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«Nuklearforum» und Nagra verharmlosen mit Bananen-Vergleich das AKW-Risiko © Nawi112/wikimedia commons/NF

Wenn Bananen gefährlicher sind als Atomkraftwerke

Kurt Marti /  Um die radioaktive Gefahr aus Atomkraftwerken herunterzuspielen, greift die Atomlobby zu immer absurderen Vergleichen.

Haben Sie gewusst, dass es in Bezug auf die Radioaktivität 6- bis 30-mal gefährlicher ist, täglich eine Banane zu essen als neben einem Atomkraftwerk zu wohnen? Das geht aus einem Faktenblatt des Nuklearforums Schweiz (NF) und einem Video der «Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle» (Nagra) hervor, wie das neuste Magazin «Energie und Umwelt» der Schweizerischen Energie-Stiftung berichtet.

Wer nämlich laut NF-Faktenblatt und Nagra-Video täglich eine Banane isst, nimmt pro Jahr eine radioaktive Strahlendosis von 0,03 Millisievert (mSv) auf. Die Strahlenbelastung neben einem Atomkraftwerk beträgt laut NF-Faktenblatt pro Jahr bloss 0,001 mSv – 0,005 mSv, also 6- bis 30-mal weniger. Der Tenor: Kein Grund zur Sorge.

Werbe-Spot für die Radontherapie

Eine weitere Verharmlosung radioaktiver Strahlung findet man in einem Video des Nuklearforums, das die radioaktive Strahlung gar als Therapie gegen Rheuma anpreist:

«Vielen Menschen hilft leicht erhöhte Strahlung, zum Beispiel bei Rheuma. In Brasilien beispielsweise buddeln sie sich in radioaktiven Meeressand ein. In Österreich gehen sie zur Kur in einen Stollen, in dem radioaktives Gas aus dem Gestein strömt.»


Mit diesen Worten preist das «Nuklearforum» die Radontherapie in Österreich an

Dieser Werbe-Spot für die Radontherapie steht im Widerspruch zur Einschätzung der Eidgenössischen Kommission für Strahlenschutz (KSR), laut der die Wirkung der Radontherapie «nicht klar bewiesen ist und ein plausibler biologischer Mechanismus fehlt.» Eine solche Behandlung ist laut KSR «in der Schweiz weder wünschenswert noch gerechtfertigt».

Die Botschaft des «Nuklearforums» und der Nagra ist klar: Radioaktivität ist etwas Natürliches. Kein Grund zur Sorge also. Über die Verstrahlung durch einen AKW-Unfall hingegen verlieren die beiden Videos kein einziges Wort.

Stand des Wissens missachtet

Das «Nuklearforum», dessen Präsident FDP-Nationalrat und Gewerbeverbands-Direktor Hans-Ulrich Bigler ist, treibt die Verharmlosung der radioaktiven Strahlung noch weiter. Zum Beispiel im oben erwähnten Video: «Es ist wie beim Sonnenbaden, es kommt auf die Dosis an. Nehmen wir nur eine kleine Dosis auf, auch während längerer Zeit, schadet sie nicht». Und auch im Faktenblatt behauptet das «Nuklearforum», unterhalb einer Dosis von 200 mSv seien «epidemiologisch keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen nachweisbar».

Dem hält der Onkologe Claudio Knüsli im Magazin der «Schweizerischen Energie-Stiftung» entgegen:

«Wir erkranken auch wegen natürlicher Strahlenquellen, z. B. an Radongas aus dem Boden. Inhaliertes Radon in Dosen von 3 bis 4 mSv pro Jahr erhöht das Lungenkrebsrisiko. Deshalb lohnt sich der grosse Aufwand zur Radonreduktion in der Raumluft. Natürliche Krankmacher sind keine Legitimation für Belastungen aus künstlichen Quellen.»

Und weiter:

«Bei ionisierender Strahlung von einer Wirkungsschwelle zu reden, missachtet rundweg den Stand des Wissens: Je grösser die Strahlendosen, umso grösser ist das Krebsrisiko. Es gibt keine irgendwie geartete Mindestschwelle, unterhalb welcher ionisierende Strahlung unschädlich wäre. Wenn hunderttausende Menschen bei einem AKW-Unfall mit 100 mSv verstrahlt werden, ist mit tausenden vorzeitigen Todesfällen zu rechnen.»

Das ist auch die Meinung des Bundesrats, der kürzlich in einem Bericht zum Schluss kam,

«dass die neusten Studien die Anwendung des linearen Modells ohne Schwellenwert als Basis für den Strahlenschutz in der Schweiz stützen. Nach diesem Modell erhöht jede Exposition mit ionisierender Strahlung, selbst bei niedrigen Dosen, das Risiko für Krebs oder Erbkrankheiten linear, und es gibt keinen Schwellenwert, unter dem davon ausgegangen werden kann, dass eine Exposition keine Wirkung zeigt.»

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

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12 Meinungen

  • am 28.07.2018 um 12:22 Uhr
    Permalink

    Super Beitrag, lieber Kurt Marti!

