Bildschirmfoto20130827um09_17_52

Andi Rohrer nimmt in der Livesendung an Sarah Mass. © SRF

Ombudsmann rügt Busenmessung auf SRF

Jürg Lehmann /  «Geschmacklos und fragwürdig» nennt Ombudsmann Achille Casanova das Vermessen weiblicher Brüste in der Sendung vom Gurtenfestival.

Der «Blick» hatte die Story unter dem Titel SRF lässt Busen messen gross gefahren und kommentiert: «Sexismus und Suff – fürs SRF offenbar kein Problem.» Worum gings?

Im Rahmen der Liveübertragung des Berner Gurtenfestivals auf SRF 2 am 20. Juli schickte Moderator Robin Rehmann «Virus»-Mann Andi Rohrer auf Busenjagd, um dessen TV-Strassenquiz «Don’t say it – bring it!» zu bewerben. Im Quiz dürfen die Kandidaten die Antworten nicht sagen, sondern müssen sie «bringen». Rohrer sollte eine Person mit 90 Zentimeter Brustumfang suchen. Begründung: Das 30-jährige Gurtenfestival mal drei gibt 90.

Rohrer hatte eine Minute Zeit und kümmerte sich sofort um das weibliche Publikum. Eine Frau lehnte seine Avancen ab, eine war nicht üppig genug. Dann kam Sarah und liess sich vermessen. Sie hatte «auf den Nippel genau» (Rohrer) die 90 verlangten Zentimeter. Rohrer hatte die Aufgabe gelöst und erhielt dafür als Lohn ein Bier.

Nicht nur «Blick» missfiel die Busenmesserei. Ein TV-Zuschauer beanstandete schriftlich beim SRG-Ombudsmann Achille Casanova den Vorgang und fragte, ob das Gebaren der Jungspunde konzessionskonform und mit dem Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) vereinbar sei. Die Konzession sagt, die Programme hätten «hohen qualitativen und ethischen Anforderungen zu genügen». Das RTVG hält unter anderem fest, die Sendungen müssten die «Menschenwürde» achten und dürften nicht «diskriminierend» sein.

Redaktionsleiter: Unterhaltung und Auflockerung

Casanova holte die Stellungnahme von Michael Schuler, Leiter SRF Fachredaktion Musik Pop/Rock, ein. Schuler schreibt, der Beitrag sei «zur Unterhaltung und Auflockerung» einer 90-Minuten-Livesendung für ein «junges Zielpublikum» konzipiert worden: «Dieses Spielelement ist zugegeben (…) eine blöde Aufgabe, natürlich bezogen auf das ausgelassene, immer wieder mal sinnfreie Geblödel, das zu Open Air-Veranstaltungen gehört.» In der Sendung seien aber «jederzeit die qualitativen und ethischen Anforderungen der SRG vollumfänglich berücksichtigt» worden. Der beanstandete Beitrag habe die Menschenwürde jedenfalls «in keiner Art und Weise» verletzt.

Zudem weist Schuler besonders darauf hin, dass die Aufgabe «geschlechtsneutral» formuliert worden sei. Im Beitrag seien «leider» nur die Oberweiten-Messungen an Frauen gezeigt worden, obschon auch Aufnahmen mit Brustumfängen von Männern gemacht worden seien. Alle Beteiligten hätten freiwillig teilgenommen, seien auf die Ausstrahlung auf SRF 2 hingewiesen worden und hätten diesen Umstand gebilligt.

Erklärungen überzeugen Ombudsmann nicht, aber…

Achille Casanova schreibt in der Antwort auf die Beanstandung, die Erklärungen von Schuler überzeugten ihn nicht. Zwar sei die Suche nach einem 90 Zentimeter Brustumfang in der Tat geschlechtsneutral angekündigt worden: «Moderator Robin Rehmann sagte aber selber, dass sein Kollege Andi Rohrer sich auf Frauen konzentrieren würde.» Es liege deshalb auf der Hand, dass die ganze Übung auf die «Vermessung der Frau» angelegt worden sei. Casanova rügt: «Die Spielanlage war einfach blöd und sogar peinlich.»

Auch wenn der Beitrag «sicher nicht» dem Wortlaut der SRG-Konzession zur Programmqualität entsprochen habe, «glaube ich nicht, dass die geltenden rechtlichen Bestimmungen – vorliegend die Menschenwürde – verletzt worden sind», schreibt der Ombudsmann. Man dürfe den Beitrag nicht überbewerten und müsse ihn auch im Kontext einer Unterhaltungssendung sehen. Umgekehrt zeigt Casanova «viel Verständnis» für die Beanstandung und spart nicht mit Kritik an den SRF-Verantwortlichen: «peinliche Fehlleistung» – «alles andere als lustig» – «geschmacklos und fragwürdig».

Das wird auch die Aargauer FDP-Ständerätin Christine Egerszegi freuen, die sich nach dem ersten «Blick»-Bericht im Blatt aufregte: «Die Aktion ist völlig daneben.» Sie kündigte eine Intervention beim SRG-Generaldirektor an: «Roger de Weck kriegt etwas zu hören.» Egerszegi musste gar nicht aktiv werden. Nach der öffentlichen Schelte griff der SRG-Boss laut «Blick» gleich selber zum Telefon und entschuldigte sich bei Egerszegi.

SRF: Wir haben einen Fehler gemacht

Und bei den zuständigen SRF-Leuten? Redaktionsleiter Michael Schuler räumt gegenüber Casanova ein, «dass es ein redaktioneller Fehler war, nur weibliche Oberweitenmessungen zu zeigen». Das Gezeigte habe den Eindruck vermitteln können, dass das Messen ausschliesslich weiblicher Brustumfänge «quasi als Gaudi» veranstaltet worden sei. Schuler: «Diese Wirkung bedauern wir sehr!»

Und was folgt daraus? Schuler: Der Beitrag sei im Debriefing «kritisch besprochen und analysiert» worden und man habe «Massnahmen für zukünftige Spielelemente festgelegt».


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

srf_nur_logo11

Kritik von TV-Sendungen

Fehler passieren überall. Beim nationalen Fernseh-Sender sind sie besonders ärgerlich. Lob und Tadel.

Business_News_Ausgeschnitten

Medien: Trends und Abhängigkeiten

Konzerne und Milliardäre mischen immer mehr mit. – Die Rolle, die Facebook, Twitter, Google+ spielen können

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.