Einladung zum PR-Report-Camp

So lädt die Journalistenzeitung zum PR-Report-Camp in Berlin ein. © Oberauer Verlag

Just eine Journalistenzeitung empfiehlt Karrieren als PR-Profi

Urs P. Gasche /  Die Fachzeitschrift «Schweizer Journalist:in» lädt ein zum «wichtigsten Event für den PR-Nachwuchs»: dem PR-Report-Camp in Berlin.

Das dreitägige Seminar soll zeigen, wie man «Karriere in der Kommunikation machen» kann: «Was raten renommierte PR-Profis?» Bei «Deutschlands grösstem PR-Karriereforum triffst du auf potenzielle Arbeitgeber», verspricht die Einladung. Es dozieren PR-Verantwortliche grosser Konzerne wie der Rewe-Group, MC Services, Deutsche Börse AG oder der Deutschen Bahn AG. «Freundlich unterstützt» wird der Anlass von Siemens und der Deutschen Post DHL Group.

Für Journalistinnen und Journalisten, die «auf dem Laufenden bleiben» möchten, empfiehlt die Zeitung den «PR-Report-Newsletter».

Finanziell ist die Versuchung für Journalistinnen und Journalisten gross, sich als Sprecherin oder Sprecher eines Konzerns, eines Wirtschaftsverbands oder auch einer öffentlichen Behörde anstellen zu lassen. Es lässt sich leicht anderthalbmal oder doppelt so viel verdienen. Schon heute ist die PR-Seite den Journalistinnen und Journalisten nicht nur finanziell, sondern auch zahlenmässig überlegen.

Infosperber wollte wissen, was der Chefredaktor der Zeitschrift «Schweizer Journalist:in» des Oberauer-Verlags dazu meint. Marcus Hebein räumte ein, dass «die Kommunikationsabteilungen in den vergangenen Jahren aufgestockt haben, während in den Medienhäusern die Zahl der Journalistinnen und Journalisten zurückgeht». «Lieber wäre mir», teilte Hebein Infosperber mit, «er könnte von grossen Ausbildungsprogrammen in Journalismus, von Camps und Investitionen der Medienhäuser berichten (was ja – mindestens zum Teil – auch passiert)».

Dass ausgerechnet seine Journalisten-Zeitung das PR-Report-Camp empfiehlt, stört den Chefredaktor wenig: «Auszublenden, was in anderen Bereichen passiert, wäre eher eine Realitätsverweigerung.»


Zitate zum Verhältnis Journalismus-PR

«PR wird vom Journalismus unabhängiger, während der Journalismus immer mehr in die Abhängigkeit der PR gerät.» 

John Lloyd, Senior Research Fellow am Reuters Institute, 2015

«Gemäss neueren Statistiken des US-Arbeitsministeriums sind PR-Leute in den USA gegenüber den Journalisten inzwischen in einer vier- bis fünffachen Übermacht.» 

Professor Stephan Russ-Mohl, Universität der italienischen Schweiz, Lugano, in NZZ vom 30.6.2015

«Je weniger Leute schneller publizieren müssen, desto unkritischer wird ihre Berichterstattung, desto grösser der Einfluss wirtschaftlicher und politischer PR.» 

Jean-Martin Büttner, Redaktor, im Tages-Anzeiger, vom 4.3.2015

«Das Ungleichgewicht und das Kompetenzgefälle zwischen den unabhängigen Medien und der PR-Industrie wächst jeden Tag.» 

Karl Lüond, Publizist und Buchautor, in NZZ am Sonntag vom 19.5.2013

«Der öffentliche Diskurs gerät zunehmend unter den Einfluss der PR-Industrie. Akteure, die über grosse finanzielle Mittel verfügen und ganz bestimmte Interessen verfolgen, aber meist anonym bleiben, gewinnen an Definitionsmacht.»

Pietro Supino, Verleger Tamedia, im Magazin 42/2010

«Gemäss seriösen Studien sind etwa 75 Prozent des redaktionellen Inhalts von PR bestimmt, was ich nur bestätigen kann.»

Klaus J. Stöhlker im Klartext 5/09

«Wir verhandeln bei der Mediaplanung mit den Verlegern immer über einen redaktionellen Support […] Ich bin der Meinung, dass die ‹chinesische Mauer›, hinter der sich viele Journalisten verstecken, im Sinne eines journalistischen Frühlings niedergerissen werden muss.»

Peter Marti, Inhaber der Werbe- und PR-Agentur Marti.Seiler AG, Edito+Klartext 05/06/2012

«Aus leidvoller Erfahrung als Leser, aber auch als Werber, muss ich sagen: Bitte erhalten und schützen wir die redaktionelle Unabhängigkeit, solange es nur irgendwie geht.»

Geri Aebi, CEO der Wirz-Gruppe, Datum unbekannt

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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3 Meinungen

  • am 10.10.2022 um 12:29 Uhr
    Permalink

    Wir wissen es längst, die Schweiz und die Welt sind «overbanked», mit vielen nutzlosen Juristen übersät, die PR-Branche macht da keine Ausnahme! Es gibt viel zu Viele, die in der PR-Branche so kräuchen und fleuchen und sich viel zu wichtig nehmen, «weniger wäre bedeutend mehr!»
    «Back to the real roots» ist angesagt!

    • KlausJ_Sthlker
      am 11.10.2022 um 18:20 Uhr
      Permalink

      Lieber Herr Gasche,
      jetzt müssen Sie nur noch herausfinden, wie effizient die Tausenden von PR-Berater, die sich heute anbieten, auch wirklich sind. .Credit Suisse, Lonza, Holcim und viele andere, sind sie nicht gute Beispiele ineffizienter PR-Arbeit. Oder Migros und Coop, die Verwaltungen des Bundes und andere? Ich habe die Erfahrung gemacht: Wer als Journalist abwandert und sich dann PR-Berater nennt, hat meist seinen Beruf verfehlt. Zum Nachteil all jener, die glauben, einen echten PR-Berater engagiert zu haben.

  • am 11.10.2022 um 09:59 Uhr
    Permalink

    Statt mehrerer JournalistInnen, welche einen Beitrag bearbeiten und sich vielleicht noch gegenseitig ausbremsen, wären Artikel von richtig kritischen Autoren und Autorinnen gefragt. Dafür genügen zwei mutige Personen – die Schreibende und die PublizistIn.
    Im Schweizer Fernsehen und den grossen Zeitungen arbeiten je länger je mehr eine Mehrzahl von Leuten am gleichen Beitrag. Das ist nicht billig. Die einseitge «Information» darf sogar recht viel kosten. So kritische FachjournalistInnen, wie z.B. H.P.Guggenbühl einer war, sterben aus und Nachwuchs wird nicht gefördert.
    Man könnte Herrn Suppino vom Tages-Anzeiger (siehe Zitat im Artikel von U.P.Gasche) ja mal beim Wort nehmen!
    Mal sehen ob es was bringt?

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