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Bodenkontrollstation für eine Predator-Drohne im Irak 2007. © U.S. Airforce Public Domain

Der US-Drohnenkrieg geht weiter

D. Gschweng /  Donald Trump scheut meist keine Mühe, die Politik seines Vorgängers ungeschehen zu machen – mit einer folgenschweren Ausnahme

Wurde Barack Obama im Drohnenkrieg noch genau auf die Finger geschaut, ist es unter Trump still geworden um die umstrittene Tötung aus der Ferne. Dabei geht der Drohnenkrieg der USA unvermindert weiter. Es gibt sogar Anzeichen, dass er sich intensiviert.

Seit Beginn seiner Amtszeit hat Trump im Jemen, in Pakistan und Somalia, wo die USA nicht offiziell Krieg führen, 238 Drohnenangriffe abgesegnet, pro Jahr knapp doppelt so viele, wie sein Vorgänger 2016 in denselben Ländern befohlen hatte. Diese Zahlen stammen vom U.S. Central Command (CENTCOM) und wurden vom «Bureau of Investigative Journalism» (TBIJ) bestätigt.

Mehr als die Hälfte davon, nämlich 129 Drohnenangriffe, zählte das TBIJ 2017 im Jemen, den Grossteil davon in den Monaten März und April, kurz nach Trumps Amtsantritt. Im Jahr davor waren es noch 36 gewesen, listet die Website «The Daily Beast» auf. (Leicht abweichende Zahlen präsentiert das TBIJ, es nennt 40 Angriffe in 2016. Die Differenz ist unerheblich.)


Der Drohnenkrieg der USA ausserhalb offizieller Kriegsgebiete hat sich nach der Obama-Legislatur (blau) unter Trump (rot) eher verstärkt (Zahlen «The Daily Beast», Grafik Daniela Gschweng).

Nicht alle Drohnenangriffe trafen Al-Kaida. Unter den mindestens 181 Todesopfern befanden sich nach der Datenbank des TBIJ mindestens 33 Zivilisten, ein Drittel davon Kinder. Die bereits unter Obama umstrittenen Richtlinien zur Genehmigung tödlicher Drohnenmissionen seien unter Trump nochmals gelockert worden, vermutet «The Daily Beast» als Ursache für den steilen Anstieg und bezieht sich auf Anti-Terror-Experten aus US-Regierungskreisen.

Noch immer sterben viele Unschuldige

Das TBIJ, das Drohnenangriffe seit mehreren Jahren monitort, führt derzeit eine Recherche namens «Shadow Wars». Neben Afghanistan untersucht die stiftungsfinanzierte Non-Profit-Organisation, wo es in den inoffiziellen Kriegsgebieten Pakistan, Somalia und Jemen Drohnenangriffe der USA gab und verfolgt soweit möglich, wie viele Opfer sie fordern. Die Ergebnisse dieser Recherche trägt sie in einer Datenbank zusammen, die online zugänglich ist.


Das «Bureau of Investigative Journalism» (TBIJ) führt eine Datenbank über US-Drohnenangriffe in Afghanistan, Pakistan, Somalia und Jemen, online erreichbar hier. (Screenshot)

In sogenannten «Signature Strikes» sollen durch Drohnenangriffe Terroristen auch ausserhalb von Kriegsgebieten gezielt getötet werden. Wer die Getöteten sind, bleibt oft im Dunkeln, genauso, ob sie überhaupt bewaffnet waren. Unschuldige Opfer werden oft als «feindliche Kämpfer» gezählt, wenn nicht Journalisten, Nichtregierungsorganisationen oder andere Regierungen intervenieren (Infosperber «Im Drohnenkrieg der USA gilt die Schuldvermutung»). US-Drohnenangriffe, auch das ist der Datenbank zu entnehmen, sind relativ sicher tödlich. Gemäss TBIJ gab es 2017 im Jemen zwar mindestens 181 Tote, aber nur 12 bis 13 Verletzte.

Hunderte bis Tausende Drohneneinsätze in Kriegsgebieten

Das jedoch ist nur ein kleiner Teil. Die weitaus meisten Einsätze unbemannter Drohnen wurden im Irak, in Syrien und Afghanistan geflogen, wo die USA offiziell Krieg führen. Die TBIJ-Datenbank listet für dieses Jahr bis Ende November mehr als 1‘000 Angriffe allein in Afghanistan auf. Auch diese Zahlen sind das Ergebnis von ausführlicher Recherchearbeit. Die Informationslage, das beklagen auch andere Organisationen, habe sich in den letzten Jahren sehr verschlechtert. Das US-Militär sei zunehmend intransparent.

