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Papst Franzikus zu Gast bei Myanmars De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi © ARD/tagesschau.de

Moralische Schaumschlägerei

Peter G. Achten /  Papst Franziskus besuchte zu einem heiklen Zeitpunkt Myanmar und Bangladesh. Ein diplomatischer Drahtseilakt.

Es wären dem Papst bessere Berater zu wünschen. Im buddhistischen Myanmar, wo seit August über eine halbe Million muslimische Rohingya wegen militärischer Gewalt die Flucht ins benachbarte Bangladesh ergriffen, wären klare Worte nötig gewesen. Doch Klartext hätte die verschwindend kleine Minderheit von Christen in Gefahr gebracht. Der Papst beliess es dann mit moralischen Allgemeinplätzen und mied das in Burma verpönte R-Wort «Rohingya» wie der sprichwörtliche Teufel das Weihwasser.

Das verpönte R-Wort

Selbst der Erzbischof von Yangon, Kardinal Charles Maung Bo, riet dringend davon ab, das R-Wort in den Mund zu nehmen. Statt «Rohingya» sollte der Ausdruck «Muslime aus dem Bundesstaat Rakhine» verwendet werden. Kardinal Bo hält auch den «globalen Aufschrei» gegen Aung San Suu Kyi für verfehlt. Jene Suu Kyi notabene, die von einem «Eisberg von Falschinformationen» über die «Bengali» spricht und «Terroristen» für die Gewalt in Rakhine verantwortlich macht. Wahr daran ist nur, dass in einer Aktion am 25. August die militante Splittergruppe «Arakan Rohingya Salvation Army» eine Polizei- und Militärstation angriff und mehrere Soldaten und Polizisten tötete. Die Armee nahm das als Freipass für eine seit Jahrzehnten verfolgte Politik. Diesmal jedoch wollten die Militärs das Problem ein für allemal mit Mord, Totschlag, Brandschatzung und Vergewaltigungen lösen. Über 600’000 Rohingya flüchteten ins benachbarte Bangladesh. Die Uno spricht heute von «ethnischer Säuberung».

«Eindringlinge aus Bangladesh»

Aung San Suu Kyi freilich hat die 54-Millionen-Bevölkerung – weit über 90 Prozent sind Buddhisten – hinter sich. Buddhismus ist in Myanmar Staatsreligion. Seit es im Zuge demokratischer Reformen Presse- und Meinungsfreiheit gibt, hetzt ein Teil einflussreicher buddhistischer Mönche im Internet und in Medien auf übelste Weise gegen Muslime im Allgemeinen und die Rohingya im Besonderen.
Die Rohingya sind seit Generationen, zum Teil seit über 200 Jahren im Land. Die Burmesen, ja selbst die katholischen Bischöfe, bezeichnen sie dennoch als «Eindringlinge aus Bangladesh». Der buddhistische Chauvinismus mutiert zu einem ethnisch-religiösen Nationalismus. Auch Rassismus spielt eine nicht unwesentliche Rolle. Die dunkelhäutigen Rohingya werden in Myanmar nur als minderwertige «Bengali» wahrgenommen. Mit andern Worten: Würde die zur Realpolitikerin gereifte Aung San Suu Kyi das R-Wort benutzen, wären ihre Wahlchancen 2020 gleich null.

Für die Schwachen und Unterdrückten

Ungleich Suu Kyi, ist Papst Franziskus nicht Realpolitiker, sondern profiliert sich seit Jahren für die Schwachen und Unterdrückten mit dem moralischen Mantra von Aussöhnung, Dialog und Milderung der Not. Franziskus hat in den letzten Monaten wiederholt die Gewalt der burmesischen Militärs verurteilt und sich mit den Rohingya solidarisiert. Noch im August sprach sich der Papst, allerdings im heimischen Vatikan, explizit gegen die Verfolgung «unserer Rohingya-Brüder und Schwestern» aus und hat die Rohingya ins «Gebet eingeschlossen». Neben Gebeten wären jedoch den Flüchtlingen in Bangladesh auch einige Millionen Dollar aus dem steinreichen Vatikan wohl noch willkommener…
In Burmas Hauptstadt Naypyidaw salbaderte Franziskus mit schönen Worten: Wichtig sei es, die «Achtung der Rechte aller zu garantieren, welche das Land als ihr Zuhause ansehen». Im Gespräch mit buddhistischen Mönchen sagte er: «Die Zukunft Myanmars muss der Friede sein, ein Friede, der sich auf die Achtung der Würde und der Rechte eines jeden Mitgliedes der Gesellschaft gründet, auf die Achtung jeder ethnischen Gruppe und ihrer Identität.» Vor Hunderttausenden von Christen las Franziskus die Messe und vermied sorgfältig das R-Wort. Friede, Freude, Eierkuchen.

