US-Ölproduktion.AA

Die USA steigerten ihre Öl-Förderung in den letzten zehn Jahren um mehr als das Doppelte. © AA

Die Schweiz importiert bald die Hälfte des Rohöls aus den USA

Josef Hunkeler /  Noch vor zwanzig Jahren kam über die Hälfte des Rohöls aus Nordafrika. Heute stammt fast alles Rohöl aus den USA und aus Nigeria.

Red. Autor Josef Hunkeler, der auch beim «International Trade Center (Gatt/Unctad)» für die Rationalisierung der Handelsflüsse arbeitete, fasst die Abhängigkeit der Schweiz von Energieimporten in Grafiken und Text zusammen.

Insgesamt importiert die Schweiz im laufenden Jahr rund drei Millionen Tonnen Rohöl in die Schweiz, je etwa 45 Prozent davon aus den USA und aus Nigeria, den kleinen Rest aus Nordafrika. Von 2001 bis 2009 hatte die Schweiz noch mehr als die Hälfte des Rohöls aus Nordafrika, namentlich aus Algerien bezogen. Zwischen 2007 und 2019 hatte die Schweiz auch noch 20 bis 30 Prozent des Rohöls aus Kasachstan importiert.

Importe aus den USA erreichten 2016 einen ersten Spitzenwert von 17 Prozent, nahmen aber seit 2018 stark zu, was wohl mit dem US-Angebot an Fracking-Öl zu tun hat. 

Importe von Rohöl in Tonnen seit 2001, aufgeteilt nach Herkunftsländern:

Importe von Rohöl von 2001 bis 2022
Importe von Rohöl seit 2001, aufgeteilt nach Herkunftsländern.

Jüngste Importe von Rohöl der Schweiz in CHF monatlich von Ende Dezember 2018 bis Juni 2022:

Erdöl Importe CHF x
Rohöl-Importe in die Schweiz in Franken: Monatliche Zahlen von Ende 2018 bis Juni 2022

Rohöl macht zwar 2022 mengenmässig nur 25 Prozent der Importe fossiler Energieträger aus. Trotzdem zeigt diese Neuordnung der Importquellen neue Abhängigkeiten.

Benzin, Kerosin, Heizöl

Die raffinierten Produkte wie Benzin, Kerosin und Heizöl machen aber immer noch 40 Prozent der Importe fossiler Brennstoffe aus. Im laufenden Jahr werden es etwa fünf Millionen Tonnen sein. Über 80 Prozent all dieser Produkte kommen gegenwärtig aus Deutschland. 

Mittlerweile haben auch Erdgasimporte die Marke von 30 Prozent erreicht. 

Importe von raffinierten Erdölprodukten

Erdöl und Erdölprodukte Tonnen x
Import von Erdölprodukten wie Benzin, Kerosen und Heizöl in Tonnen. Monatszahlen von Dezember 2018 bis Juni 2022.

Import und Export von Strom

Elektrizität exportiert die Schweiz während eines ganzen Jahres ziemlich gleich viel wie das Land Strom importiert. Allerdings fallen die Importe vor allem im Winter an, die Exporte dagegen im Sommer.

Stromimporte (rot) und Stromexporte (blau). Monatliche Zahlen in Megawattstunden von Dezember 2018 bis Juni 2022:

Strom Exporte Importe MWh x
Strom-Exporte (blau) und Strom-Importe (rot) in Megawattstunden. Monatliche Zahlen von Dezember 2018 bis Juni 2022.

Mengenmässig hat sich in den letzten sieben Jahren weder bei den Stromimporten noch bei den Importen von Rohöl und Benzin und Heizöl viel verändert. Nur die Preise sind schon seit ab Mitte 2020 bei den fossilen Energieträgern stark und beim Strom sehr stark gestiegen – also schon vor dem Krieg in der Ukraine.

Kosten der Stromimporte und Einnahmen aus Stromexporten von 2014 bis 2022

Strom Exporte Importe CHF x
Strom-Exporte (blau) und Strom-Importe (rot) in Franken. Monatliche Zahlen von Dezember 2018 bis Juni 2022.


Aufgezeigte Trends

Diese und die anderen Grafiken und Zahlen (im Arbeitspapier LINK) können wie folgt interpretiert werden:

Die Schweiz hat in den letzten Jahren im Trend immer weniger Rohöl und raffinierte Öl-Produkte importiert. Die Importe von Strom blieben in etwa konstant.

Der starke Anstieg der Strompreise seit Anfang 2021 hat mindestens in der Anfangsphase nichts mit dem Krieg in der Ukraine und den Sanktionen zu tun. 

