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Militärbischof Franz-Josef Overbeck: «Der liebe Gott mag besonders die Katholiken» © ard

«Ohne Religion gibt es kein Menschsein»

Kurt Marti /  Zuerst hat er gegen die Homosexuellen gewettert und jetzt sind die Religionsfreien dran. Bischof Franz-Josef Overbeck provoziert.

Franz-Josef Overbeck ist seit 2009 Bischof von Essen und seit 2011 Militärbischof der Deutschen Bundeswehr. Er gilt als konservativ und als treuer Anhänger von Papst Benedikt XVI. Das zeigte sich beispielsweise im Jahr 2010 als er zu Gast in der ARD-Talkshow von Anne Will war. Dort vertrat er zum Thema Homosexualität konsequent die Haltung des Vatikans: «Das ist eine Sünde, das wissen wir ganz klar und eindeutig. Das widerspricht der Natur. Die Natur des Menschen ist angelegt auf das Miteinander von Mann und Frau» (siehe Link unten).

Die geschliffene Rhetorik lässt viel Raum für Spekulationen

Am letzten Freitag trieb der katholische Militärbischof Overbeck seine exklusive Anthropologie noch weiter. Anlässlich der Soldatenwallfahrt nach Lourdes unter dem sinnigen Motto «Ave Maria – Königin des Friedens» hielt er eine Rede über Religion und Kultur. Laut Overbeck werden diese beiden Phänomene «wesentlich unterschätzt», was eine «negative Folge der Säkularisation ist und des Glaubens daran, dass man die Religion und damit die Kultur zur Privatsache erklären könnte». Soll also die Religion zur Staatssache erklärt werden? Ist der katholische Gottesstaat wieder im Anmarsch? Overbeck deutet bloss an und lässt mit seiner geschliffenen Rhetorik viel Raum für Spekulationen. Nicht ohne gleichzeitig zu erklären, «dass jeder seine Religion frei ausüben darf».

Overbeck spricht den Religionsfreien das Menschsein ab

Glasklar äusserte sich Overbeck hingegen zum Status der Religionsfreien. Die aktuellen Diskussionen besonders im Hinblick auf den Islam findet Overbeck «sehr heilsam», weil sie eines zeigen: «Ohne Religion und ohne gelebte Praxis von Religion gibt es kein Menschsein.» Ein unerhörter und gefährlicher Satz. Mit seiner exklusiven Anthropologie spricht der katholische Bischof Overbeck den Religionsfreien das Menschsein ab. Wer aber kein Mensch ist, der hat auch keine Menschenwürde und keine Menschenrechte.

Da ist es nur logisch, wenn Overbeck halb im Ernst halb als Witz dahersagt: «Der liebe Gott mag besonders die Katholiken» und sich fragt, warum die Religionsfreien «nicht auch schon katholisch geworden» sind.

Katholisches Rütteln an den Fundamenten der Aufklärung

Mit seinen provokativen Thesen liegt Bischof Overbeck auf der Linie des Vatikans. Er rüttelt an den Fundamenten der Aufklärung und gleichzeitig gibt er sich handzahm: «Am Ende steht eine demokratische Überzeugung, deren Begriffe wie Menschenwürde und Menschenrechte ohne das Christentum nicht zu denken sind.» Die Kriminalgeschichte des Christentums lehrt, dass hier aufklärerische Wachsamkeit geboten ist.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Kurt Marti ist langjähriger Journalist und wohnt in Brig-Glis. Er ist mit dem Schriftsteller und Pfarrer Kurt Marti nicht verwandt.

Zum Infosperber-Dossier:

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Der Vatikan und die Katholiken

Auf Papst Benedikt XVI. folgt Papst Franziskus I. Wird er die katholische Kirche reformieren oder konservieren?