Darüber, welche Luftangriffe der US-Armee mit Drohnen durchgeführt werden, gebe es keine genauen offiziellen Angaben, bedauert beispielsweise Chris Wood, Leiter der britischen Organisation «Airwars» gegenüber «The Daily Beast». «Airwars» verfolgt den Luftkrieg in Konfliktzonen wie Irak und Syrien anhand öffentlich zugänglicher Quellen und versucht nachzuvollziehen, welche Konfliktpartei Angriffe fliegt.

Kein Ende in Sicht

Insgesamt seien die USA jedoch nur zu einer begrenzten Anzahl von Drohnenschlägen pro Jahr in der Lage, sagt Woods. Einen Anhaltspunkt geben die US-Militärausgaben für «Hellfire» Raketen, die von den Drohnen aus abgeschossen werden. Zum Ende der Regierungszeit Obamas stiegen diese kurzfristig an, weil das US-Verteidigungsministerium aufstockte, um dem Aufstieg des IS in Syrien und im Irak entgegenzuwirken. Unter der Trump-Administration sind die «Hellfire»-Ausgaben 2017 nochmals um 63 Prozent gestiegen, obwohl sich die Kriege im Irak und in Syrien eher beruhigt haben. Die jüngste Budget-Anforderung enthält nochmals eine Steigerung um 20 Prozent. Ein Anzeichen dafür, dass der Drohnenkrieg sich eher intensiviert. Bisher, sagt Woods, gebe es dafür aber noch keine Beweise.

Besorgniserregend ist aus Sicht von «Airwars» und des «Bureau of Investigative Journalism» die Zunahme der Gebäudebombardierungen, ob sie bemannt oder unbemannt durchgeführt werden. In Afghanistan haben die USA allein im Oktober 66 Gebäude zerstört – mehr als zwei pro Tag. Das schreiben die TBIJ-Journalistinnen Jessica Purkiss und Abigail Fielding-Smith im Forum «Just Security». Im Einzelfall koste das vielen Zivilisten das Leben. Die Vereinten Nationen zeigten sich bereits Anfang Oktober besorgt über die hohe Zahl der zivilen Opfer.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

afghanistan

Nach dem Nato-Krieg in Afghanistan

Von 2001 bis 2021 führte die Nato unter Führung der USA in Afghanistan einen «Krieg gegen den Terror».

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6 Meinungen

  • am 5.12.2018 um 12:57 Uhr
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    Wetten, dass Trump über Strohmänner in die US, EU + ISRAEL Waffenindustrie privat investiert.
    Zudem kontrollieren die USA in Afghanistan das „weisse Gold“ den Mohnabau, nicht den Terrorismus und kämpfen schon garnicht dafür, dass Mädchen in die Schulen dürfen.

  • am 5.12.2018 um 16:09 Uhr
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    Permanente Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie das Völkerrecht sind schon seit Jahrzehnten das herausragende Kennzeichen der USA. Begonnen damit hat Israel in Palästina vor rund 80 Jahren, und die USA haben das nicht nur im Weltsicherheitsrat permanent verteidigt und sowohl finanziell als auch waffentechnisch – übrigens ebenso wie Deutschland – bis heute tatkräftig unterstützt, sondern auch gegen andere Länder praktiziert, beginnend in Afghanistan bis zum heutigen Tag im Jemen, wo gegen 10 Millionen Menschen verhungern, falls sie nicht durch saudische Drohnen ermordet werden!
    Und Präsident Trump, der während dem Wahlkampf noch einigermassen zu wissen schien, dass vieles an der US-Aussen-und Kriegspolitik falsch ist und geändert werden müsste, hat das unter dem Druck seiner allzu mächtigen Feinde aufgegeben, um seine Haut zu retten! Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den diesbezüglich ausgezeichneten Artikel von Ron PAUL, dem ehemaligen Präsidentschaftskandidaten, mit dem Titel «Trump Foreign Policy: Doing the Same Thing and Expecting a Different Result"

  • am 5.12.2018 um 17:29 Uhr
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    Diese Drohnenangriffe in Jemen, Pakistan und Somalia, wo die USA nicht offiziell Krieg führen sind ganz klar Kriegsverbrechen!
    Die Amerikaner sind Ankläger, Richter und Henker in einem. Sie verstossen gegen sämtliche Rechte!
    Wieso klagt hier niemand?
    Die meisten Opfer dabei sind Zivilisten welche zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Es kann jeden treffen!

