Kommentar

Vorschlag: 13. AHV-Rente mit der direkten Bundessteuer zahlen

Werner Vontobel © zvg

Werner Vontobel /  Mit einer Erhöhung der Bundessteuer um 20 Prozent, wäre die 13. AHV-Rente finanziert. Und ihre Nachteile wären kompensiert.

Die Gegner der 13. AHV-Rente haben vor allem zwei Argumente vorgebracht: Erstens, dass damit auch die mehr Rente erhalten, die dies gar nicht nötig haben. Man hantiere mit der Giesskanne, statt gezielt denen mehr Rente zu geben, die dieses Geld auch dringend brauchen. Und: Diese Rentenerhöhung gehe voll zulasten der Jungen. Beide Argumente haben etwas für sich, und sie tauchen wieder auf, wenn es jetzt darum geht, diese Ausgabe von jährlich vier bis fünf Milliarden zu finanzieren.

Lohnprozente belasten die Jungen

Der Bundesrat schlägt dem Parlament zwei Varianten vor:

  1. Die Finanzierung ausschliesslich über zusätzliche Lohnbeiträge von je 0,4 Prozent für Arbeitnehmende und Arbeitgebende.
  2. Eine Kombination von bloss je 0,25 Prozent Lohnbeiträgen plus 0,4 Prozent mehr Mehrwertsteuer.

Die erste Variante hat den Nachteil, dass die Kosten voll auf die Erwerbstätigen, sprich auf die Jungen, abgewälzt werden und dass die Lohnkosten steigen. Bei einem Bruttomonatslohn von 7000 Franken zahlen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber je 28 Franken mehr in die AHV ein. Auch der Giesskannen-Effekt bleibt unverändert.

Die Mehrwertsteuer mindert den Giesskannen-Effekt nur minim

Die zweite Variante hat – zumindest aus der Sicht der Kritiker von Variante Eins – zwei kleine Vorteile: Erstens tragen die Rentner über die Mehrwertsteuer einen kleinen Teil der Kosten mit. Und der Giesskannen-Effekt wird ein wenig gemildert, weil auch die reichen Rentner mehr Mehrwertsteuer bezahlen müssen.

Über den Daumen gepeilt sieht die Rechnung in etwa so aus: Das reichste Fünftel der Paarhaushalte über 65 tätigt pro Jahr etwa 60’000 Franken mehrwertsteuer-pflichtige Ausgaben. 0,4 Prozent davon sind 240 Franken. Das sind nicht einmal 6 Prozent einer AHV-Maximalrente für Paare von aktuell 3675 Franken. Die Giesskanne giesst also noch immer reichlich.

Direkte Bundessteuer wischt das Verschüttete auf

Doch wie wäre es mit einer Erhöhung der direkten Bundessteuer? Sie trifft vor allem die Reichen und könnte somit das, was die Giesskanne verschüttet hat, wieder aufwischen. Die Idee stammt vom Leser Peter Stör, der Infosperber gebeten hat, diese Idee zu prüfen. Er sagt: «Bei der direkten Bundessteuer handelt es sich um ein bestehendes, bewährtes Instrument. Nichts muss neu erfunden werden. Es wäre in der Umsetzung vermutlich die günstigste Lösung.»

Wir waren anfänglich skeptisch. Begründung: politisch chancenlos, nicht mehrheitsfähig. Doch damit eine Idee überhaupt die Chance hat, mehrheitsfähig zu werden, muss sie von den Medien auf ihre Tauglichkeit geprüft werden. Das haben wir getan.

Zunächst hat die direkte Bundessteuer, genau wie die Mehrwertsteuer, den Vorteil, dass die Pensionierten mitzahlen. Da die älteren Semester im Schnitt mehr Einkommen versteuern, wird zumindest die jüngere Generation der Normalverdiener entlastet. Vor allem aber hat diese Art der Finanzierung die Wirkung, dass die reichsten rund 20 Prozent der Rentner ihre staatlichen Rentenzuschüsse letztlich aus dem eigenen Portemonnaie bezahlen. Das ist vor allem deshalb ein gerechter Ausgleich, weil – wie wir sehen werden – dieses reichste Fünftel auch von der bisher kaum diskutierten «Giesskanne der 2. Säule» profitiert.

Rechnen wir: Ein Durchschnittshaushalt mit zwei Kindern und einem Einkommen von 126’000 Franken (entsprechend einem 150-Prozent-Pensum zu 7000 Franken Monatslohn) zahlt aktuell jährlich 866 Franken direkte Bundessteuer. 20 Prozent mehr wären 173 Franken (knapp 15 Franken monatlich). Dieser Betrag würde die Kaufkraft nicht wesentlich schwächen. Vor allem dann nicht, wenn man bedenkt, dass sich dieses Paar damit eine 13. AHV-Rente im Wert von monatlich 3675 Franken erkauft.