    Nach Fukushima 2011 haben die Befürworter der Kernenergie auch auf hohem Niveau (ICRP, UNSCEAR usw) begonnen, Dosen unter 100 mSv als unerheblich zu erklären. 20 mSv/Jahr – statt wie den Menschen in der ehemaligen Sowjetunion nach dem TschernobylSuperGau 1986 5 mSv/Jahr – können der japanischen Bevölkerung mit Unterstützung der oben genannten Strahlen”Schützer” zugemutet werden.

    Strahlenschutz, der Schutz der Atomanlagen vor den aufgebrachten Menschen?

    Zusammen mit den internationalen erwähnten Organisationen bereitet uns das Nuklearforum wohl auf den nächsten grossen Atomunfall vor. Der wäre dann wohl ohne grosse Bedenken hinzunehmen.

    Martin Walter, Dr. med., Grenchen

  • am 28.07.2018 um 13:46 Uhr
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    Absoluter Quatsch diese Bananenstory. Die inhalierten alpha Strahler einer einzigen Zigarette sind 100 mal konzentrierter als Bananen.Was aber praktisch niemand erwähnt sind die grausamen Neutronenstrahlen in der Nähe von AKWs. Einzig Wasser kann diese Strahlen ablenken. Vielleicht sollte man mehr Wasser trinken ich versuche es aber lieber mit Wein.

  • am 28.07.2018 um 13:57 Uhr
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    Der Zerfall radioaktiver Kerne ist ein natürliches Phänomen, das Zellen von Lebewesen verändert oder zerstört. Der menschliche Organismus hat im Laufe der Evolution einen «Polizeidienst» entwickelt, das die nicht konformen Zellen entsorgt; das ist das Immunsystem. Solange die Zellen des Immunsystems die nicht konformen Zellen schnell genug erreichen und entsorgen können, bleibt der Organismus von den negativen Auswirkungen der Radioaktivität geschont. Das Ganze ist ein dynamischer Prozess. Die Gefährdung durch radioaktive Strahlungen hängt also vom momentanen Zustand des eigenen Immunsystems ab.
    Jean-Marc Suter, Physiker

  • am 28.07.2018 um 14:35 Uhr
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    Wenn Bananen gefährlicher sind als Atomkraftwerke, dann haben wir eine Bananen Republik, was extrem gefährlich ist.

  • am 28.07.2018 um 16:10 Uhr
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    Ich glaube kaum, dass ein vernünftiger Mensch Bedenken wegen radioaktiver Verstrahlung beim störungsfreien Normalbetrieb der Kernkraftwerke hat.
    Bei einem Störfall mit Austritt grosser Mengen radioaktiver Substanzen sieht die Situation selbstredend ganz anders aus.
    Deshalb verstehe ich die Aufregung um den Bananenvergleich nicht. Ich bin der Meinung, dass er zwar nicht relevant, jedoch richtig ist.

  • am 28.07.2018 um 19:38 Uhr
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    Wer ist Herr Knüsli? Ein Arzt und Mitglied der Agitproporganisation Ärzte gegen den Atomkrieg. Sorry, ich kann ihn nicht ernst nehmen. Ich würde Ihnen raten, mal mit Professor Shunichi Yamashita zu sprechen – Sie finden ihn in Nagasaki, er hat sein Leben lang in Nagasaki, Hiroshima, Tschernobyl und Fukushima geforscht. Was er sagt ist Common Sense unter den ernst zu nehmenden Forschern. https://www.weltwoche.ch/ausgaben/2017-34/artikel/fluch-und-segen-der-atombombe-die-weltwoche-ausgabe-342017.html

  • am 28.07.2018 um 20:10 Uhr
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    Danke Kurt Marti für einen weiteren ausgezeichneten Artikel! Als Physiker bin ich schockiert über soviel „Fake News“. Es mag sein, dass niedrige Strahlendosen bei Rheuma helfen, aber die angeführte Radon Therapie birgt ein wesentlich grösseres Risiko für die Inzidenz eines Bronchialkatzinoms mit einer ungesicherten Besserung der Rheuma Probleme!
    Das bundesrätliche Statement ist zweifellos richtig. Allerdings kommt heute die Strahlenschutz-Gesetzgebung nicht ohne Grenzwerte aus. Nur werden die in der Öffentlichkeit falsch verstanden, diese bedeuten nicht, dass Dosen unterhalb dieser Werte gefahrlos sind.
    Bei der Tumor Strahlentherapie gibt es schon eine sigmoide Dosis-Effekt Kurve, aber es ist naiv zu glauben, die gelte auch für die Inzidenz eines sekundären Tumors.

