Bauvorhaben

Auch diese Mietshäuser in Wollishofen bei Zürich müssen weichen. Für eine neue Eigentumswohnung wird man dort voraussichtlich 1,7 Millionen Franken oder mehr bezahlen. Das günstigste Angebot in Wollishofen liegt aktuell bei 1,895 Millionen Franken. © Werner Vontobel

Nikolajsen als Prototyp eines Mietpreis-Treibers

Werner Vontobel /  Der Bitcoin-Pionier investiert in eine Immobilie in Zug – und sorgt indirekt dafür, dass Mietwohnungen unerschwinglich werden.

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Werner Vontobel

6840 Franken brutto pro Monat – soviel haben der Durchschnittsschweizer und die Durchschnittsschweizerin letztes Jahr mit einem Vollzeitjob verdient. Nach Steuern, Krankenkasse und Sozialversicherungsbeiträgen verbleiben rund 5000 Franken. Das wird knapp für eine Durchschnittsfamilie mit 1,4 Kindern. Also muss noch ein 50-Prozent-Job her. Macht monatlich 7’500 Franken netto. Die Durchschnittsmiete für eine 4-Zimmerwohnung betrug gemäss Statistik 2021 etwas über 1600 Franken. Für diese Kundschaft müsste die Immobilienbranche Wohnungen bauen und vermieten. 

Doch die Realität ist anders: Selbst an schattigen Lagen unter dem Zürcher Uetliberg zahlen die Investoren inzwischen mehr als 8000 Franken pro Quadratmeter Bauland. Pro Wohnung sind das 780’000 Franken, dazu kommen noch gut 400’000 Franken für den Bau. An besseren Lagen ist der Wohnraum noch teurer, zeigt eine Auswertung von Daten des Immobilienberaters «wüestpartner» in der Sonntagszeitung. Demnach muss man in Zürich, Genf und Zug für eine Eigentumswohnung von 100 Quadratmetern im Schnitt 1,9 bis 2 Millionen Franken zahlen. Bei den aktuellen Hypozinsen errechnet sich daraus eine mietrechtlich erlaubte «Kostenmiete»1 von rund 5000 Franken. So viel gibt der Mietermarkt aber noch nicht her. Die Investoren ziehen deshalb im Zweifelsfall den Verkauf vor. Mit dem Erlös können sie dann das nächste Projekt finanzieren.

Gebaut wird für das Portemonnaie der Oberschicht

Offensichtlich baut die Schweizer Immobilienbranche nicht für Normalschweizerinnen und Normalschweizer, die ihren Lebensunterhalt mit einem Arbeitslohn verdienen müssen. Für die Bauarbeiter, die im Schnitt 6200 Franken brutto verdienen, hängen die Früchte der eigenen Arbeit sowieso viel zu hoch. Wer in der Schweiz Wohnhäuser baut, schielt auf ein anderes Publikum: Er bietet dem globalen Kapital einen steuergünstigen und rechtssicheren Landeplatz.

Das Paradebeispiel dafür ist der – laut Bilanz 300 bis 350 Millionen Franken reiche – dänische «Bitcoin-Pionier» Niklas Nikolajson. Er hat in Zug 53 Millionen Franken in den Kauf und die Renovation eines Anwesens gesteckt, in dem einst der Bau von 60 Wohnungen geplant war und wo zeitweise 100 Flüchtlinge untergebracht wurden. Dort residiert nun demnächst eine 4-köpfige Familie.

Ein Nikolajson kommt selten allein. Für seine Firma – die «Bitcoin Suisse AG» in Zug – arbeiten zurzeit mehr als 200 Personen. Bitcoin Suisse wiederum ist nur eine von über 50 Zuger Blockchain-Firmen, die mittlerweile eine Marktbewertung von 44 Milliarden Dollar aufweisen. Die Handels-Zeitung berichtet darüber, als wäre dies ein Segen für die ganze Schweiz. 44 Milliarden in einer rein fiktiven Währung! Da ist die Versuchung gross, wenigstens einen Teil davon in Immobilien fest zu verankern. 

44 Milliarden, das sind hunderte von Nikolajsons, die es sich leisten können, ein paar Millionen Franken in eine Wohnung zu investieren. Das erklärt die aktuelle Lage auf dem Zuger Wohnungsmarkt: Ende Juli kosteten die zwei auf Homegate zum Verkauf ausgeschriebenen 4-Zimmer-Wohungen im Durchschnitt drei Millionen Franken. Wer lieber mietet, hat die Auswahl zwischen sieben Wohnungen, die durchschnittlich 5000 Franken pro Monat kosten.

Nikolajsen ist auch deshalb der Prototyp eines Mietpreis-Treibers, weil er und seine «Bitcoin Suisse» Aushängeschild einer gezielten Ansiedlungspolitik sind. «Regierung will Zug als Zentrum für Blockchain-Technologie etablieren», liest man in einer jüngeren Pressemitteilung der Zuger Regierung. Zu diesem Zweck sollen 39,35 Millionen für die «Blockchain Zug – Joint Research Initiative» investiert werden. Zudem soll man in Zug jährlich bis zu 1,5 Millionen Franken an Steuern mit Bitcoins bezahlen können.