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8 Meinungen

  • am 18.05.2012 um 13:28 Uhr
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    Die Bemerkung, der Militärbischof Overbeck habe, nachdem ich das Video gesehen habe, eine geschliffene Rhetorik, ist richtig. Aber trotzdem ist seine Rede transparent genug, um das Wesentliche zu erkennen, was sie in Ihrem Beitrag auch schreiben. Mir scheint, Overbeck versucht eine Umdeutung, mit der er zu verstehen geben will, ohne Religion ist der Mensch nichts. Seine Bemerkung, ohne Religion gebe es kein Menschsein, ist ein regelrechter Affront gegen viele Menschen, die keiner Religion nacheifern. Ich muss es noch schärfer formulieren: Ein solcher Satz ist diskriminierend.
    An andere Stelle sagte Overbeck, die Etrusker hätten durch ihre Beerdigungsriten ihre Kulturfähigkeit bewiesen. Als wenn die Kulturfähigkeit im Beerdigungsritus liegen würde. Hier steckt implizit drin, weil Beerdigungsriten religiöser Natur sind, dass die Religion die Kultur ausmacht. Religion ist ohne Zweifel ein Stück Kultur, aber sie ist keineswegs die Kultur per se. Mir scheint, Overbeck verwechselt etwas, oder er arbeitet sich wie viele andere an Neudefinitionen ab.
    Dass dieser Bischof plötzlich die Vernunft ins Spiel bringt, ist nicht neu. Darin versuchten und versuchen sich auch die beiden letzten Päpste. Für mich hat es den Anschein, die Aufklärung ins Boot zu holen, um zu zeigen „wir sind aufklärerisch“. Ist dies nicht ein Versuch, den Glauben aufklärerisch und mit Vernunft neu zu begründen, um glaubhafter zu werden? Ich denke schon. Glaube bleibt, was er ist: Glaube. Dessen einziges Wissen besteht darin, zu wissen, dass man es nicht weiss.
    Tröstlich ist: Overbeck stellt lediglich Thesen auf, die nicht mit einer Art „Hebelgesetz“ bewiesen werden können. Und tröstlich ist, dass das Menschsein nicht mit der Religion beginnt und dass die Kultur allen gehört.

  • am 18.05.2012 um 15:41 Uhr
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    Bin überzeugter Religionsfreier, und überzeugt davon, dass, wenn es keine Religionen gäbe, 99% der Kriege nicht stattfinden würden, oder nicht stattgefunden hätten. Aber die Katholiken sind ja mit den Kreuzzügen als Massenmörder die Miterfinder der Kriege gewesen, und der Vatikan auch heute ohne Einfluss auf kriegsführende Regierungen. Im Gegenteil, wer sich informiert, weiss, dass der Vatikan Kollaborateur im II. WK war! – J.B. – Pietra Ligure

  • am 19.05.2012 um 07:42 Uhr
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    Ein Problem ist, dass Overbeck als Militärbischof auch für den berufsethischen Unterricht der Soldaten (Lebenskundlicher Unterricht, LKU) verantwortlich ist.

    Das Bundesverteidigungsministerium will seine Äußerungen nicht kommentieren. Begründung:

    "Bei der Erfüllung ihres geistlichen Auftrages sind die Militärgeistlichen frei von staatlicher Einflussnahme. Diese Unabhängigkeit schafft Vertrauen und Aufgeschlossenheit gegenüber der Militärseelsorge."

    Übrigens hat Overbeck bei der Soldatenwallfahrt in Lourdes noch weitere Äußerungen von sich gegeben, in denen er Ungläubige zu Soldaten zweiter Klasse degradiert:

    „Oberste Priorität hat, dass Soldaten Gewalt nur im äußersten Notfall und vor allem verantwortungsvoll einsetzen. Mit einem festen Glauben lassen sich solche Entscheidungen gewissenhafter treffen.“ [domradio]

    „Die Anwendung von Gewalt bedürfe eines gefestigten Gewissens und eines klaren Charakters sowie Gottvertrauens, so der Militärbischof.“ [Domradio]