Weiter oben auf der Einkommensskala sieht es aber schlechter aus. Ab einem Haushaltseinkommen von 250’000 Franken kostet die erhöhte Bundessteuer ziemlich genau soviel wie die 13. AHV-Rente. Damit profitieren zumindest die reichsten rund 5 Prozent der Rentner nicht mehr von einem Giesskannen-Effekt. Weiter oben kippt die Wirkung ins Negative. Nehmen wir ein Paar, das zusammen 500’000 Franken verdient. In diesem Fall beläuft sich die direkte Bundessteuer auf rund 40’000 Franken. Ein Fünftel mehr wären 8000 Franken. Dieses Rentnerpaar zahlt somit nicht nur seine 13. Rente, sondern noch 4325 Franken darüber hinaus. Die Giesskanne wird – durch die Art, wie sie finanziert wird – sozusagen zum Saugnapf.

Giesskanne der 2. Säule schenkt tüchtig ein

Doch wenn wir genauer hinschauen, zeigt sich, dass dieser Saugnapf nur einen Teil dessen aufsaugt, was eine andere Giesskanne vergossen hat – die der 2. Säule. Gemäss dem Gesetz über die berufliche Vorsorge sind nur Lohneinkommen von 25’725 bis 88’200 Franken obligatorisch versichert. Die Sparbeiträge sind nach Alter gestaffelt und liegen bei durchschnittlich etwa 14 Prozent.

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die so finanzierte obligatorische Pensionskassen-Rente (von rund 2000 Franken pro Person) zusammen mit der AHV die Lebenshaltungskosten deckt. So gesehen gibt es keinen Grund, Leistungen, die darüber hinausgehen, staatlich zu subventionieren oder steuerlich zu begünstigen. Genau dies geschieht aber, indem auch die überobligatorischen Beiträge steuerlich abzugsfähig sind. Daran haben wir uns zwar gewöhnt, aber streng genommen handelt es sich dabei genauso um eine Giesskanne wie bei der 13. AHV-Rente.

Rechnen wir: Angenommen, unser 500’000er-Paar kassiert 488’200 Franken als Lohneinkommen, das damit um 400’000 Franken über dem PK-Obligatorium liegt. Der BVG-Sparbeitrag liege bei 14 Prozent oder 56’000 Franken. Diese überobligatorischen PK-Einzahlungen von 56’000 Franken darf das Paar nun von den Steuern abziehen, wozu – wie erwähnt – aus sozialpolitischen Gründen kein Anlass besteht. Bei einem – tief angesetzten – marginalen Steuersatz von 25 Prozent ergibt das eine Steuerersparnis von jährlich 14’000 Franken. Bei 40 Beitragsjahren und einem Zins von 1 Prozent läppern sich diese Steuerersparnisse zu einem Alterskapital von 684’000 Franken zusammen. Daraus ergibt sich bei einem – tief angesetzten – Umwandlungssatz von 5 Prozent eine – letztlich vom Staat bezahlte – Zusatzrente von jährlich 34’200 Franken.

Saftige Zusatzrenten für das reichste Fünftel

Diese 500’000 Franken Einkommen sind die Ausnahme. Nur etwa 1 Prozent der Haushalte versteuert so viel. Doch bereits ab einem Haushaltseinkommen von etwa 140’000 Franken führen durch den Staat bezahlte, bzw. durch die Steuerermässigung ermöglichte zusätzliche PK-Ersparnisse zu einer Zusatzrente, welche die 3675 Franken der AHV-Ehepaarrente übertrifft. Über den Daumen gepeilt heisst das, dass der Staat mit der steuerlichen Abzugsfähigkeit der überobligatorischen BVG-Beiträge etwa jedem fünften Rentnerhaushalt eine zusätzliche Rente von 3675 bis 34’200 Franken und mehr finanziert. Alles in allem verschüttet somit die Giesskanne der 2. Säule viel mehr als die der AHV.

Diesen Fehler können wir nicht ganz, aber doch weitgehend reparieren, wenn wir die 13. AHV-Rente mit einer Erhöhung der direkten Bundessteuer um 20 Prozent finanzieren. Wenn die Kritiker der 13. AHV-Rente ihre eigenen Argumente ernst nehmen würden, müssten sie für diese Finanzierung kämpfen. Das tun sie vor allem deshalb nicht, weil sie nicht wahrhaben wollen, dass auch die 2. Säule – und vor allem sie – eine Giesskanne ist.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Senioren Paar.monkeybusiness.Depositphotos

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Die Bundesverfassung schreibt vor, dass die AHV- und IV-Renten den Existenzbedarf angemessen decken müssen.

