NZZ hat eine wesentliche Zahl still und leise korrigiert
Fehler passieren allen Redaktionen. Nur waren bei der NZZ gleich zwei Stupfer von Infosperber nötig, bis sie den Fehler einsah. Dann korrigierte sie den Fehler in den Online-Ausgaben nur zögerlich, ohne der Leserschaft die Änderung transparent zu machen.
Inhaltlich war der Bericht von Martin Kölling aus Tokio relevant: «Japans Schuldenbalance ist fragil», titelte die NZZ.
Tatsächlich haben steigende Zinsen zur Folge, dass Japan die Kosten der Schulden bald nicht mehr tragen kann. Die Staatsschulden übersteigen 230 Prozent des jährlichen Bruttoinlandprodukts. Der sogenannte Schuldendienst soll 2025 über 20 Prozent des Staatshaushalts verschlingen.

Ein Problem, das besonders ins Gewicht fällt, sei – so die NZZ –, dass inzwischen «ausländische Anleger über 50 Prozent der Staatsanleihen halten» würden. Das mache «das hochverschuldete Land verwundbarer denn je». Denn ausländische Investoren würden «sensibler auf Haushaltsfragen reagieren» und die Staatsanleihen schneller verkaufen als Japaner. Früher habe sich die Regierung darauf verlassen können, dass die Schulden fast nur von Japanern gehalten wurden.
Als «Beweis», dass die Abhängigkeit von ausländischen Investoren stark zugenommen habe, schrieb Martin Kölling:
«Inzwischen ist der Anteil ausländischer Käufer bei den langfristigen Papieren teilweise auf über 50 Prozent angestiegen.»
Da stellt sich die Frage: Gibt es gegenwärtig einfach mehr Käufer aus dem Ausland, die Staatsanleihen kaufen, oder halten ausländische Anleger bereits über 50 Prozent aller Staatsanleihen? Infosperber fragte die NZZ-Wirtschaftsredaktion:
«Stimmt beides oder ist die Angabe im Untertitel falsch?»
Wirtschaftsredaktorin Isabelle Wachter antwortete:
«Herzlichen Dank für Ihre Nachricht. Darf ich fragen, wo Sie einen Widerspruch in den beiden Sätzen sehen? Aus meiner Sicht besagen beide Sätze, dass ausländische Anleger über 50 Prozent der Staatsanleihen halten, bei den langfristigen Papieren (30 und 40 Jahre) sind es teilweise über 50 Prozent.»
Nach dieser Antwort doppelte Infosperber nach:
«Der Autor schreibt: ‹Inzwischen ist der Anteil ausländischer Käufer bei den langfristigen Papieren teilweise auf über 50 Prozent angestiegen.›
Es geht hier also nur um die aktuellen Käufe und nur bei langfristigen Papieren. Daraus kann man nicht schliessen, dass ausländische Käufer über 50 Prozent aller vorhandenen Staatsanleihen besitzen.
Natürlich könnte es sein, dass die Aussage im Lead ebenfalls stimmt, aber das geht aus dem Artikel nicht hervor.
Im NZZ-Artikel heisst es vielmehr, dass allein die Bank of Japan 47 Prozent der japanischen Staatsanleihen besitze.
Noch Ende 2023 besassen japanische Versicherer, Banken und Pensionsfonds weitere 40 Prozent dieser Staatsanleihen und das Ausland nur 13,5 Prozent.
Es ist unwahrscheinlich, dass ausländische Anleger heute über 50 Prozent besitzen sollen.»
Die Statistik der Bank of Japan zeigt jedenfalls, dass Ausländer nur noch 11,9 Prozent der japanischen Staatsanleihen besitzen:

Erst jetzt realisierte die NZZ-Redaktorin den Fehler:
«Vielen Dank für Ihre Antwort. Tatsächlich stimmt das so nicht, ich habe das nun nachgeschaut und es sind bei den neuen Auktionen mehr als 50 Prozent. Wir haben die beiden Passagen im Online-Text geändert und werden es auch im E-Paper anpassen.»
Auf NZZ-online heisst es jetzt im Lead und im Text:
«Ausländische Anleger halten einen stark wachsenden Anteil der langfristigen Staatsanleihen. Das macht das hochverschuldete Land verwundbarer denn je.» Und im Text: «Inzwischen ist der Anteil ausländischer Käufer bei den langfristigen Papieren teilweise auf über 50 Prozent angestiegen, wobei deren Besitzanteil noch immer nur bei knapp 12 Prozent liegt.»
Kein Wort davon, dass der ausländische Besitzanteil gar nicht gestiegen, sondern seit zwei Jahren um 18 Prozent von 14,5 kontinuierlich auf 11,9 gesunken ist. Keine Erklärung, warum der gesunkene Auslandbesitz das Land verwundbarer denn je machen soll.
Und kein Wort online, dass der Artikel inhaltlich in einem wesentlichen Punkt geändert wurde. Seriöse Medien nehmen bei online veröffentlichten Artikeln keine inhaltlichen Änderungen vor, ohne die Änderungen zu vermerken.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
Mit Twint oder Bank-App auch gleich hier:
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Ihre Meinung
Lade Eingabefeld...