Kommentar
Die «NZZ»: Ziemlich einfach gestrickt
«Die Urnengänger sind mehrheitlich nicht so simpel gestrickt wie die Urheber gewisser Initiativen.» Das schrieb Wirtschaftsredaktor Hansueli Schöchli gestern in der «NZZ». Anlass für sein Lob an die Stimmberechtigten war das klare Nein zur Erbschaftssteuer-Initiative der Juso.
Die Anerkennung kam ein bisschen überraschend. In letzter Zeit hatte es sich die «NZZ» zur Gewohnheit gemacht, die Stimmberechtigen zu schelten:
- Chefredaktor Eric Gujer schrieb im April: «Die Schweizer genehmigten sich einen tüchtigen Schluck aus der Rentenpulle und stimmten für eine 13. AHV-Auszahlung.» Er schimpfte: Wir seien nicht «Staatsbürger», sondern «Staatskonsumenten».
- Wirtschaftsredaktor Hansueli Schöchli hatte einen Monat davor geklagt: «Die Bürger sind tendenziell linker, etatistischer und egoistischer geworden.»
- Bereits unmittelbar nach der Abstimmung zur 13. AHV-Rente hatte Inlandredaktorin Christina Neuhaus im März 2024 kritisiert: «Offensichtlich wollte die Mittelklasse, der Ende des Monats immer weniger Geld bleibt, auch dem Staat und seinen politischen Repräsentanten einen Denkzettel verpassen.»
Kurz gesagt: Wenn wir anders stimmen, als es die «NZZ»-Redaktoren gerne hätten, dann sind wir Stimmberechtigten ein Haufen egoistischer Staatskonsumenten, die nur danach trachten, dem Staat einen Denkzettel zu verpassen. Aber wenn wir so stimmen, wie es die «NZZ»-Redaktoren gerne hätten, dann sind wir gar «nicht so simpel gestrickt».
Oder ist am Ende etwa die «NZZ» ein bisschen «simpel gestrickt»?
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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