  • am 29.07.2018 um 12:50 Uhr
    Permalink

    Die Propaganda-Maschinerie der Nagra hat sich in den 4 Jahrzehnten ihres Bestehens zum hybriden Selbstläufer entwickelt. Das selbsternannte Technische Kompetenzzentrum ist damit auf gutem Weg, vor den Atomabfällen seine eigene Glaubwürdigkeit und mithin das Vertrauen der Öffentlichkeit zu entsorgen. Als Beispiel dazu nur das Zitat aus einer sogenannten Informationsbroschüre (info 47/2016 https://www.nagra.ch/data/documents/database/dokumente/$default/Default Folder/Publikationen/Infos/d_info47.pdf ):

    Der Grundstein für sichere geologische Tiefenlager in der Schweiz ist gelegt&Ungewissheiten gibt es nur noch bei einigen Teilaspekten. Die ‹Anforderungen› für deren Reduzierung sind bekannt.
    Punkt. Dogmatische Unfehlbarkeit. Nicht der Hauch einer selbstkritischen Beurteilung des eigenen Denkens und Tuns, die zugleich Erkenntnis und Eingestehen eigener Fehler zuliesse; denn der Weg zum Endlager ist noch weit und voller Stolpersteine.

    Selbst als Befürworter der Suche nach gangbaren Entsorgungswegen  auf der Grundlage einer wissenschaftlich redlichen, ergebnisoffenen Vorgehensweise  bleibt einem das blosse Kopfschütteln. Derweil steht im Nagra-Leitbild (https://www.nagra.ch/de/leitbild.htm ) die hehre Maxime: Wir können unseren Auftrag nur erfüllen, wenn unsere Arbeit bei der Bevölkerung breite Akzeptanz findet.  In der Tat!

    André Lambert

  • am 30.07.2018 um 09:10 Uhr
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    Wieder diese ständige, unehrliche Angstmacherei, Herr Marti!
    Alles birgt Risiko, das richtige Thema ist dessen Ausmass. Dazu gibt es sehr gute Referenzstudien (1). Warum werden sie von Ihnen und der SES-Truppe nicht erwähnt? Weil es zur Ideologie nicht passt?
    Zweite Frage: Wenn Sie einen Bericht zitieren, warum nicht ausführlich und ehrlich (2)? Weil die Ergebnisse dem Unsinn auf der SES-Website nicht entsprechen?

    (1) Markandya & Wilkinson, Electricity generation and health, The Lancet, 2007 (Mortalität, Morbidität, und CO2, einfach «deaths per TWh» googlen -> Bilder…)

    (2) Link zum Bundesrat-Bericht: «Es gibt darin keine Hinweise darauf, dass Kinder, die in der Nähe der Schweizer Kernkraftwerke leben, häufiger an Krebs und Leukämie erkranken als Kinder, die weiter entfernt wohnen.» Siehe auch die sehr ausführliche Zusammenfassung der COMARE (14th report): «Based on the evidence presented in this review, COMARE sees no reason to change its previous advice to Government (as given in our tenth report – COMARE, 2005) that there is no evidence to support the view that there is an increased risk of childhood leukaemia and other cancers in the vicinity of NPPs in Great Britain."

  • am 30.07.2018 um 11:32 Uhr
    Permalink

    Die von radioaktiven Prozesse ausgehenden Strahlen (Heliumkerne, Neutronen, Elektronen und Gammastrahlen) haben praktisch immer eine Energie, die biologisch wichtige Moleküle verändern kann. Eine untere Grenze gibt es nicht. Dem entsprechend erzeugt auch die natürliche Strahlung gesundheitliche Schäden. Da wir uns im Bereich der Quantenprozesse bewegen, sind die Schäden nur statistisch zu erfassen.
    Menschen in Radonstollen o.ä. zu schicken, ist schlicht Körperverletzung. Aber leider ein gutes Geschäft – mit der Unwissenheit.

  • am 30.07.2018 um 13:33 Uhr
    Permalink

    @ Alexander Baur: Statt Herrn Claudio Knüsli persönlich zu diffamieren, könnten Sie vielleicht Stellung nehmen zum NEUTRALEN bundesrätlichen Expertenbericht, zu dem Kurt Marti den Link lieferte? Dass es KEINEN Mindestwert gibt, unter dem nicht nur keine negativen, sondern sogar noch positive Effekte auftreten, ist heute ganz einfach aktueller Stand des Wissens unter ernstzunehmenden Fachleuten. (Natürlich findet man immer irgendwo selbsternannte Experten, die etwas Anderes behaupten. Aber da ist ein Quäntchen «Quellenkritik» beim Lesenden vonnöten.)

  • am 1.08.2018 um 09:29 Uhr
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    @Dieter Kuhn: Mal nachlesen.
    Bundesrätlicher Bericht: keine Hinweise auf erhöhte Kinderleukämie/Krebs in der Nähe von AKW.
    Claudio Knüsli (IPPNW, Der widerspenstige Arzt): …Knüsli hält es für erwiesen, dass AKW im Normalbetrieb krebserregend sind: «Weltweit deuten sehr viele Beobachtungen darauf hin.» Mit dieser Ansicht widerspricht er der Mehrheit der Krebsfachleute und Epidemiologen. Doch das stört ihn auch nicht.
    (Natürlich wird diese Behauptung auch von Martis SES propagiert.)
    Was schliessen Sie daraus?

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