleme! Es wäre an der Zeit, sich wieder einmal mit der Grenznutzentheorie von Hermann Heinrich Gossen zu befassen, den Gesetz des abnehmenden Grenznutzens (gilt auch für das Wirtschaftswachstum) und dem Gesetz vom Ausgleich der gewogenen Grenznutzen (gilt für eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur, einen intakten Wohnungs- und Arbeitsmarkt und genügend Erholungsflächen). Die ewig gleiche Leier der Wirtschaftsverbände ist nicht zielfördernd und erst noch kontraproduktiv!

  • am 13.01.2014 um 22:44 Uhr
    Permalink

    Die Meinungsvielfalt der schweizer Medienlandschaft in ökonomischen Belangen entspricht etwa der Parteienvielfalt in Deutschland zwischen 1933 und 1945. Und die Qualität der Analysen ist eine harte Konkurrenz zur hohen Kunst des Kaffeesatzlesens. Umso wichtiger sind Beiträge wie dieser, bei denen Logik und Erkenntnis im Zentrum stehen.

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