  • am 6.12.2018 um 08:40 Uhr
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    Wie viele zivile Opfer bei aussergerichtlichen Hinrichtungen mit Drohnen in Pakistan, Somalia, in Jemen und anderen Ländern umkommen werden wir sicher nie genau wissen. Auf jeden Fall ist die Ermordung von unschuldigen Männern, Frauen und Kindern mit Drohnen ebenso schrecklich wie die Tötung des Journalisten Khashoggi in der Türkei. Aber die Waffenexporte der Schweiz nach den USA gehen weiter, trotz dieser Verbrechen. Nach dem Khashoggi Mord hat man die Waffenexporte von der Schweiz nach Saudiarabien vorläufig eingestellt. Auch nach Deutschland exportiert die Schweiz weiter Kriegsmaterial, obwohl bekannt ist, dass die Drohnenangriffe der USA nur über eine Satellitenanlage in Ramstein in Deutschland aus durchgeführt werden können. Diese US-Stationen werden mit dem Einverständnis der deutschen Regierung betrieben. Deutschland ist mit dieser Anlage in Ramstein und dem African Command der US-Streitkräfte in Stuttgart Komplize der aussergerichtlichen Hinrichtungen der USA in Pakistan, Somalia, dem Jemen und in anderen Ländern.

    Madiha Tahir hat in ihrem Film «Die Wunden von Waziristan» den Terror, den die US-Regierung mit ihren Killerdrohnen gegen die Bevölkerung im Nordwesten Pakistans tagtäglich ausübt dokumentiert.

    Siehe dazu auch den Film US-Drohnenkrieg: «Die Wunden von Waziristan»

    https://www.youtube.com/watch?v=eDy4zqZ0pEo

  • am 6.12.2018 um 16:37 Uhr
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    @WALTER: Sie schreiben: «Wieso klagt hier niemand?» – Sie klagen ja. Und so tun es viele, viele Menschen (hier & v.a. auch den ge-/betroffenen Ländern). Ach, Sie könnten mit Ihren Worten ja die Politiker/Regierenden meinen, nicht? Vielleicht klagt niemand, weil «wir Kleinen» immer wieder jene wählen (SVP, FDP, CVP usw.), die hier – statt klagen – hofieren gehen … so dass der «Kleine», wegen einigen Waffengeschäften weniger – nicht pro Kopf 2 Fr. weniger im Jahr in die Tasche fliessen. Also: Die Klage über die 2 Fr. ist eben grösser als jene über die von Bomben zerfetzte Menschen. Soweit alles klar nun?

    @Schmid: Sie schreiben: «Permanente Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie das Völkerrecht sind schon seit Jahrzehnten das herausragende Kennzeichen der USA. Begonnen damit hat Israel in Palästina vor rund 80 Jahren, …"
    So wird das nichts mit dem Frieden auf dieser Welt … wenn es sogar Ihnen nicht gelingt, Ihre Entrüstung mit einer Hieb respektive mit auf antisemitisch Mist basierten Gedankengut zu unterfüttern. «Begonnen» hat das sicher nicht mit Israel … oder haben Sie etwa noch nichts davon gehört wie es zum Staate USA (dessen Territorien) gekommen, noch nichts von Monroe Doktrin, nichts den Interventionen ‹all over› Lateinamerika (Haiti, ‹Bananenrepubliken›) usw., noch nichts von den europäischen Kolonialismus (sowie dem Versuch diese nach dem 2. WK wieder «in den Griff» zu bekommen: Vietnam, Indonesien, Iran usw. usf.)?

  • am 6.12.2018 um 17:16 Uhr
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    Was hindert die USA daran das genau gleiche auch über dem Himmel Europas tun zu wollen? Ja eigentlich nichts… das wäre vermutlich dann wenn Angriffe mit rechtlichen und finanziellen Methoden nichts nützen und auch die eine oder andere Regierung ohne Ergebnis gestürzt wurde… es reicht ja schon aus, Europa im Chaos zu versenken.

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