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Teheran ist eine Weltstadt, seine Einwohner sind Weltbürger © Irania

Trumpetenstösse Richtung Iran

Erich Gysling /  Während die Bürger der USA und Irans normal miteinander verkehren, wird auf oberster Ebene erneut zum Krieg geblasen.

Geht es zurück auf Feld eins oder Punkt Null im Schlagabtausch zwischen den USA und Iran – nach eineinhalb Jahren Entspannung nach dem so genannten Atomdeal, der Iran den Weg zu einer Atombombe blockieren und, im Gegenzug, zur Aufhebung der Sanktionen gegen Teheran führen sollte? Es steht zu befürchten.
Die Trump-Administration (also nicht nur der twitternde und irrlichternde Präsident selbst, sondern auch Verteidigungsminister James Mattis und Sicherheitsberater Michael Flynn) schiesst sich förmlich auf ein Feindbild Iran ein. Iran sei der «grösste staatliche Sponsor von weltweitem Terrorismus», sagte Mattis. Und schon gibt es neue US-Sanktionen gegen iranische Personen und Institutionen. Und Drohungen aus Teheran, im Gegenzug Sanktionen gegen einzelne US-Persönlichkeiten und Organisationen zu verhängen (was man in den USA wohl nicht ernst nehmen wird). Die iranischen Revolutionsgarden ihrerseits setzen die Führung des Landes unter Druck und kündigen weitere Tests von Raketen verschiedener Reichweite an – immer mit dem Hinweis, dass man deswegen Iran keine Verletzung der im Atomdeal eingegangenen Verpflichtungen vorhalten könne, denn es gehe bei diesen Tests nur um die Verbesserung der Verteidigung. Und da Iran keine atomaren Sprengköpfe besitze, könne man die Tests auch nicht als Verstoss gegen eine UNO-Resolution werten.
Wer die unangenehmen Säbelrassel-Töne beider Seiten gelassen zur Kenntnis nehmen kann, urteilt vielleicht: Trump will / muss seinen Groupies beweisen, dass er all das, was er während des Wahlkampfs getwittert oder gesagt hat, ernst meint. Also: Schluss mit dem Iran-Deal. Auch aufgrund der Allianz mit Israel.

Die Aussichten sind nicht gut

Wohin aber kann das führen? Zur Stornierung des Vertrags zwischen Iran und Boeing etwa (rund hundert Flugzeuge betreffend) oder zur Unterwanderung des Vertrags der Iraner mit Airbus (114 Maschinen, in denen so viel US-Hochtechnologie steckt, dass die USA sich von einem Export der Zivilflugzeuge nach Iran «betroffen» fühlen könnten)? Zur Sabotage (ja, so klar muss man das sagen) von finanziellen Transaktionen zwischen Europa und Iran auch dann, wenn die allfälligen Überweisungen nichts mit iranischen Atom-Reaktoren oder Raketen zu tun haben? Beispielsweise Bestandteile für den Renault-206 (meistgefahrenes Auto in Iran) betreffend? Das alles ist möglich – die Aussichten für die Normalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Westen und Iran sind, das muss man aus den «Trumpetenstössen» aus Washington herauslesen, nicht gut.
Die US-«Normalos», die Donald Trump im November gewählt haben, bekümmert all das wenig oder gar nicht. Für sie ist Iran eine Negativ-Chiffre, nicht der Rede wert, genauer zur Kenntnis genommen zu werden. Für die Normalo-Iraner ist’s anders. Man muss sich die Grosswetterlage dazu zunächst einmal etwas schematisch vorstellen:
Das von konservativen Geistlichen und nationalistisch denkenden Revolutionswächtern (die bilden ja nach wie vor eine eigene Macht innerhalb des Staats) dominierte Regime predigt der 78-Millionen-Bevölkerung: Amerika ist der «Grosse Satan». Das steht in Teheran an den Wänden von Hochhäusern zu lesen, das Gleiche liest man bisweilen in den Zeitungen, und das seit 1979, bisweilen mehr, bisweilen weniger. Aber zumindest an der urbanisierten Bevölkerung des Landes scheint das abgeprallt zu sein wie Wassertropfen auf einer glatten Oberfläche.
Klar, wer gebildet ist, die englische Sprache kann und US-Satelliten-TV sieht (offiziell sind die Satelliten-Schüsseln verboten, aber fast jedes Haus, fast jeder Haushalt nutzt sie trotzdem), beurteilt die USA differenziert. Man erkennt eine Weltpolizei-Rolle, die, aus iranischer Perspektive, sehr widersprüchlich erscheint. Prima, rufen Viele aus, dass die USA das Saddam Hussein-Regime im Feindesnachbarland Irak zur Strecke gebracht haben! Unverzeihlich, sagen die Gleichen, dass die USA sich immer noch (wenn auch nicht mehr so bedingungslos wie früher) mit dem saudischen Königshaus alliieren. Die Allianz der USA mit Israel erscheint, aus iranischer «mainstream»-Perspektive, etwas eigenartig, aber nicht total unverständlich. Das Regime tut ja so, als sei es jederzeit solidarisch mit den Palästinensern und betrachte Israel (konkreter «die Zionisten») als Feind, aber die entsprechende Propaganda findet in der Öffentlichkeit Irans nur wenig Echo.
Viel wichtiger für insgesamt Millionen von Iranerinnen und Iranern ist: Können sie, können ihre Söhne oder Töchter in den USA studieren? 12’269 waren es im Jahr 2016. Können sie weiterhin ihre nach der islamischen Revolution in die USA emigrierten Verwandten besuchen? Etwa 70’000 waren das letztes Jahr. Das heisst: im Alltag gab es eine Normalität, welche weder von den Medien noch von der Politik zur Kenntnis genommen wurde.

