Werbekampagne Lehrer

Umstrittener Werbeslogan am Stuttgarter Flughafen. © Pressemitteilung Realschullehrerverband Baden-Württemberg

Lehrberuf: Für die, die «keinen Bock auf Arbeit» haben

Heinz Moser /  Es hätte lässige Werbung für neue Lehrpersonen sein sollen. Doch die Plakate in Baden-Württemberg lösen nur Ärger aus.

Das deutsche Bundesland Baden-Württemberg ist genauso wie die Schweiz stark vom Lehrpersonenmangel betroffen. Nach Angaben der Gewerkschaft «Erziehung und Wissenschaft» fehlen in den nächsten 13 Jahren mindestens 16’000 Lehrerinnen und Lehrer. Die Verantwortlichen des Kultusministeriums unseres Nachbarländles organisierten deshalb eine grosse Werbekampagne. Diese sollte unüblich und aussergewöhnlich sein. Mit knackigen Slogans sollte die Aufmerksamkeit auf den Lehrpersonenberuf gelenkt werden. Etwa mit dem lockeren, vielfach variierbaren Spruch: «HURRAAA!, Lust auf Veränderung? Dann werde Lehrer*in.»

Was gut gemeint war, wird nun aber in den Verbänden der Lehrerschaft verärgert diskutiert. Denn am Flughafen Stuttgart wurde zu dieser Kampagne ein riesiges Poster aufgehängt, das dem Anliegen der Kampagne entsprechen sollte – und zwar mit den Worten: «HURRAAA! Gelandet und gar keinen Bock auf Arbeit morgen? Mach was dir Spass macht, und werde Lehrer*in». Dies alles mit dem Verweis auf die Bewerbungswebsite «lehrer-in-bw.de» sowie mit den Logos des Ministeriums.

Kein Wunder, dass das Grossplakat am Flughafen massive Kritik in der Lehrerschaft erregte. Karin Broszat, eine Schulleiterin aus Überlingen und Landesvorsitzende des Realschullehrerverbands, konterte entnervt: «Man wusste vor dieser Kampagne nicht, wie viel Blödheit auf ein einziges Plakat passt.» Und Ralf Scholl, der Vorsitzende des Philologenverbands, befand: «Die Lehrkräfte, die trotz massiver Belastungen allwöchentlich mit Nacht- und Sonntagsarbeit ihr Bestes geben, fühlen sich durch diese Kampagne nach Strich und Faden verhöhnt.»

Eine Werbekampagne mit fehlender Sensibilität

Das Kultusministerium von Baden-Württemberg hatte dagegen keine Probleme mit seinem Humor. Laut der Deutschen Presse-Agentur (DPA) erklärte ein Sprecher des Ministeriums, mit den Slogans gehe es darum, Aufmerksamkeit zu erregen. «Man muss schliesslich auffallen, und das tun etwa die Plakate. Das ist gut und es funktioniert auch.»

In der Tat hat es funktioniert, Aufmerksamkeit zu erregen. Denn seit Tagen wird das Plakat vom Stuttgarter Flughafen in ganz Deutschland diskutiert. Doch statt Anerkennung heimst die Kampagne überall Kritik und Häme ein. Denn es werden damit Vorstellungen aus jenen Zeiten aktiviert, wo man Lehrberufe mit langen Ferien und kurzen Arbeitszeiten diffamierte. Für Karin Broszat wirft ihr eigener Arbeitgeber damit ein unglaubliches Licht auf ihren Berufsstand: «Deutlicher und niveauloser kann man die Geringschätzung des Lehrerberufs in Baden-Württemberg nicht ausdrücken.»

Nachtrag: Angesichts des Shitstorms um das Plakat hat jetzt auch das Kultusministerium die Reissleine gezogen und neu getextet:  «Gelandet und gar keinen Bock auf deine jetzige Arbeit? Hurraaa! Mach was dir Spass macht und werde Lehrer*in» heisst es jetzt. Doch allen zu empfehlen, die es in ihrem Beruf nicht aushalten, auf den Lehrberuf umzusatteln, ist auch keine bessere Idee.


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Eine Meinung zu

  • am 10.08.2023 um 11:32 Uhr
    Permalink

    Kultusministerien beweisen sich seit mindestens 40 Jahren zum Thema Schule und Lehrpersonal als unfähige Institutionen. Sie machen es immer mal wieder öffentlich, wie jetzt in diesem Fall.
    Sie verfolgen eine eigene, selbstgerechte Agenda und gehören abgeschafft, ersatzlos!

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