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Männer informieren die Schweizer Medien über Massnahmen der Regierung. © srf

Im Corona-Beirat ist nur eine einzige Frau

Barbara Marti /  In der Öffentlichkeit dominieren in der Corona-Krise Männer, die sich von Männern beraten lassen. Frauen droht ein Rückfall.

Die Corona-Krise offenbart ein Bild, das Frauen Angst und Bange machen müsste. Im Fokus der Öffentlichkeit stehen Politiker, Ärzte, Virologen, Ökonomen und andere Fachmänner, die verordnen, einordnen und erklären. Auch Zivilschutz und Militär, die zum Einsatz kamen, sind männlich geprägt. In der Politik gibt es zwar auch Frauen, doch die Wortführer sind mehrheitlich Männer.

Männer beraten Männer
Auch die Berater der Entscheidungsträger sind hauptsächlich Männer. In der Schweiz berät die «Swiss National COVID-19 Science Task Force» die Regierung. Dieses wissenschaftliche Beratungsgremium besteht aus Expertengruppen und einem koordinierenden «Advisory Panel». Unter den 6 Mitgliedern dieses Beirates ist eine einzige Frau. Unter den 10 Vorsitzenden der Expertengruppen sind nur drei Frauen. In Deutschland hat die Nationale Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) Empfehlungen zur Wiederaufnahme des gesellschaftlichen Lebens nach der Corona-Krise gemacht. Es überrascht aus Frauensicht nicht wirklich, dass in diesem Beirat (nach unten scrollen) von 26 Experten nur zwei Frauen sind.

Fehlende Vielfalt
Der tiefe Frauenanteil der Leopoldina sorgte in Deutschland für Diskussionen. Bei der Zusammensetzung von Expertengruppen gehe es um Kompetenz und nicht um das Geschlecht, hiess es in sozialen Medien. Diese Argumentation kommt Frauen von der Quotendiskussion bekannt vor. Wie bei den Quoten geht es auch bei Corona tatsächlich nicht in erster Linie um das Geschlecht, aber um Vielfalt. Auch Wissenschaftler sind von ihrer Umgebung und Sozialisierung geprägt. Wenn die Mitglieder einer Expertengruppe mehrheitlich ähnliche Erfahrungen gemacht haben, besprechen sie auch eher Themen, die ihnen nahe liegen. Andere Themen bleiben aussen vor, weil innerhalb der Gruppe niemand auf sie aufmerksam macht. Das hat Folgen.

Rückfall in traditionelle Rollenbilder
Mehr Frauen in den Beratungsgremien hätten wahrscheinlich dazu geführt, dass die unbezahlte Arbeit, die mehrheitlich Frauen erledigen, in der Corona-Krise mehr Aufmerksamkeit erhalten hätte. Beispiel Kinderbetreuung: Experten und Politik scheinen davon auszugehen, dass irgend jemand die Kinder auf eigene Kosten betreut, wenn die Schulen geschlossen sind und die Grosseltern ausfallen. Mona Küppers, Vorsitzende des Dachverbandes Deutscher Frauenrat, sprach Klartext: Es sind vor allem erwerbstätige Mütter, die beruflich zurückstecken. Sie arbeiten meist bereits in Teilzeit und verdienen weniger. Küppers fordert deshalb mehr Notfallbetreuungsangebote für Kinder, insbesondere auch für Kinder von Alleinerziehenden. Und es brauche eine Lohnersatzleistung für diejenigen, die wegen der Schliessungen von Schulen (und in Deutschland auch der Kitas) Lohnausfälle in Kauf nehmen müssen. Sonst drohe ein Rückfall in die traditionellen Rollenbilder der fünfziger Jahre: «Indem sie Familien mit der Betreuungsfrage alleine lassen, hintertreiben die Verantwortlichen in der Corona-Krise alle Bemühungen der vergangenen Jahre zu besserer Vereinbarkeit von Familie mit Beruf und höherer Müttererwerbstätigkeit.»

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Die Autorin ist Redaktorin und Herausgeberin des Online-Magazins «FrauenSicht».

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3 Meinungen

  • am 10.05.2020 um 12:18 Uhr
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    Nun gut, es gibt ja Frauen, die aufgrund ihrer institutionellen Rolle in der Lage gewesen wären, Sichtweisen einzubringen, die – wie von Ihnen wohl zu recht moniert – einzubringen. Nur haben sie das nicht getan. Ich denke da ganz spontan an unsere Bundespräsidentin, von der mir nur zwei Dinge in Erinnerung blieben: Erstens der Spruch «Wir lassen Euch nicht allein», den gerade die Selbständigerwerbenden heute wie einen Hohn empfinden müssen. Und zweitens das Bäumchenpflanzen auf der Berner Allmend, von dem ich immer noch nicht begriffen habe, wie das zur Krisenbewältigung beitragen kann.

  • am 10.05.2020 um 13:21 Uhr
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    Das ist doch verständlich, Frau Marti. Die Frauen werden nun für die Pflege gebraucht. Die haben keine Zeit in Männer-Beiräten herumzusitzen und sich bestenfalls noch von Männern anstecken zu lassen. Ohne Satire und Sarkasmus geht nichts mehr bei Corona.

  • am 10.05.2020 um 13:24 Uhr
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    Info Sperber es wäre gut, die Leopoldina mal genauer zu untersuchen. Verbindungen, Absprachen, Agenden etc. In mehreren Artikel ist mir dieser dubiose Verein schon aufgefallen. Aber ich bin im Moment in meinen Recherchen wo anders und finde keine Zeit. Aber bitte gehen Sie diesem dubiosen Verein einmal nach – es geht auch nicht unbedingt um die Frauenfrage, sondern um politische Manipulation. Danke

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