Kommentar

«Beste Armee» am falschen Ort

Niklaus Ramseyer ©

Niklaus Ramseyer /  Schweizer Kampfjet-Piloten landen auf US-Flugzeugträgern. In Bondo Geröll wegzuräumen, ist für die Armee hingegen «zu gefährlich».

«Das ist es!», jubelte SRF-Reporter Michael Weinmann am vergangenen Sonntag im Schweizer Fernsehen: «Der Schweizer landet erstmals auf dem Flugzeugträger.» Und dann die obligate Frage an den Luzerner F/A-18-Piloten Andreas Kuhn: «Wie fühlst Du Dich?» Kuhn bestätigt umgehend, der Katapultstart von und später die Landung auf der USS Dwight D. Eisenhower mitten im Atlantik sei «sehr, sehr herausfordernd» und ein Höhepunkt seiner Karriere als Kampfjet-Pilot der Schweizer Luftwaffe.
Der ebenso solide in die US-Navy auf dem Flugzeugträger «eingebettete» Schweizer Reporter Weinmann hatte zuvor eingeräumt, die Eindrücke auf dem grossen Kriegsschiff «erschlagen mich fast». Man merkte es seiner Jubelreportage an: Er feierte Kuhns alltägliches Routine-Manöver, als wäre es eine Mondlandung. Kritische Fragen wollte oder durfte Weinmann hingegen nicht stellen. Die Zuschauer erfuhren darum nicht, was der Pilot eines Schweizer Abfangjägers (denn das sind die 30 Schweizer F/A-18 Hornet ausschliesslich; sie können keine Ziele am Boden bombardieren) für die Sicherheit der neutralen Schweiz oder die Verteidigung unseres Landes denn von den US-Marinefliegern lernen könne. Von Kampfpiloten notabene, die in den letzten Jahren mit ihren Bombenjets Tausende Kilometer von ihrer Heimat entfernt die Infrastruktur ganzer Länder (Afghanistan, Irak) in Schutt und Asche gelegt und Hunderttausende toter Soldaten und Zivilisten zu verantworten haben.
Wozu Kuhns «Carrier-Qualifikation» (Landekompetenz für Flugzeugträger) auf dem Flugplatz daheim in Meiringen oder in Payerne gut sein soll, wurde nicht klar. Was der ganze Spass die Bundeskasse koste, vergass der SRF-Reporter auf hoher See ebenfalls zu fragen.

