Nutri-Score und Eco-Score

Gleiches Logo, aber völlig andere Bedeutung: Der Eco-Score von Coop (oben) und der Nutri-Score auf einem Migros-Produkt (unten). © Esther Diener-Morscher

Coop trickst mit Umweltschutz-Logo

Esther Diener-Morscher /  Täuschungsmanöver auf der Biskuit-Packung von Coop: Fettes und Süsses scheint plötzlich sehr gesund. Doch das Ampel-Logo trügt.

Seit vergangenem November kennzeichnet Coop viele Produkte mit einem so genannten Eco-Score. An sich ist es eine sinnvolle Bewertung: Der Eco-Score zeigt auf einer Skala von A bis E, wie stark sich die verschiedenen Lebensmittel auf unsere Umwelt auswirken.

Nur gibt es ein Problem: Seit knapp vier Jahren empfiehlt der Bund den Lebensmittelherstellern den so genannten Nutri-Score. Diese Bewertung soll zeigen, wie ausgewogen ein Nahrungsmittel zusammengesetzt ist, bedeutet also etwas völlig anderes als der Eco-Score. Trotzdem lehnt sich der Eco-Score grafisch stark an die weit bekanntere internationale Lebensmittel-Bewertung an. Nicht nur der Name, sondern auch das Logo sieht dem Nutri-Score zum Verwechseln ähnlich.

In der Schweiz haben sich bereits zahlreiche Unternehmen mit Tausenden von Produkten für den Nutri-Score registriert, darunter auch Migros und Coop mit Produkten, die sie selber herstellen. Der Eco-Score, den Coop nun zusätzlich eingeführt hat, führt zur bizarren Situation, dass ein ganz ähnliches Logo etwas völlig anderes aussagt. Selbst aufmerksame Konsumenten und Konsumentinnen können den Unterschied kaum auf einen Blick erkennen.

So werden Cookies A-klassig

Ein konkretes Beispiel: Die Bio-Chocolate-Cookies von Coop haben einen guten Umweltwert und sind deshalb mit dem Eco-Score A ausgezeichnet. Bei der Ausgewogenheit der Nährwerte schneiden die Cookies hingegen schlecht ab. Sie sind zu süss, zu fett und zu kalorienreich. Deshalb bekämen sie laut Berechnung von Infosperber beim Nutri-Score ein E – genau wie die Piemont-Waffeln der Migros.

Für Coop ist das kein Täuschungsmanöver. «Aufgrund des Namens ist ersichtlich, dass sich der Eco-Score auf die Umwelt bezieht», entgegnet Coop-Sprecher Kevin Blättler auf eine Anfrage lapidar.

Coop rühmt sich zwar mit der Aussage «Mehr Transparenz bei Eigenmarken». Doch transparent ist das Vorgehen des Grossverteilers überhaupt nicht. Denn Coop hat sich nicht einmal konsequent für eine der beiden Skalen entschieden.

Auf seiner Vegan-Fleisch-Linie Delicorn lässt Coop den Nutri- und nicht den Eco-Score aufdrucken. Das sieht nach einem geschickten Schachzug aus. Denn bei vielen dieser Produkte kann Coop mit der Bestnote A auf dem Nutri-Score punkten. Auf dem Eco-Score erreichen sie übrigens nur ein B.

Zusätzlich für Verwirrung in den Coop-Regalen sorgt, dass zum Beispiel alle Nestlé-Produkte ebenfalls den Nutri-Score aufgedruckt haben.

Wer hat wen nachgemacht?

Die Westschweizer Firma Beelong, welche den Eco-Score «erfunden» haben will und daran verdient, behauptet gar unverfroren: «Die Eco-Score-Methode zur Bewertung von Lebensmitteln gibt es bereits seit 2014, also lange vor der Einführung des Nutri-Scores im Jahr 2016.»

In Tat und Wahrheit hiess der Eco-Score bis vor kurzem noch «Indicateur Beelong» und er sah keineswegs wie der Nutri-Score aus, sondern wie eine Energie-Etikette.

So sah der Eco-Score 2016 aus: ganz anders als der Nutri-Score.

Coop will künftig «alle Lebensmittel der Coop-Eigenmarken mit dem Eco-Score versehen». Ob es dazu kommt, ist ungewiss. Denn das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat bereits das französische Gesundheitsdepartement Santé publique eingeschaltet. Dieser staatlichen Behörde gehören die Markenrechte des Nutri-Scores.

Fürs BLV ist klar: «Die beiden Labels sind sich visuell sehr ähnlich.» Anders als Coop sagt das Bundesamt, die beiden Labels seien «in der Tat verwirrend».

Bis zu 25’000 Franken pro Jahr für Eco-Score

Den Nutri-Score dürfen Lebensmittelhersteller gratis auf ihre Produkte aufdrucken. Die Anbieter des Eco-Score verlangen hingegen happige Gebühren. Die Berechnung des Scores kostet einmalig zwar nur 25 Franken pro Produkt. Dann lässt sich die Anbieter-Firma aber am Umsatz beteiligen. 0,1 Prozent oder mindestens 600 Franken kassierte sie pro Jahr und Produkt. Die Umsatzbeteiligung kann bis zu 25’000 Franken betragen.

So funktioniert der Nutri-Score

Der Nutri-Score kennzeichnet Lebensmittel mit einer farbigen Skala von A beziehungsweise grün (= ausgewogen) bis E beziehungsweise rot (= unausgewogen). Der Score wird mittels einer wissenschaftlich validierten Formel ermittelt. Dabei werden positive und negative Aspekte miteinander verrechnet.

Zu den positiven Aspekten gehören der Gehalt an Früchten, Gemüsen, Hülsenfrüchten, Nüssen, gewissen Ölen, Nahrungsfasern und Eiweiss. Umgekehrt tendiert der Score umso stärker in den roten Bereich, je mehr Zucker, Salz, gesättigte Fettsäuren und Energie ein Lebensmittel enthält.

Der Score allein ist keine Ernährungsempfehlung. Grün heisst nicht, dass ein Lebensmittel uneingeschränkt gegessen werden kann, und rot bedeutet nicht, dass vom Produkt abgeraten wird.

Eine Studie des französischen Konsumentenschutzes zeigt, dass der Nutri-Score besonders bei Frühstücksflocken, Gebäck und Müsliriegeln zu erheblich gesünderen Rezepturen geführt hat.

Die Bewertung hat aber auch Mängel. So wurden künstliche Süssstoffe – beispielsweise in Light-Getränken – bisher nicht negativ bewertet. Das soll sich Ende Jahr aber ändern.

In Europa wehren sich besonders folgende drei Länder gegen den Nutri-Score: Italien sorgt sich, dass seine Export-Schlager Parmaschinken, Mozzarella und Parmesan bei der Bewertung schlecht wegkommen könnten. Griechenland und Portugal kritisieren, dass Olivenöl zwar die beste Bewertung für Speiseöl erhalte, diese aber nur ein «C» statt eines «A» sei.


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2 Meinungen

  • am 7.08.2023 um 12:05 Uhr
    Permalink

    Das Verwirrspiel wird von Coop natürlich bewusst gespielt. Jeder Werber weiss schon in der ersten Woche seiner Ausbildung, dass Bildzeichen unmittelbarer und stärker wirken als eine abstrakte englische Wortschöpfung, die erst erklärt werden muss. Ein Prozess im Fall einer Plagiats-Klage wird dann wohl über die Marge bei Bio-Lebensmitteln finanziert?

  • am 7.08.2023 um 17:31 Uhr
    Permalink

    Auch «Herkunft siehe Verpackung», dann in winziger Schrift…

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