  • am 19.05.2012 um 12:49 Uhr
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    Bischöfe haben kein Recht, sich diskriminierend zu äussern!Wenn ohne Religion kein Menschsein möglich ist, dann ist die Hälfte der Menschheit kein Mensch. wenn darüberhinaus «Gott die Katholiken besonders lieb hat", dann ist diese Aussage der Gipfel an Borniertheit! Woher wollen Sie das wissen, Overbeck? sie nehmen sich Rechte und Autorität heraus, die Ihnen nicht zusteht und die demnach 2/3 der Menschheit beleidigen.
    Als katholischer Bischof sind Sie nur für die Menschen zuständig, die an Ihren Lippen hängen, und glauben Sie mir, das sind weniger , als Sie glauben.
    Ich fühle mich dem Humanismus zugehörig, das ist mehr und geht weit über das hinaus, was Sie propagieren. bitte etwas mehr Zurückhaltung bei Ihren Aussagen.

  • am 20.05.2012 um 10:01 Uhr
    Permalink

    Die katholische Kirche krankt an der Meinung, dass es zwar einen Allmächtigen
    gibt, dass sie aber ganz genau und bis ins Einzelne im Bild über diese Allmacht ist.
    Erstaunlich ist, dass sie trotz der vielen eigenen Fehlbehauptungen – ich denke
    da an die runde Erde als eines unter vielen Beispielen – noch immer den Status
    einer allwissenden Institution vertritt. Es ist einfach, andere zu Opfern, zur Be-
    scheidenheit und Askese anzuhalten, wenn die Führung selbst sich nur sehr be-
    dingt daran glaubt halten zu müssen.- Warum muss das so sein? Das sind nur einige von vielen Punkten dieich nicht mehr verstehen kann.
    P. Spätig

  • am 21.05.2012 um 15:06 Uhr
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    Militärbischof Overbeck scheint nicht zu wissen, dass wir Menschen mehr Fähigkeiten besitzen als wir in unserem Leben nutzen können, zum Beispiel Sexualität, Musikalität, Spiritualität, Religiosität. Kein Mensch muss sexuell oder musikalisch oder spirituell aktiv sein und bleibt dennoch im Vollsinn Menschen. Wir gestalten unser Leben nach eigenen Präferenzen. So betrachtet, ist geradezu obszön, den Nicht-Religiösen die Fülle des Menschseins abzusprechen. Als Militärbischof im Dienste der Bundeswehr wird er wohl den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan mit religiöser Überzeugung vertreten. Eigentlich ist das so pervers wie seine Spucke auf Homosexuelle.

  • am 22.05.2012 um 12:02 Uhr
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    Man darf gespannt sein, ob und wie der Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière auf das Schreiben der Giordano-Bruno-Stiftung antworten wird.
    http://hpd.de/print/13403

  • am 25.05.2012 um 14:06 Uhr
    Permalink

    Widersprüche gibt es unter uns Menschen. Bei den Kirchenleuten wahrscheinlich nicht mehr und nicht weniger als bei andern Menschen. Wenn gemessen werden soll, dann in erster Linie an den erklärten Idealen.
    Im Christentum steht zuoberst die Liebe – zu Gott, zu sich selbst, zu allen Mitmenschen und explizit zu den Feinden.
    Dass kaum ein Mensch diese Ideale leben kann, müsste klar sein. Ein Bischof sollte sie aber wenigstens zu erklären versuchen.
    Kriege als Folge der Religionen? Beispiel Irak: der «wiedererweckte» Christ Bush und der konvertierte Katholik Blair haben die Invasion erwirkt. War (ist) es deshalb ein Religionskrieg? Es ist das Geschäft mit den Waffen, ums Öl, ums Geld….
    Immerhin hatte Papst Johannes Paul II ganz deutlich und auch öffentlich gesagt, was aus kirchlicher Sicht von diesem «Befreiungs"-Krieg zu halten ist. Auch andere Persönlichkeiten, Friedens- und Militärfachleute, mit oder ohne Religionszugehörigleit haben gewarnt, auch die UNO….
    So ist und war es mit vielen andern Kriegen, religiöse Massen lassen sich indoktrinieren wie atheistische Massen leider auch. Krieg ist Geschäft, was dazu dienlich ist wird eingespannt.

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