Begeisterter Schweizer Pilot auf US-Flugzeugträger (Bild SRF)
Gefährliche Abhängigkeit von der US-Navy
Erst recht nicht angesprochen wurde im 22 Minuten langen Propagandafilm von SRF-Reporter die gefährliche Abhängigkeit von der US-Navy, in welche Armeeführung, Bundesrat und Parlament unsere Luftwaffe mit dem Kauf des US-Jets F/A-18 hineinmanövriert haben: Für Wartung und Betreuung der Elektronik dieser Kampfjets ist zu grossen Teilen die US-Navy-Base China Lake in Kalifornien zuständig. Auf entscheidende Elemente der F/A-18- Elektronik haben Schweizer Armee-Ingenieure keinen Zugriff. Das gilt erst recht für die Luft-Luft-Raketen AMRAAM (Advanced Medium Range Air to Air Missile) der F/A-18. Das ist alles «plombiert» und nur Fachleuten der US-Navy vorbehalten.
Das US-Militär bittet die Schweizer zudem zur Kasse: Als unsere Luftwaffe vor Jahren in Nevada testweise einige der millionenteuren AMRAAM-Raketen abfeuerte, kostete das die Schweizer Steuerzahler weit mehr als 10 Millionen Franken. Doch die Amerikaner zeigten den Schweizern (wegen «need-to-know» Vorbehalten) nicht einmal die Hälfte der Testresultate. Kürzlich wurde bekannt, dass die Schweizer Luftwaffe sogar für die Aufklärung eines F/A-18-Absturzes in der Schweiz die US-Navy um Hilfe bitten musste. Wenn jedoch die Ersatzteile knapp werden, bedienen die US-«Partner» prioritär die Kampfjets in ihrer eigenen «flight line» bei weltweiten Kriegseinsätzen. Die Schweizer F/A-18 bleiben derweil in Payerne und Meiringen manchmal wochenlang am Boden.
Armee lässt Dorf nach Bergsturz im Stich
Da hilft dann die «Carrier-Qualifikation» des SRF-Helden Andreas Kuhn erst recht nichts mehr. Und während er und andere ausgewählte Soldaten der Schweizer Armee sich auf US-Flugzeugträgern im Atlantik amüsieren (Kuhn: «Ein Europapark-Feeling!»), glänzt die «beste Armee der Welt» (SVP-Bundesrat Ueli Maurer) daheim, wo sie gebraucht würde, mit feiger Abwesenheit: «Wo bleibt denn die Schweizer Armee?» So fragten jedenfalls viele der vom schlimmen Bergsturz im Val Bondasca (Bergell) betroffenen Bewohner des Dorfes Bondo.
Verteidigungsminister Guy Parmelin habe wohl Hilfe zugesagt, konnte man nun in allen Medien lesen. Derzeit sei ein Armeeeinsatz im Bergell jedoch «zu gefährlich». Wie bitte? Die Genie-Truppen der Armee haben doch alle notwendigen schweren Baumaschinen und bestens ausgebildete Fachleute, um die verschütteten Auffangbecken bei Bondo rasch wieder freizulegen. Wozu finanzieren wir denn das alles mit Millionen an Steuergeldern, wenn nicht für die rasche Hilfe im Notfall?
Und überhaupt: Bagger- und Lastwagenfahrer privater Baufirmen sind schon seit Tagen daran, das Geschiebe bei Bondo wegzuräumen. Ist es für diese Leute denn nicht «zu gefährlich»? Oder geht es um die ewiggestrige Privatisierungs-Ideologie: Dass nämlich die Armee privaten Unternehmen keine «Konkurrenz» machen soll, auch dann nicht, wenn sich diese am Unglück verschütteter Dörfer mit Aufräumarbeiten finanziell gesundstossen? Das kann es wohl nicht sein! Die Bevölkerung der Schweiz hat ja mit Steuergeldern die Armee-Bautruppen schon vorfinanziert. Dass wir nun noch Spendengelder nachschiessen sollen, um in Bondo private Aufräum-Firmen zu bezahlen, ist eine Zumutung.
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8 Meinungen

  • am 30.08.2017 um 11:54 Uhr
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    Da schreibt endlich mal einer, der die Dinge ungeschminkt beim Namen nennt. Unsere überteuerte und unnütze Luftwaffe gehört schlichtweg gegroundet.

  • am 30.08.2017 um 12:26 Uhr
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    Es gäbe (Konjunktiv!) die Genie- und die Luftschutztruppen für Katastrophenfälle. Die Nachfrage, warum welche nicht aufgeboten wurde, um in Bondo zu das Nötige zu tun, ist angesichts des Ausmasses der Verwüstungen erklärungsbedürftig. Es ist ja nicht so, dass für Private nichts zu tun übrig bliebe. Etwas angesäuert wirkt der Vergleich mit der Luftwaffe, die allerdings mit stichhaltigen Argumenten kritisiert wird. Aber vielleicht macht erst dieser Vergleich für das Gemeinwesen sichtbar, in welch falschen Proportionen das Staatsgeld ausgegeben wird. Aber leider wird das niemand im Parlament anmahnen!

  • am 30.08.2017 um 17:55 Uhr
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    Es gibt nur eins. Die Armee muss endlich schlagkräftig werden und nicht aufgerüstet! Scheinbar beherrscht die Armee ihre Maschonen nicht dass es zugefährlich sei – wenn das private Baufirmen können!
    Und ich habe mich schon während der Sendung gefragt was das mit dem Kampfpiloten soll!! Und die Kosten für solche unnützen Einsätze?! Die Fragen der Journalisten sind generell auf einem bedenklichen Niveau – wie fühlen Sie sich !!!! Das interessiert im Prinzip nicht! Wäre das nicht von Vorteil wenn man solche Null Nr Übungen im Vorfeld bekannt macht??