Bald 500’000 Milliarden globale Guthaben

Die Blockchain ist ein kleines Steinchen in diesem Mosaik: Weltweit werden die Einkommen zunehmend einseitig verteilt, mit der Folge, dass das reichere Zehntel der Weltbevölkerung immer mehr finanzielle Guthaben gegen den ärmeren Teil und gegen die Staatshaushalte anhäuft. Mit diesen Guthaben kaufen sich deren Inhaber gegenseitig ihre Wertpapiere und Immobilen ab und treiben so die Preise nach oben. Mit der Folge, dass dieser Berg an Guthaben allein 2022 um fast 50 auf 464 Billionen Dollar angewachsen ist, und damit mehr als zehnmal so schnell stieg wie das globale BIP (siehe hier und hier).

Es gibt schon fast 10’000 verschiedene Kryptowährungen

Das Verwalten, Verschieben und Absichern dieser 464 Billionen Dollar verschlingt gewaltige Ressourcen. Auch dafür steht Nikolajsen prototypisch. Seine Firma betreibt Handel mit Kryptowährungen, mit denen sich die Reichen vor Verlusten schützen wollen.  Davon gibt es inzwischen – aktueller Stand – schon 9902 mit einem Marktwert per 31. Juli 2023 von 1100 Milliarden Euro. Dieser Wert beruht im Wesentlichen darauf, dass diese Coins fälschungssicher sind. Dabei spielt die (energieverschlingende) Blockchain-Technologie die zentrale Rolle. Rund um diese Technologie, um die tausende Kryptowährungen und um die entsprechenden Börsen und Dienstleister hat sich eine riesige Industrie entwickelt, die aber – wie auch deren hoch gelobte Blockchain-Technologie – letztlich nur dazu dient, die Verlustängste der Reichen gewinnbringend zu besänftigen.

Landvögte kassieren viel mehr als der Steuervogt

Doch zurück zu den hohen Immobilienpreisen: Die mobile Oberschicht lechzt nach Sicherheit und verschiebt sich und ihre Guthaben dorthin, wo die Rechtssicherheit hoch und die Steuern tief sind. Sie braucht ihr wohlgesinnte Standorte, und die Schweiz tut alles, um ein solcher zu bleiben. Das ist gut für den Steuervogt: Tiefe Steuersätze für fünf Reiche bringen mehr als hohe Steuern für 20 Normalverdiener. 

Noch besser ist es aber für die Landvögte: Für Land in der Schweiz zahlen die «Steuerflüchtlinge» gerne mal 10’000 Franken oder mehr pro Quadratmeter. Die Zeche zahlt die weniger mobile Mittelschicht, die aus ihren angestammten Quartieren vertrieben wird.

Der Freiburger Wirtschaftsprofessor Reiner Eichenberger schlägt schon lange vor, dass alle, die in die Schweiz einwandern wollen – egal, ob aus wirtschaftlichen oder steuerlichen Gründen – dafür eine ihrem Einkommen und Vermögen entsprechende Eintrittsgebühr bezahlen müssen. Er übersieht dabei, dass diese Gebühr tatsächlich kassiert wird, aber leider nicht vom Staat, sondern von den Grundbesitzern. 

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1 Kostenmiete heisst: Effektiver Hypothekarzins + 3,5% auf Eigenkapital + 3,25% vom Gebäudewert für allgemeine Unkosten inklusive Abschreibung.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

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Bitcoins und andere Kryptowährungen

Nur für waghalsige Spekulanten oder künftiger Zahlungsverkehr ohne Banken?

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Die Macht von Konzernen und Milliardären

Wenn Milliarden-Unternehmen und Milliardäre Nationalstaaten aushebeln und demokratische Rechte zur Makulatur machen.

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2 Meinungen

  • am 10.08.2023 um 17:24 Uhr
    Permalink

    Die Mehrheit der Schweizerinnen will das so. Und die SVP und FDP und die Mitte auch. Wer sich Zug nicht leisten kann, soll nach Glovelier (JU).

  • am 12.08.2023 um 21:37 Uhr
    Permalink

    Ja, das sind Auswüchse, die zu beklagen sind. Eine unserer Bundesrätinnen würde dazu wohl sagen «das ist halt Kapitalismus». So ähnlich äusserte sie sich jedenfalls in Bezug auf die Verluste vieler Anleger mit den speziellen CS-Obligationen. «Das ist halt Kapitalismus», mit dieser Begründung werden wohl in Zukunft auch noch schlimmere Schandtaten «entschuldigt» werden. Und die Opfer der Schandtaten werden sich wohl damit begnügen müssen… Langsam fragen sich immer mehr Menschen: Wo leben wir eigentlich?

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