Zuger Polizei Risch Rotkreuz Velo Velofahrer Kollision Kreisel

«Velofahrer bei Kollision mit Auto verletzt». Das schreibt die Zuger Polizei. Dabei hat eine Autofahrer einen Velofahrer, der sich bereits im Kreisel befand, über den Haufen gefahren. © Zuger Polizei

Das verdreht die Polizei (2)

Marco Diener /  Auch wenn Velo- oder Mofafahrer korrekt fuhren -- die Polizei tut oft so, als wären sie schuld an Unfällen. Warum nur?

«Liebefeld: Kollision mit Auto – Mofalenker schwer verletzt.» Wer den Titel zur Medienmitteilung liest, welche die Kantonspolizei Bern am 6. Dezember verfasst hat, kommt unweigerlich zum Schluss: Der Mofalenker ist ins Auto geprallt. Er ist schuld.

Dabei war es genau umgekehrt. Der Mofalenker fuhr wie vorgeschrieben auf dem Radstreifen. Ein entgegenkommendes Auto bog links ab und fuhr ihn über den Haufen. Da die Ermittlungen noch liefen, hätte die Polizei den Unfall damals auch zurückhaltender schildern können, als es Infosperber jetzt tut. Aber die Polizei hätte deswegen nicht den Eindruck erwecken müssen, der Mofalenker sei selber schuld.

Im Kreisel

Die Zuger Polizei berichtete am 13. Oktober unter dem Titel «Risch Rotkreuz: Velofahrer bei Kollision mit Auto verletzt» über einen Unfall. Der Titel ist seltsam offen formuliert. Dabei wusste die Polizei schon damals, was passiert war. Denn sie schrieb beiläufig: Der Velofahrer «befand sich bereits im Kreisel. Gleichzeitig bog der Autolenker in den Kreisel ein, wobei es zum Zusammenprall kam.» Der Velofahrer war also vortrittsberechtigt. Der Autofahrer missachtete den Vortritt.

Von hinten

Die Aargauer Regionalpolizei Oberes Fricktal schrieb am 13. Oktober unter dem Titel «Oberhof: Velofahrer bei Kollision mit Auto tödlich verletzt» über einen Unfall. Es klang so, als wäre der Velofahrer ins Auto geprallt. Doch schon im ersten Satz wurde klar, dass es genau umgekehrt war: «Am Montag Mittag kollidierte in Oberhof ein Auto mit einem Velo.»

Schlimmer noch: Der Auto- und der Velofahrer waren in der gleichen Richtung unterwegs. Der Autofahrer rammte den Velofahrer von hinten. Der Velofahrer kam ums Leben. Doch das Mitgefühl der Polizei galt mindestens ebenso sehr dem Autofahrer. Die Polizei schrieb: «Der Autolenker blieb unverletzt.» Und: «Der Automobilist kam mit dem Schrecken davon.»

Viele Medien übernehmen die Polizeimeldungen sinngemäss. Zum Beispiel nau.ch: «Oberhof AG: Velofahrer stirbt bei Kollision mit Auto.» Und Argovia Today verbreitete das Mitgefühl der Polizei weiter: «Der Autofahrer kam mit dem Schrecken davon» — eine völlig unpassende Formulierung angesichts des Leids, das er verursacht hat.

Übersehen

Die Schaffhauser Polizei meldete am 21. September: «Stadt Schaffhausen: Velofahrer bei Kollision mit Auto verletzt.» Doch beim Weiterlesen stellt sich rasch heraus: Der Autofahrer «übersah einen abwärts fahrenden Velofahrer, worauf es zur Frontalkollision zwischen den beiden Fahrzeugen kam.» Die Formulierung «worauf es zur Frontalkollision kam» klingt eher nach einem dummen Zufall als nach einem groben Fehler des Autofahrers.

Dass es auch anders geht, beweist die Kantonspolizei Aargau. Sie berichtete am 22. November über zwei Unfälle aufs Mal. Im einen Fall war ein Auto, das aus einer Seitenstrasse eingemündet war, in eine Velofahrerin geprallt. Im anderen Fall war ein Auto, das in einen Kreisel hineinfuhr, mit einem Velofahrer zusammengeprallt. Der Titel lautete korrekt: «Buchs/Brugg: Mit Velos kollidiert.»

Das sagen die Polizeien

  • Kantonspolizei Bern: «Es ist normal, dass Titel und Lead von Medienmitteilungen nicht sämtliche Informationen enthalten. Im Text sind dann allenfalls weitere Details ausgeführt.»
  • Zuger Polizei: Der Titel «Velofahrer bei Kollision mit Auto verletzt» gebe «ausschliesslich die Fakten aus Sicht des Opfers wieder — dass nämlich ein Velofahrer bei einem Unfall mit einem Auto verletzt worden» sei.
  • Die Aargauer Regionalpolizei Oberes Fricktal beantwortete die Fragen von Infosperber nicht.
  • Die Schaffhauser Polizei findet, dass «aufgrund des Titels keine Schuldzuweisung» erfolge.

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3 Meinungen

  • am 9.01.2023 um 12:28 Uhr
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    Warum formuliert die Polizei es so, und warum finden obigen Artikel (bisher) 2 Leser nützlich, aber 3 Leser nicht nützlich? Weil wir leider in einer Autowelt leben (Motomania)? Weil der Vergnügungsverkehr (obwohl auf Klimaplakaten steht: «Make Love Not CO2») höher ist als der Werk-/Arbeitsverkehr? «Aus Freude am Fahren» (BMW-Slogan)? Eine 83-jährige, die in Chur spaziert und sich manchmal auf ein Bänklein setzt nahe Strasse, sagte mir, sie sehe oft Autofahrer, die immer wieder vorbeifahren, 5mal, 10mal… Auch mir fielen Gruppen etwa 12-jähriger auf, die in der Stadt mit (besonders abgasexzessiven) Töfflis lärmig «Rundkurse» fahren. Ebenso wie die Rekordstaus – die ich sonntags auf der Südumfahrung Chur vor meinem Fenster erlebe – ein Indiz, dass diese Menschen aus Langeweile autofahren, denn, was sollen sie denn sonst tun?

  • am 9.01.2023 um 17:40 Uhr
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    Eigentlich sind Überschriften doch sinngemäss dazu da, kurz und prägnant zu schreiben um was es geht?
    So ist es mir schleierhaft warum man dann so eine Satzzusammenstellung wählt und das Gegenteil vom dem Titelt was passiert ist.
    Ähnlich dem Artikel über Fussgängerunfälle, wo es ja genauso gehandhabt wird.
    Steckt da System hinter, oder ist das wirklich nur Unaufmerksamkeit?

  • am 9.01.2023 um 18:23 Uhr
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    «Auto fährt in Velo: tot.» Titeleien sind tatsächlich anspruchsvoll. Das Zuger Beispiel könnte heissen: «Velofahrer bei Kollision durch Auto verletzt». Nicht nur Handzeichen, auch Präpositionen schaffen Klarheit.

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