Die Nähe ist gefährdet

Man kann das Ganze auch anders zusammenfassen: die beiden auf oberer Ebene verfeindeten Staaten sind sich auf der Alltags-Ebene recht nahe. Aber diese Nähe ist gefährdet.
Damit zurück auf die «hohe» Ebene, jene der Führungen in den beiden Staaten. Trump liess, wie erwähnt, seine Mitarbeiter sagen, Iran sei ein «Gefährder». Was ist damit gemeint? Ja, Iran unterstützt in Libanon Hizballah und in Syrien den Diktator al-Assad (nur: mehr und mehr westeuropäische Regierungen vertreten auch schon die Meinung, Syrien sei, in allem Elend, immer noch besser dran mit Assad als mit einer islamistischen Alternative). Iran leistet auch den Huthi-Rebellen in Jemen (begrenzte) Unterstützung. Viel mehr kann man dem Regime in Teheran nicht vorwerfen. Förderung von Terror? Iran bekämpft in Irak, teils auch in Syrien, die IS-Terroristen, setzt seine Milizen auch gegen al-Qaida etc. ein. Sicher auch aus eigennützigen Überlegungen, das gilt auch für die Solidarität Irans mit der schiitischen Mehrheitsbevölkerung in Bahrain (gegen deren sunnitische Obrigkeit). Aber kann man aufgrund dieser Strategie den Iranern wirklich staatliche Förderung von Terrorismus unterstellen? Aus Teheran gesteuerte Terrorakte, im Ausland, gab es zum letzten Mal in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre, vor dem Amtsantritt von Mohammed Khatami als Staatspräsident. Und was den 2015 ausgehandelten Atomdeal betrifft, hält Iran sich offenkundig an den Vertragstext (eine geringfügige Überschreitung der erlaubten Menge Plutonium, 130 Tonnen, wurde nach der Ermahnung durch die IAEA wieder reduziert).
Die Vernunft sollte es der US-Administration gebieten, gegenüber Iran die eben aufgebaute Drohkulisse wieder abzubauen. Die Chancen, dass das geschieht, sind jedoch miserabel. Steve Bannon, Einflüsterer des Präsidenten, hat schliesslich im Sommer 2014 gesagt: «Wir werden in den kommenden Jahren einen neuen, grossen Krieg im Nahen Osten bekommen und gegen China Krieg führen müssen.» Wo ein Wille ist, ist leider oft auch ein Weg.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Erich Gysling ist Chefredaktor der Weltrundschau und war 2001-2014 Präsident des Schweizer Forum Ost-West. Beim Schweizer Fernsehen leitete Gysling nacheinander die Sendungen Tagesschau und Rundschau.

Zum Infosperber-Dossier:

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US-Politik unter Donald Trump

Weichenstellungen: An seinen Entscheiden ist Trump zu messen, nicht an seinen widersprüchlichen Aussagen.

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