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10 Meinungen

  • am 23.04.2024 um 11:42 Uhr
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    Ich möchte nochmal erwähnen dass nicht die Jungen die Rente bezahlen. Es ist ein Lohnbestandteil der auf das Endprodukt abgewälzt wird! Dass andere Abschöpfungsmöglichkeiten gesucht werden finde ich sehr gut.

  • am 23.04.2024 um 16:01 Uhr
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    Da bin (mal) voll mit ihnen einverstanden, Herr Vontobel … nur: wie oft können wir die 20% auf die DBS draufschlagen, da warten auch noch die Umsetzung der Energiewende, die eine und/oder die andere Initiative zur Verdaubarkeit der Gesundheitskosten, die Sanierung unseres Wassers und der Biodiversität auf Finanzquellen, um nur grad die zu nennen, welche momentan so in der Luft liegen … ein- oder vielleicht zweimal würd ich sagen, wo schlagen wir zu, bei der erstbesten? Bei der wichtigsten? Bei der richtigen?

  • am 23.04.2024 um 17:27 Uhr
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    Mein simpler Vorschlag : Die jährlichen 10 Milliarden für die Armee streichen, die Armee in eine Katastrophen-Einsatz-Truppe umbauen.Die kostet einen Bruchteil. Die CH Armee kann noch so gross sein.Wird sie von einer Grossmacht angegriffen ist 4 Wochen später Schluss und die Schweiz ist zerstört.

  • am 23.04.2024 um 17:53 Uhr
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    Danke Herr Vontobel für diese Klärung. Genau das (Klärung), was die meisten Politiker nicht wollen. Jeder schaut und sorgt sich nur um sein eigenes Wohlergehen. Politiker arbeiten grundsätzlich für sich oder Geldgeber aus der Privatwirtschaft (Lobby- «Arbeit») im Parlament.

  • am 23.04.2024 um 22:56 Uhr
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    Es gäbe noch andere Finanzierungsmöglichkeiten:
    1. Beispielsweise eine moderate Erbschaftssteuer von ein paar Prozenten, welche niemand gross spüren würde, z.B. 3 bis 5 Prozent.
    2. Die Ausgaben für die Armee könnten massiv gesenkt werden. Wir haben an unserer Grenze keine Hitler und Mussolini mehr, und bis Putin mit seinen Kampfpanzern in die Schweiz rollt, muss er zuerst ein paar NATO-Länder durchqueren.
    3. Als CS und UBS 2008 bankrott gingen, war es kein Problem, in Kürze ein paar Dutzend Milliarden CHF bereit zu stellen.
    4. Bis die AHV in die roten Zahlen fällt, werden wir Babyboomer die AHV verlassen haben.

    • am 24.04.2024 um 10:42 Uhr
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      Im Jahr 2023 wurden um die 90 Milliarden vererbt. Vererbte Summen haben sich in den letzten 30 Jahren fast verfünffacht. Rechtsbürgerliche drückten Erbschafts-Steuersenkungen oder sogar deren Abschaffung durch. Während auf den durchschnittlichen geerbten Franken 1990 noch 4.1 Rappen an Erbschaftssteuer anfielen, sind heute im Durchschnitt gerade noch 1.4 Rappen fällig. Senkung oder Abschaffung Erbschaftssteuern ist ein fiskalisches Verlustgeschäft für den Staat. Ihm werden so Millionen Steuersubstrat vorenthalten.

  • am 24.04.2024 um 01:07 Uhr
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    Wau, eine knifflige und richtige Rechnung! Gibt es Parlamentarier und Bundesräte, die den Infosperber lesen?

  • am 24.04.2024 um 08:29 Uhr
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    In einer Zeit, wo Bundesrat und Parlament Milliarden CHF in alle Richtungen verteilen oder versprechen, sollen die verfassungsrechtlichen Ansprüche auf eine existenzerhaltende Rente durch eine Steuererhöhung finanziert werden? Ich glaub, mich tritt ein Pferd!

    • am 25.04.2024 um 09:25 Uhr
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      Deshalb…Ausgaben waren schon immer nur eine rein politische Frage. Rechtsbürgerliche Mehrheiten fällen diese Entscheidungen stets für ihre Klientel, nie für die untere Mittelschicht oder Unterschicht.

  • am 25.04.2024 um 12:50 Uhr
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    Die Idee ist gut. Die Parteien werden sie zerreißen, da sie nicht davon profitieren.
    Nein schlimmer, sie werden sie nicht mal beachten.

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