Im (hier nicht dargestellten) Gasmarkt kam es zu einem ersten Preissprung von über hundert Prozent bereits im April 2021. Im Januar 2022, also noch vor dem Krieg in der Ukraine, erreichte die Preisentwicklung im Jahresvergleich mit +754 Prozent eine erste Spitze. Im März 2022 wurde die Marke von 1000 Prozent überschritten.

Auch die Preise der raffinierten Erdölprodukte stiegen bereits im April 2021 auf über 80 Prozent, also ebenfalls einiges vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine. 

Folge auch der allgemeinen Deglobalisieriung

Die Entwicklung auf dem Energiemarkt ist vor dem Hintergrund der allgemeinen Deglobalisierung zu sehen. Der Brexit, der US-Wirtschaftskrieg gegen China oder der neue eiserne Vorhang in Europa gegen Russland führten in den letzten Jahren alle zu einer Deglobalisierung. Auch die Politik des «me-first», welche auch innerhalb Europas in der Covid-Krise neue Grenzen und Handelshemmnisse schaffte, zeigt eine gewisse Rückbesinnung auf lokale oder regionale «Souveränität», beziehungsweise auf eine Abkoppelung von der internationalen Arbeitsteilung und internationalen Spezialisierung, welche die Effizienz fördern sollte.

Daraus ergeben sich Wohlfahrtsängste, die sich auf die Energie- und Nahrungsmittelpreise auswirkten, was wiederum weitere Ängste schürt. Die Notenbanken schufen seit über zehn Jahren mit ihrer extrem expansiven Geldpolitik ein Inflationspotential, das sich bereits gefährlich entwickelt. Die Wirtschaftszahlen erlauben wenig Optimismus. 

Die geopolitische Konfrontation in der Ukraine artet zu einem Stellvertreterkrieg aus, der die Wirtschaftslage in vielen Ländern verschlimmert, was zu einer politischen Radikalisierung zu führen droht.

Von den diversen Krisen profitieren grosse Energiekonzerne als Trittbrettfahrer und können ihre Gewinne massiv erhöhen. Der massive Liquiditätsüberhang, beziehungsweise die massive Geldschwemme, welche Draghi und Powell als Notenbanker geschaffen haben,  beschert diesen und einigen anderen Konzernen vermehrte «Absahnemöglichkeiten». 

Die Entwicklung würde sich gefährlich zuspitzen, falls die unweigerlich kommenden weiteren Zinserhöhungen zusätzlich noch eine weltweite Immobilienkrise provozieren sollten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

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6 Meinungen

  • am 30.09.2022 um 06:27 Uhr
    Permalink

    Danke Josef Hunkeler für die aufschlussreichen Zahlen.
    Sie passen sehr gut ins Bild.
    Was machen wir nun damit?
    Mir gefallen diese Tendenzen gar nicht.

    Zu Herrn Binder: Die Amis sind in Wirklichkeit nicht demokratisch!

    • am 30.09.2022 um 20:15 Uhr
      Permalink

      aber der us staat verfolgt weder schwule noch lesben oder macht weder kleider oder glaubensvorschriften.

  • am 30.09.2022 um 07:15 Uhr
    Permalink

    Danke für den Artikel. Ich vermisse Erklärungen zu den auf den Grafen aufgezeigten Entwicklungen: weshalb ist das so?

    Schönen Gruss!

  • am 1.10.2022 um 09:13 Uhr
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    Die USA ist aufgrund seiner exzessiven Sanktionspolitik KEIN zuverlässiger Handelspartner. Die müssen der Regierung nur glaubhaft machen «Wenn Ihr nicht spurt, drehen wir Euch den Ölhahn ab.»

    Da ist das ebenfalls böse Russland ein viel zuverlässigerer Handelspartner, welcher auch bei erheblichen Differenzen seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommt.

    – Wer hat völkerrechtswidrig den Konkurrenten, den libyschen Öliferanten weggebombt?
    – Wer hat völkerrechtswidrig syrische Ölfelder annektiert und verkauft uns dieses Öl?

    • am 1.10.2022 um 23:47 Uhr
      Permalink

      wer hat völkerrechtswidrig in Europa ein land angegriffen ?

  • am 1.10.2022 um 21:13 Uhr
    Permalink

    Aufschlussreicher Artikel, gute Grafiken – danke Josef Hunkeler.
    «Heute stammt fast alles Rohöl aus den USA und aus Nigeria.» Nicht gut, gar nicht gut! Fracking da, Menschenrechte dort…

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