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Philipp Hildebrand: Streit nach seinem erzwungenen Rücktritt als Nationalbankpräsident © WorldRadioCH

Fall Hildebrand: Parlament und Bundesrat im Krach

Niklaus Ramseyer /  Die Geschäftsprüfungskommissionen rügen Micheline Calmy-Rey (SP). Dabei hatte die Genferin die Krise sofort richtig eingeschätzt.

Soeben haben die Geschäftsprüfungskommissionen (GPKs) des National- und des Ständerates ihren Bericht publiziert zur SNB-Spekulationsaffäre von Ende 2011, die dann zum Rücktritt des damaligen Nationalbankpräsidenten Philipp Hildebrand führte. Doch die GPKs kritisieren in diesem Papier nicht etwa den damals schwach agierenden SNB-Bankrat oder die Bundespräsidentin 2012, Eveline Widmer-Schlumpf, die Hildebrand bis zu dessen unvermeidlichem Rücktritt gestützt hatte. Harsch kritisiert wird im Bericht vielmehr der Bundesrat von Ende 2011 – und ganz besonders dessen damalige Präsidentin, Micheline Calmy-Rey (SP).

GPK: «Bundesrat hätte nichts tun dürfen»
Konkret richten die Parlamentarier der GPKs folgende Vorwürfe an Calmy-Rey und den damaligen Bundesrat:

  1. Die Landesregierung hätte den fundierten Verdacht, dass SNB-Präsident Philipp Hildebrand und vor allem seine Frau Kysha, eine Amerikanerin, ihre Insiderwissen nutzten, um mit Devisen zu spekulieren im Dezember 2011 gar nicht selber verifizieren dürfen. Dazu wäre der Bankrat der SNB zuständig gewesen.
  2. Bundespräsidentin Calmy-Rey habe insbesondere keine Rechtsgrundlage gehabt, um Hildebrand am 15. Dezember 2011 vor einen Bundesrats-Ausschuss mit Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, Justizministerin Simonetta Sommaruga und ihr selber zu zitieren.
  3. Der Bundesrat hätte zwei hohe Funktionäre der Finanzkontrolle nicht mit einer Untersuchung der Verdachtsmomente gegen Hildebrand beauftragen dürfen.

Calmy-Rey nahm die Sache zurecht ernst
Kurzum: Der Bundesrat hätte in der Affäre Hildebrand gar nichts unternehmen dürfen, meint die GPK. Dabei hatte gerade Calmy-Rey die gefährliche Situation für die Schweiz sehr schnell richtig eingeschätzt. Sie hatte dabei insbesondere berücksichtigt, dass der SNB-Präsident das Land in internationalen Finanzgremien vertreten muss. Ein SNB-Präsident, der hintenherum mit Insiderwissen am Devisenmarkt spekuliert – und fette Gewinne macht, ist ein hohes Risiko.

Das hatte auch SVP-Nationalrat Christoph Blocher so eingeschätzt, als ihm Anfang Dezember 2011 Unterlagen zugespielt wurden, welche die Spekulationen der Hildebrands belegten. Er hatte daraufhin während der Dezember-Session 2011 in aller Diskretion Bundespräsidentin Calmy-Rey darüber informiert. Diese leitete die nötigen Abklärungen zur Überprüfung dieses Verdachts ein. Doch Hildebrand schob alles auf seine Frau Kysha ab – er habe von deren Devisengeschäften nichts gewusst, behauptete er. Und sowohl der SNB-Bankrat wie auch die Finanzkontrolleure des Bundes stellten ihm einen Persilschein aus.

Belastendes Mail verheimlicht
Doch Hildebrand freute sich zu früh: Er hatte nämlich ein E-mail seines Finanzberaters bei der Bank Sarasin verheimlicht, das sein Einverständnis mit den Devisenspekulationen seiner Frau belegt. «Er hat uns hinters Licht geführt», sagen heute jene Leute, die damals mit der Sache befasst waren. Als der Bankrat das belastende Mail zu Gesicht bekam, war der Film gerissen – Hildebrand musste gehen.

Publiziert wurde das belastende Dokument erst kurz nach seinem Abgang. Dabei beteuerte er vor den Medien erneut seine Aufrichtigkeit. Zu unrecht, wie sich gleich danach zeigen sollte. Im Dokumentarfilm «Der erzwungene Rücktritt» zeigt Hansjörg Zumstein alle diese Vorgänge sehr präzise und eindrücklich auf.

«Darf der Bundesrat Verdachtsmomenten nicht nachgehen?»

Dass die GPLs zum Schluss kommen können, die Landesregierung hätte in dieser Sache nichts tun, und Blocher an den Bankrat verweisen sollen, wundert und ärgert die Bundesräte: «Wir mussten unser Land und die Nationalbank vor einem drohenden Verlust der internationalen Glaubwürdigkeit schützen», stellt Alt-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey auf Anfrage fest. Der Bundesrat sei in jedem Fall dazu berechtigt, «gravierende Verdachtsmomente die das ganze Land betreffen zu verifizieren und abzuklären», präzisiert sie.

Der jetzige Gesamtbundesrat weist die Vorwürfe der GPK denn auch klar zurück. Einzelne Regierungsmitglieder stellen fest, dass die GPKs in ihren Berichten neuerdings fast immer versuchten, die «ohnehin schon stark limitieren Kompetenzen» des Bundesrates weiter zu beschränken. So auch im Hildebrand-Bericht nun wieder.

Bundesrat weist Fazit des Berichts zurück
Der Streit zwischen den parlamentarischen Geschäftsprüfern und der Schweizer Regierung ist mit der Publikation des Papiers nun offen ausgebrochen: «Der Bundesrat teilt die Ansichten der Kommissionen nicht», schreibt die Landesregierung in einer ersten Stellungnahme knapp und klar. Insbesondere treffe es nicht zu, dass sie in der Affäre Hildebrand Ende 2011 «keine Rechtsgrundlage für ihr Handeln gehabt habe».

Weiter hält der Bundesrat fest, er habe durchaus zahlreiche Rechtsgrundlagen gehabt, um «ein politisches Problem zu lösen, das dem Ansehen der Schweiz schweren Schaden hätte zufügen können». Hätte er «nicht gehandelt», was die GPKs anregen, «so hätte er die Interessen der Schweiz nicht verteidigt – eine Haltung, die für den Bundesrat nicht in Frage kam». Eine detaillierte, definitive Stellungnahme der Landesregierung soll im Mai folgen.

Derweil gehen die GPKs einmalmehr gerichtspolizeilich gegen Medien und Journalisten vor, welche letzte Woche schon Details aus ihrem umstrittenen Bericht publizieren.

Siehe auch «Die Lehren aus dem Fall Hildebrand» von Dominique Strebel, 14.1.2012.


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Eine Meinung zu

  • am 18.03.2013 um 16:52 Uhr
    Permalink

    Dieses Parlament macht sich allmählich lächerlich. Erstens braucht es für diese Untersuchung über ein Jahr Zeit, obwohl der Bankrat die wesentlichen Abklärungen schon viel früher abgeschlossen hatte und das Parlament darauf zurückgreifen konnte. Und zum Zweiten möchten die Damen und Herren Parlamentarier offenbar lieber eine handlungsunfähige Regierung, die sich an Formalismen orientiert. Das könnte ihnen so passen!

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