Von den Militärs vorgeführt

Franziskus wurde gleich bei der Ankunft in Myanmar regelrecht vorgeführt. Noch bevor er mit den burmesischen Bischöfen, den buddhistischen Mönchen oder mit der Staatsrätin und Aussenministerin Aung San Suu Kyi reden konnte, wurde er zu Armeechef Min Aung Hlaing zitiert. Damit wurde wieder einmal klar, wer in Myanmar trotz demokratischen Reformen immer noch an der Macht ist. Im Parlament nämlich haben die Militärs eine Sperrminorität zur Verhinderung jeglicher Verfassungsänderung. Zudem besetzen sie selbständig die Schlüsselministerien des Innern, des Grenzschutzes und der Verteidigung. Mit einem Federstrich könnten die Militärs jederzeit die demokratischen Reformen für null und nichtig erklären. Dem Papst sagte der General, einst enger Vertrauter von Langzeit-Diktator Than Shwe, in Burma gebe es «keine ethnische und religiöse Diskriminierung». «Terroristen», so der General, seien für die Situation in dem an Bangladesh angrenzenden Bundesstaat verantwortlich. Ob der Papst geantwortet, betreten geschwiegen oder gar gebetet hat, ist nicht überliefert.

Interessenpolitik Chinas

Nach Burma besuchte der Pontifex Maximus das muslimische Bangladesh, ein Land, wo es mit 0,25 Prozent der Bevölkerung noch weniger Christen als im östlichen Nachbarland gibt. Auch in Dhaka vermied der Papst anfänglich das R-Wort. Er sprach vielmehr von «Flüchtlingen, die in Massen aus dem burmesischen Bundesstaat Rakhine» gekommen seien, und forderte zu «entscheidenden Massnahmen» in der Flüchtlingskrise auf.
Der Vatikan freilich hat ausser Worten noch wenig zur Lösung des Problems beigetragen. Das erledigt China mit besten Beziehungen sowohl zu Myanmar als auch zu Bangladesh. Kein Wunder, denn China hat mit Öl- und Erdgas-Pipelines sowie dem Ausbau des Tiefseehafens Kyaukphyu im Rhakine-Bundesstaat handfeste Interessen. Kurz nach dem Papstbesuch reiste nicht von ungefähr Aussenministerin und Staatsrätin Aung San Suu Kyi nach Peking. Zwischen Bangladesh und Myanmar gibt es unterdessen ein «Memorandum of Understanding» zur Rückführung der derzeit in desolaten Lagern hausenden 800’000 Rohingya-Flüchtlinge nach Myanmar. China vermittelt. Es werden komplizierte und lange Gespräche.

«Nicht wegschauen»

In Bangladesh äusserte sich der Erzbischof von Chittagong – in dessen Provinz auch das berüchtigte Flüchtlingslager bei Cox’s Bazar liegt – vor dem Papstbesuch hoffnungsvoll: «Ich weiss, dass er nicht ohne ein Wort wieder gehen kann.» Bei einem interreligiösen Friedenstreffen ganz am Schluss des Pastoralbesuches in Dhaka und in Anwesenheit von Rohingya-Flüchtlingen nahm der Papst dann doch noch das R-Wort in den Mund: «Die Anwesenheit Gottes heisst heute auch Rohingya. Wir werden sie weiterhin im Bemühen unterstützen, dass ihre Rechte anerkannt werden. Wir werden unsere Herzen nicht verschliessen und nicht wegschauen.»

