aa_Sprachlust_Daniel_4c

Daniel Goldstein © Grietje Mesman

Sprachlupe: Kleider machen Frauen*. Was macht * am Wortende?

Daniel Goldstein /  Wer bei Wörtern die gemeinte Deutung mit Zeichen andeutet, wird spätestens beim Vorlesen kaum ohne wortreiche Nachhilfe verstanden.

Eine Ankündigung zum «Frauen*-Kleidertausch» in Bern-Bethlehem trieb kürzlich einen Leser des Quartierblatts «Der Wulchechratzer» zum Protest gegen den «unsinnigen Genderstern». Die Redaktion wies ihn darauf hin, sie habe nur den Namen des Projekts unverändert aufgeführt, selber aber «Frauen» ohne Sternchen geschrieben. Was es mit dem Namen auf sich habe, liess sie eine Veranstalterin gleich selber erklären: «Das Gendersternchen (*) bei Frauen* verwenden wir, um sprachlich sichtbar zu machen, dass es nicht nur cis Frauen (also Frauen, die sich mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren) gibt, sondern auch trans Frauen, intergeschlechtliche, nicht-binäre und andere Menschen, die sich als Frauen verstehen.»

Solche «Frauen*» waren mir zuvor erst einmal begegnet: vor bald zwei Jahren in einer anderen Berner Publikation, beim Bericht über das Referat einer Professorin. Ich fragte daher bei der Autorin nach, was gemeint gewesen sei und wie es geklungen habe. Sie erklärte: «Mit Frauen* sind alle gemeint, die sich selber als Frauen empfinden.» Auch räumte sie ein, sie habe das Sternchen aus eigenem Antrieb eingesetzt. Damit konnte die Frage nach der Aussprache unbeantwortet bleiben. Im Wort­innern soll das Sternchen ja als Glottisschlag hörbar werden, einer kurzen Pause mit – bei manchen Leuten hörbarem – Knacken. Aber am Wortende? Sicher kein Schnalzen, gerade nach Frauen.

Sind Weisse Menschen immer weiss?

Da Sprache von sprechen kommt, beschäftigt es mich weiter, wie derlei Signale im Schriftbild beim Vorlesen klängen. Ein anderes Beispiel liess mich schon 2021 rätseln: «Mit Buchstaben Schwarz oder weiss malen». Leicht abgewandelt, tauchten die antirassistisch gemeinten Adjektive neulich im «Magazin» auf, beim Porträt einer jüngst gestorbenen, prominenten Kuratorin, versehen mit dieser Erklärung: «Im Sinne Koyo Kouohs schreiben wir ‹Schwarz› und ‹Weiss› in diesem Text gross, um zu signalisieren, dass es sich um gesellschaftlich konstruierte Kategorien handelt und nicht um objektive Bezeichnungen von Hautfarben.» Die nächste Nummer wies wieder diese Schreibweise auf, bei einem verwandten Thema und ohne Gebrauchsanweisung.

Dass weiss anderswo korrekt klein, aber kursiv geschrieben wird, erklärt ein einschlägiges Glossar so: «Als weisse Menschen bezeichnen wir jene, die nicht von Rassismus betroffen sind.» Ich fand schon 2021: «Mit den Schreibweisen auszudrücken, wie ein bestimmter Ausdruck gemeint ist, trägt nur dann zur Klärung bei, wenn die Definition gleich mitgeliefert wird. Der Versuch, mit typografischen Besonderheiten den allgemeinen Sprachgebrauch anzureichern, übergeht Regeln und überlädt das Fuder.»

Die eigene Einstellung signalisieren

Mit dieser Ansicht steht man bei weitem nicht allein. Ein gutes Beispiel liefert ein Gutachten der Professorin Katerina Stathi (Universität Münster) zum Thema Gendersprache im öffentlich-recht­lichen Rundfunk, zitiert in einem VDS-Infobrief gestützt auf «Die Welt»: «Sprache sei laut Stathi gerade deswegen so leistungsfähig und praxistauglich, weil sie an vielen Stellen abstrahiere: ‹Explizit kodiert wird das, was gerade für eine kommunikative Situation relevant ist. Andernfalls wird die Kommunikation mit Informationen überfrachtet.› Etwa dem unablässigen Bezug auf Geschlechtszugehörigkeiten.»*

Auch wer seine Ausdrucksweise möglichst eng auf den momentanen Zusammenhang zuschneidet, zeigt mit der Wortwahl oft ein Stück seines Weltbilds. Im Schriftbild zusätzliche Markierungen anzubringen, mag die eigene Einstellung betonen, aber es erschwert das Verständnis – erst recht dann, wenn es mündlich nicht funktioniert. Vielleicht werden wir bald sehen, dass jemand Sternchen in die Luft zeichnet, wie es bei Anführungszeichen Mode geworden ist. Eine Kursivstelle zeigt man beim Reden, indem man in Schräglage kippt; für eine falsche, aber beabsichtigte Grossschreibung hüpft man auf. Besonders lustig wird das, wenn jemand im Zug telefoniert. Manche Leute gestikulieren ja auch ohne Sichtverbindung.

Weiterführende Informationen

  • *  Wie mit dem einsamen Sternchen versprochen, kommt hier die Fussnote: Die Sätze von «Explizit» bis «überfrachtet» habe ich direkt aus Stathis komplexen Gutachten von 2023 eingefügt, der Nachsatz stammt wiederum aus der journalistischen Zusammenfassung.
  • Indexeinträge «Geschlechter» und «Korrektheit» in den «Sprachlupen»-Sammlungen: tiny.cc/lupen1 bzw. /lupen2, /lupen3. In den Bänden 1 und 2 (Nationalbibliothek) funktionieren Stichwort­suche und Links nur im herun­tergeladenen PDF.
  • Quelldatei für RSS-Gratisabo «Sprachlupe»: sprachlust.ch/rss.xml; Anleitung: sprachlust.ch/RSS.html

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.

Mit Twint oder Bank-App auch gleich hier:



_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Portrait_Daniel_Goldstein_2016

Sprachlupe: Alle Beiträge

Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden

3 Meinungen

  • am 21.06.2025 um 17:06 Uhr
    Permalink

    Ja diese Fixierung auf Sprache ist mühsam. Denke dient hauptsächlich als Code, zum zeigen dass man ganz sicher zu Guten gehört. Im Umkehrschluss sind dann aber alle anderen, welche sich diese Mühe nicht machen, automatisch suspekt und ausschlissenswert. Fragwürdige Entwicklung. Denke auch, dass sie faktisch ins Leere läuft denn wenn man aktuellen Zahlen glauben schenken will, ist Rassimuss auf dem Vormarsc, obwohl praktisch niemand mehr das N-Wort, das Z-Wort, das E-Wort oder das I-Wort ausspricht, jedenfalls nicht in urbanen Gegenden.
    Persönlich gehts mir nur noch auf den Sack. Interessant finde ich auch, das bei den selbsternannten Toleranten, «Cis-Mann», eigentlich als Schimpfwort gilt. Kann das ganze nicht mehr ernst nehmen.

  • am 21.06.2025 um 17:41 Uhr
    Permalink

    Geniale Beschreibung! Vielen Dank, Herr Goldstein, für Ihre immer wieder zum Nachdenken anregenden Beiträge.

  • am 21.06.2025 um 18:59 Uhr
    Permalink

    Genial! Ich habe mir den letzten Abschnitt vor Augen geführt und gelacht….Ein echte Komiknummer.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...