Senegal: Wie Überfischung ein Land ruiniert

Daniela Gschweng /  Nach jahrzehntelanger Überfischung ist die Küste des Senegal leergefischt. Was an Fisch übrig ist, landet auch auf Europas Tischen.

Fisch ist wichtig im Senegal. Etwa Dreiviertel der lokalen Ernährung besteht daraus. Nicht nur an der Küste, sondern bis weit ins Landesinnere hinein. Hunderttausende Senegalesen sind Fischer. Noch.
Die seit Jahrzehnten stark befischte Küste des Landes gibt seit etwa einem Jahrzehnt immer weniger Fisch her. 90 Prozent der Fischgründe sind voll ausgelastet oder überfischt, berichten die Vereinten Nationen. Die direkten Folgen sind Hunger, Mangelernährung, Gewalt und schliesslich Emigration, schreibt «GlobalPost Investigations», ein Teil der Non-Profit-Organisation «Public Radio International», die eine lange Reportage über die Krise der Fischer im Land publiziert haben.

Gegen die Megatrawler haben die Fischer keine Chance

Gefischt wird im Senegal seit vielen Generationen. Die traditionellen Pirogen fischen vor allem Sardinen für den lokalen Bedarf, die im Land verkauft oder getrocknet wurden. Hochwertigere Fische wie Thunfisch werden exportiert. Vor etwa 30 Jahren begannen grosse europäische und asiatische Fangflotten, an der westafrikanischen Küste im grossen Stil zu fischen. Viele zerstörten mit Schleppnetzen die Brutstätten der Fische am Meeresboden. In dessen Folge griffen die lokalen Fischer zu illegalen Methoden wie sehr engmaschigen Netzen, um überhaupt noch etwas zu fangen. Jetzt werden die Folgen sichtbar.

Aus Hunger wird Gewalt

«Es gibt keinen Fisch mehr im Senegal», ist ein wiederkehrender Satz, der sich durch den ganzen Bericht zieht. Zwischen 2016 und 2017 ist der Fang um 80 Prozent zurückgegangen, möglicherweise sogar noch mehr. Fisch gibt es allenfalls noch vor den Küsten der Nachbarländer Mauretanien, Gambia und Guinea-Bissau. Viele Fischer weichen dorthin aus. «40 Prozent der Fische in der Statistik sind illegal im Ausland gefischt», schätzt Dyhia Belhabib, Expertin für den Fischfang der Region.

Die Nachbarländer schützen zunehmend ihre Fischbestände. Die Seegrenzen, die in der Region nie eine grosse Rolle spielten, werden inzwischen von der Küstenwache bewacht. Dabei wird nicht selten auf Fischer geschossen. Die Mauretanische Regierung bestreitet es, befragte Fischer sagen, es käme häufig vor.

Im Januar 2018 wurde ein 19-jähriger senegalesischer Fischer erschossen. Die Folge waren Plünderungen, Brandstiftung und Angriffe auf öffentliche Gebäude in der nahe der mauretanischen Grenze gelegenen senegalesischen Stadt St. Louis. Vor fünf Jahren versorgten die Fischer der Stadt noch 650‘000 Menschen mit Fisch. Jetzt reicht es gerade für 70‘000. Zwei Wochen später wurden 107 senegalesische Fischer in den Gewässern von Guinea-Bissau an der Südgrenze des Landes festgenommen.

Auch ein Verbot nützte nichts

Schon 2006 reagierte die senegalesische Regierung, führte Quoten ein und verbot Fischfangflotten aus der EU, im Senegal zu fischen. Allein, es nutzte nichts. «Keines der Boote fuhr zurück nach Europa», sagt der ehemalige Fischereiminister Haidar al-Ali gegenüber «GP Investigations». Stattdessen nutzten die Unternehmen eine Gesetzeslücke und gingen Partnerschaften mit senegalesischen Firmen ein. Auch die Quoten, sagen Umweltorganisationen, werden nicht eingehalten.