In Asien eine Randfigur

Im Westen jedoch sollte man sich nichts vormachen. Der Papst ist in Asien eine Randfigur, was durch den eurozentrischen Blickwinkel der meisten westlichen Experten und Medien-Korrespondenten schnell vergessen geht. Eine moralische Autorität ist Franziskus nach seinem Myanmar-Besuch gewiss auch nicht mehr. Zudem: Dass neben Islam und Christentum auch der Buddhismus eine gewalttätige Seite aufweist, wird viele im Westen überraschen, aber der buddhistische Chauvinismus und Rassismus in Myanmar, aber auch in Sri Lanka sollte jenseits aller Schwärmereien wahrgenommen werden.


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2 Meinungen

  • am 4.12.2017 um 16:28 Uhr
    Permalink

    Kontext nicht übergehen
    Die Massenvertreibung war (gezielt?) provoziert worden durch Ermordung von burmesischen SIcherheitskräften, die unwidersprochenermassen Rohinghyas zugeschrieben wurden; in Myanmar werden auch andere Minderheiten seit Jahrzehnten von der Armee gewaltsam unterdrückt, besonders stark und anhaltend die christlichen Karen. – Ob die offene Benennung der Rohingyas diesen mehr genützt hätte, wagt der Aufsatz zu Recht nicht zu behaupten.
    Das Herkunftsland Bangla Desh -mit Islam als Staatsreligion und Religion der Rohingyas- unterdrückt systematisch mit gewaltsamen Mitteln die religiösen und weltanschaulichen Minderheiten wie Hindus, Buddhisten, Christen, Atheisten, seit Jahrzehnten (siehe z.B. International Religious Freedom Report 2016). Das gilt besonders für die an Myanmar angrenzenden Chittagong Hill Tracts; dort haben aufeinanderfolgende Zentralregierungen die Einheimischen, unter denen Buddhisten, Hindus und andere Religionen überdurchschnittlich vertreten sind und waren, durch forcierte Besiedlung mit Muslimen aus dem Flachland minorisiert (sh. A. Fischer, Keine Erfolgsgeschichte/Die CHT 7 Jahre nach dem Friedensabkommen, 2004). – Das Medieninteresse fokussiert auf die gerade aktuellen massenhaften Menschenrechtsverletzungen und unterlässt jede Thematisierung anderer dortiger massenhafter Menschenrechtsverletzungen. Wer die illegale Einwanderung der sog. Rohingyas on Burma nicht problematisiert, rechtfertigt die Umbesiedlung Palästinas.

  • am 4.12.2017 um 16:28 Uhr
    Permalink

    Kontext nicht übergehen
    Die Massenvertreibung war (gezielt?) provoziert worden durch Ermordung von burmesischen SIcherheitskräften, die unwidersprochenermassen Rohinghyas zugeschrieben wurden; in Myanmar werden auch andere Minderheiten seit Jahrzehnten von der Armee gewaltsam unterdrückt, besonders stark und anhaltend die christlichen Karen. – Ob die offene Benennung der Rohingyas diesen mehr genützt hätte, wagt der Aufsatz zu Recht nicht zu behaupten.
    Das Herkunftsland Bangla Desh -mit Islam als Staatsreligion und Religion der Rohingyas- unterdrückt systematisch mit gewaltsamen Mitteln die religiösen und weltanschaulichen Minderheiten wie Hindus, Buddhisten, Christen, Atheisten, seit Jahrzehnten (siehe z.B. International Religious Freedom Report 2016). Das gilt besonders für die an Myanmar angrenzenden Chittagong Hill Tracts; dort haben aufeinanderfolgende Zentralregierungen die Einheimischen, unter denen Buddhisten, Hindus und andere Religionen überdurchschnittlich vertreten sind und waren, durch forcierte Besiedlung mit Muslimen aus dem Flachland minorisiert (sh. A. Fischer, Keine Erfolgsgeschichte/Die CHT 7 Jahre nach dem Friedensabkommen, 2004). – Das Medieninteresse fokussiert auf die gerade aktuellen massenhaften Menschenrechtsverletzungen und unterlässt jede Thematisierung anderer dortiger massenhafter Menschenrechtsverletzungen. Wer die illegale Einwanderung der sog. Rohingyas on Burma nicht problematisiert, rechtfertigt die Umbesiedlung Palästinas.

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