Ali Laridschani

Ehemaliger Kulturminister, Parlamentspräsident und Berater des ultrakonservativen Religionsführers Ayatollah Chamenei: Für den Wächterrat ist Ali Laridschani nicht konservativ genug. © cc-by-sa-4 Mostafa Meraji

Das grundsatztreue Chamäleon

Andreas Zumach /  Ali Laridschani gehörte zu den Spitzenkandidaten der iranischen Präsidentschaftswahlen – bis er ausgeschlossen wurde.

542 Männer und 50 Frauen wollten bei den iranischen Präsidentschaftswahlen am 18. Juni antreten. Ihr Ausgang dürfte grosse Bedeutung haben für die weitere Entwicklung in dem krisengeschüttelten Land und für die Überlebenschancen des Abkommens über Teherans Nuklearprogramm. Doch 585 Bewerber:innen schloss der vom obersten Religionsführer Ayatollah Chamenei kontrollierte zwölfköpfige Wächterrat am Montagabend aus. Darunter zur Überraschung vieler Beobachter auch den ehemaligen Parlamentspräsidenten Ali Laridschani – einen der drei Kandidaten, denen zuvor die grössten Chancen auf einen Wahlsieg eingeräumt wurde.

Seine Bezeichnung als «moderat-Konservativer» zeigt, wie sehr sich die Massstäbe zur Beurteilung iranischer Politiker:innen seit der Revolution von 1979 verschoben haben. Der 1958 als Sohn des Grossayatollahs Haschem-Amoli geborene Laridschani begann seine Karriere 1981 – ein Jahr nach Beginn des iranisch-irakischen Krieges – als Leiter der aussenpolitischen Redaktion des staatlichen Fernsehens. Zudem wurde er Stellvertreter des Stabschefs der Pasdaran, der Revolutionsgardisten. Nach seiner Promotion als Dr. phil an der Universität Teheran heiratete Laridschani die Tochter von Ajatollah Morteza Motahhari, des Vordenkers der islamischen Revolution und Republik.

In der ersten Amtsperiode von Präsident Ali Rafsandschani (1989-1997) diente Laridschani als Kulturminister. Von 1994 bis 2004 leitete er die staatliche Rundfunkanstalt IRIB und war auch Mitglied der iranischen Revolutionsgarde. Laridschani galt als Gegner der Reformpolitik des damaligen Präsidenten Mohammad Chātami (1997-2005). In seiner Zeit als Fernsehchef habe er nur konservative Stimmen zu Wort kommen lassen, kritisierten iranische Reformpolitiker. Bei der Präsidentenwahl im Juni 2005 erhielt Laridschani als Kandidat der Konservativen nur knapp sechs Prozent der Stimmen. Unter Wahlsieger Ahmadinedschad (2005-2013) fungierte Laridschani zwei Jahre als Chefunterhändler bei den schliesslich gescheiterten Atomverhandlungen mit der EU. Von 2008 bis 2020 war er Parlamentsvorsitzender.

Derzeit dient der 63-Jährige dem ultrakonservativen Religionsführer Ayatollah Chamenei als Berater und ist zugleich ein enger Vertrauter des als moderat geltenden Präsidenten Hassan Ruhani. Er gilt als Befürworter des Nuklearabkommens. Sich selbst bezeichnet Laridschani gerne als «Usugara», als «Grundsatztreuen». Doch das reichte dem Wächterrat nicht aus. Neben Laridschani schloss der Rat auch den ebenfalls aussichtsreichen, als moderat geltenden Vizepräsidenten Eshagh Dschahangiri von der Wahl aus.

Als Kandidaten zugelassen wurden lediglich sieben Männer aus dem erzkonservativen Lager, die sich durch Gegnerschaft zum amtierenden Präsident Ruhani und zu dem Nuklearabkommen profiliert haben. Als aussichtsreichster unter ihnen gilt Justizchef Ebrahim Raeissi, einer der vier Hauptverantwortlichen für die Massenhinrichtung politischer Häftlinge im Jahr 1988. Wegen der Befürchtung, dass diese Kandidatenauswahl am 18. Juni zu einem Wahlboykott in grossem Ausmass führen und damit die Wahlen vollends zur Farce machen würde, könnte Ayatollah Chamenei die Entscheidung des Wächterrates allerdings noch korrigieren und zumindest Laridschani doch noch zulassen.


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