(beatleya, Vimeo)

Was in Europa den Fisch auf den Tisch gebracht hat, hat im Senegal zu einer Krise geführt. Inzwischen ist das Grundnahrungsmittel Fisch so teuer geworden, dass es sich viele Menschen nicht mehr leisten können. In der Region hat das eine Ernährungskrise ausgelöst. Nach dem überregionalen Komitee für Dürrekontrolle in der Sahelzone werden in diesem Sommer für 9,5 Millionen Menschen in Westafrika Ernährungskrisen oder gar Hungersnöte erwartet. Etwa eine halbe Million davon lebt im Senegal.

Letzter Ausweg Emigration

Selbst im Nachbarland arbeiten dürfen die Fischer nicht mehr. Seit 2016 ist es in Mauretanien verboten, senegalesische Fischer einzustellen. Manche finden einen anderen Weg, auf dem Meer Geld zu verdienen. Sie werden zu Schleppern und transportieren Flüchtlinge auf die nördlich gelegenen kanarischen Inseln. Eine Reise, die bis zu 15 Tage dauern kann und bereits Tausende das Leben gekostet hat. Für viele andere gibt es keine Alternative. Von der Politik, die eher auf die Ausbeutung von Gasvorkommen mit internationaler Hilfe schielt, fühlen sie sich alleingelassen. Nach Berichten lokaler Medien wollen 75 Prozent der 15 bis 35-Jährigen das Land verlassen.

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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund einer Reportage von «GP Investigations» und anderer Quellen erstellt. Grosse Medien in der Schweiz haben bisher nicht darüber berichtet.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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4 Meinungen

  • billo
    am 28.07.2018 um 12:12 Uhr
    Permalink

    Nicht nur haben europäische Medien bisher nicht darüber informiert, auch die europäische Fischereipolitik reagiert bisher nicht auf die offensichtliche Ausbeutung der letzten Fischbestände Westafrikas für europäische Fischesser.
    Genau darum hat fair-fish die Kampagne «Überfischung macht Migration» lanciert. Ziel: Fisch aus Entwicklungsländern nur noch kaufen, wenn er von lokalen Fischern gefangen und von lokalen Fabriken verarbeitet wurde. So bleiben die Kontrolle über den Export und die Wertschöpfung und damit die Arbeitsplätze im Herkunftsland.
    Mehr Infos und Petition hier: http://www.fair-fish.ch/de/aktuell/

  • am 3.08.2018 um 17:37 Uhr
    Permalink

    Scheint nur ein Beispiel von vielen zu sein !

    https://www.planet-wissen.de/natur/meer/ueberfischung_der_meere/#ueberfischt

    "Gefährliche Gier nach Fisch

    Innerhalb der vergangenen 60 Jahre hat sich die Menge des gefangenen Fisches vervielfacht – von 12,8 Millionen Tonnen im Jahr 1950 auf etwa 80 Millionen Tonnen pro Jahr seit der Jahrtausendwende.

    Die Folge: Der Bestand der großen Speise- und Raubfische wie Thunfisch, Schwertfisch und Hai ist um 90 Prozent zurückgegangen. Gerade die für die Fortpflanzung so wichtigen Altfische, die durch ihre Größe viele Nachkommen zeugen könnten, fehlen.

    Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation gelten mehr als die Hälfte aller Fischbestände als bis an die biologische Grenze befischt. Weitere 30 Prozent sind bereits völlig erschöpft. In den europäischen Fanggebieten ist die Situation noch dramatischer: Im Mittelmeer gelten beispielsweise 93 Prozent der Bestände als überfischt (Stand: 2015)."

  • am 1.05.2019 um 19:19 Uhr
    Permalink

    Die Überfischung ist auch eine unter Vielen der negativen Folgen des technischen Fortschrittes: ein modernes grosses Fangboot, ausgerüstet mit Geräten um die Schwärme zu orten, gigantischen Netzen oder Leinen, Möglichkeiten den Fisch noch an Bord maschinell zu filetieren und einzufrieren und Vieles mehr, fischt in einem Tag mehr als ganze Flottilien von traditionellen Fischer-Booten während Wochen !

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