  • am 31.08.2017 um 22:19 Uhr
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    Welche Infrastruktur in Afghanistan sollen die Amis denn zusammen gebombt haben ? Haben die Taliban da noch was übrig gelassen ? Von den Russen reden wir schon mal gar nicht.
    Was solche Aktionen bringen ? Ganz einfach, sie sind eine fliegerische Herausforderung und z.B dann auch nützlich, wenn auf schlechten Pisten gelandet werden muss. Soweit ich es verstanden habe, ist der Pilot ein Ausbilder und der sollte schon über solche Erfahrungen verfügen.
    Auch die «Abhängigkeit» von den Amis hat seinen Grund, man will ja auch nicht, dass bestimmte Dinge einfach so mal beim Gegner landen. Mirage schon vergessen ? Die Schweiz könnte ja auch selber entwickeln. Wetten, dass man dann gleich denken und handeln würde ?
    Man holt übrigens auch Techniker und Experten der US-Luftfahrtbehörde, wenn ein ziviles Flugzeug abgestürzt ist.
    Noch was zu Bondo, meines Wissens nach sind die Firmen, die dort aufräumen, auch in der Nähe angesiedelt. Derren Gerät ist also wesentlich früher vor Ort, als das der Armee. was aber nicht heissen will, dass die Zivis nicht gerne mal abgelöst werden wollen.

  • am 1.09.2017 um 08:14 Uhr
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    SRF, US-Navy, Piloten, Bondo? Nein, hier geht’s um Armee-Bashing. «Die Bevölkerung der Schweiz hat ja mit Steuergeldern die Armee-Bautruppen schon vorfinanziert.» Daher kann die Armee sofort und überall gratis eingesetzt werden. Anstatt Schneestampfen am Lauberhorn sollen die Soldaten das Val Bondasca aufräumen, und zwar sofort. Gefahren werden ignoriert und «Bondo» instrumentalisiert. Wenn was passieren sollte, ist wiederum die Armee schuld. Und der Autor hat wieder Input für einen weiteren Artikel dieser Art.

  • Portrait.Hanspeter Guggenbühl.2020
    am 2.09.2017 um 12:10 Uhr
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    Ob die Armee in Bondo eingesetzt werden soll, und ob sie dazu das richtige Gerät hat, ist umstritten. Relevant an diesem Beitrag scheint mir, dass SRF einen langen Film, den ich nicht gesehen habe und nicht anschaue, in die Stuben strahlt, und der Reporter die wesentlichen Fragen offenbar nicht stellt. Stattdessen verschwendete der staatliche Farbfernsehsender die Zwangsgebühren offenbar für eine völlig irrelevante Jubelreportage. Was mich bestärkt in meiner Meinung: Das Leben ist zu kurz, um es mit TV-Glotzen zu verbringen. Besser informiert ist , wer stattdessen das ohne Gebühren finanzierte Portal infosperber liest.
    Hanspeter Guggenbühl, befangen, da gelegentlicher Infosperber-Mitarbeiter zum Nulltarif.

  • am 3.09.2017 um 09:06 Uhr
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    Die Armee kann in der Schweiz nur zum Einsatz kommen, wenn die zivilen Behörden (Gemeinde und Kanton) ein entsprechendes Gesuch an Bern richten. Ob sie dies nicht taten, um die lokalen Bauunternehmen mit Aufträgen zu versorgen, kann nur spekuliert werden.

  • am 10.09.2017 um 13:16 Uhr
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    Von einem Infosperber-Autor erwarte ich schon eine etwas fundiertere Recherche statt banales Armee-Bashing! Die Flugzeugträger-Episode kann man durchaus kritisieren, aber der Nicht-Einsatz im Bergell hat gänzlich andere Gründe. Ein Einsatz der Armee in der Schweiz erfolgt erst dann, wenn die zivilen Behörden ein Gesuch nach Bern schicken. Vorher nicht. Und jeder, der weiss, wie einflussreich die Bauwirtschaft in den Bergen ist, versteht auch, weshalb die Bündner noch kein Gesuch eingereicht haben. Die wollen sich doch die gut bezahlten Aufräumaufträge nicht von der Armee wegnehmen lassen.

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