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Für billigen Sprit in die Schweiz fahren – seit dem Frankenschock bleiben Tanktouristen aus © cc

Wie Tanktourismus die Treibstoffbilanz verfälscht

Hanspeter Guggenbühl /  Der starke Franken stoppte den Tanktourismus. Folge: Der Treibstoffabsatz sank, obwohl der Verbrauch im Inland zugenommen hat.

Letztes Jahr habe der Verbrauch von Benzin plus Dieseltreibstoff in der Schweiz abgenommen, nämlich um 3,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr und um 7,0 Prozent gegenüber dem Rekordwert im Jahr 2008. Dieses Resultat wird die Schweizer Gesamtenergie-Statistik fürs Jahr 2015 ausweisen, die im Sommer publiziert wird. Das könnte bei Klimaschützern Freude auslösen.
Absatz sank, Verbrauch stieg
Dieses Resultat hat nur einen Haken: Es ist falsch. Denn abgenommen hat seit 2008 nur der Absatz an den Schweizer Tankstellen, den die Energiestatistik der Einfachheit halber dem Verbrauch gleichsetzt. Diese Vereinfachung in der Statistik vernachlässigt jedoch den Einfluss des Tanktourismus. Klammert man den grenznahen Tanktourismus aus, resultierte im Jahr 2015 eine weitere Zunahme des inländischen Benzin- und Diesel-Verbrauchs (siehe Grafik).

Trotz sinkendem Treibstoffabsatz nahm der Verbrauch im Inland zu. Grafik: St. Galler Tagblatt

Das lässt sich aus einer gestern veröffentlichten Studie der Erdölvereinigung schliessen.
Diese Studie zeigt: Im Jahr 2008 tankten ausländische Konsumenten in der Schweiz 475 Millionen Liter Benzin sowie 75 Millionen Liter Diesel, die sie dann im Ausland in CO2 umwandelten. Grund: Sowohl Benzin als auch Dieseltreibstoff waren damals in der Schweiz deutlich billiger, weil der Euro 2008 noch 1.60 Franken wert war. Der Wertverlust des Euros bis 2014 auf 1.20 und 2015 auf weniger als 1.10 Franken stoppten den Einkaufstourismus beim Benzin nahezu und drehten ihn beim Dieseltreibstoff.
Diese Umkehr, so ermittelte die Erdölvereinigung, verminderte 2015 den Absatz von Benzin und Diesel zusammen in der Schweiz um 625 Millionen Liter gegenüber dem Jahr 2008. Dieser Rückgang entspricht einem Anteil von annähernd 9 Prozent am gesamten Absatz im Jahr 2008 (6800 Mio. Liter Benzin plus Diesel). Der Einfluss des Tanktourismus war somit grösser als der Rückgang des inländischen Absatzes (minus 7 Prozent). Das heisst: Unter dem Strich ist der inländische Verbrauch von Benzin plus Dieseltreibstoff 2015 sowohl gegenüber dem Vorjahr als auch gegenüber dem Jahr 2008 nicht gesunken, sondern weiter gestiegen. Ebenfalls zugenommen hat damit – entgegen der offiziellen Statistik – der CO2-Ausstoss aus den im Inland verbrannten Treibstoffen.
Weniger Treibstoffsteuern
Die Umkehr des Tanktourismus wirkte sich auch finanziell aus. Der Umsatz der Schweizer Treibstoffverkäufer im Jahr 2015 sank gegenüber 2008 um rund eine Milliarde Franken; dies zusätzlich zum Preisrückgang bei allen Erdölprodukten. Die Treibstoffsteuern, die ausländische Tanktouristen in die Schweizer Bundeskasse spülten, verminderten sich gegenüber 2008 um annähernd eine halbe Milliarde Franken. Von diesem Absatz- und Umsatz-Rückgang entfielen rund 40 Prozent allein auf die Periode seit Januar 2015, als die Nationalbank die Stützung des Euros aufgab und damit den Franken zusätzlich stärkte.


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2 Meinungen

  • am 24.03.2016 um 07:38 Uhr
    Permalink

    So kann dann Herr Burgener weiter behaupten, dass die CO2-Belastung durch den motorisierten Individualverkehr laufend am Abnehmen ist. Wenn die grundlegenden Zahlen ja offensichtlich bekannt sind, ist es nicht einleuchtend, dass die offizielle Statistik dies nicht mit berücksichtigt.
    Aber wir wollen das ja lieber gar nicht wissen. Die Neuwagenverkäufe sind ja ohnehin SUV-lastig, und die Prospekt-Verbrauchswerte sind weit von den tatsächlichen Verbrauchszahlen entfernt (siehe spritmonitor.de) – der Abgas-Skandal ist da wohl fast nur noch ein Nebenschauplatz.

  • am 28.03.2016 um 14:30 Uhr
    Permalink

    Zu wenig Beachtung fand im Artikel der Preis für Diesel in Deutschland. Wenn man zur richtigen Zeit ( ersichtlich auf verbrauchsrechner.de ) in Deutschland tanken geht kann man ca. 20 Rappen pro Liter sparen.

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