Korvette der Sa'ar-6-Klasse für Israel vor der Bauwerft in Kiel

In Deutschland gebaute Korvettes der Sa'ar-6-Klasse werden von Israel eingesetzt, um von See aus zur Zerstörung des Gazastreifens beizutragen (Foto vor der Bauwerft in Kiel im September 2020). © cc-by-sa-3 Marco Kuntzsch via Wikimedia Commons

Rüstungskooperation um jeden Preis

German Foreign Policy /  Deutschland setzt seine Rüstungskooperation mit Israel trotz wachsender Proteste gegen die israelische Kriegsführung fort.

Ungeachtet jüngster Berichte über die exzessiv hohe Zahl an zivilen Todesopfern im Gazakrieg und trotz der offiziellen Einstufung der Lage in Gaza als Hungersnot hält Deutschland an der Unterstützung für Israels Streitkräfte fest. Recherchen des israelischen Magazins «+972» zeigen, dass mindestens 83 Prozent aller Todesopfer im Gazastreifen Zivilisten sind. Die Zahl der Menschen, die im Gazastreifen verhungert sind, da Israels Rechtsaussenregierung Hilfslieferungen mutwillig blockiert, wird bereits mit 435 angegeben.

Die Ankündigung von Bundeskanzler Friedrich Merz, bestimmte Waffenlieferungen nicht mehr zu genehmigen, erweist sich als wenig wirksam; sie betrifft den Grossteil der deutschen Rüstungsexporte nach Israel nicht. Ausserdem steigert die Bundesrepublik die Einfuhr von Rüstungsprodukten aus Israel. Berlin hat dabei vor allem die Ausweitung der Zusammenarbeit mit Start-ups im Visier, die in Gaza die Kriegsführung mit Künstlicher Intelligenz (KI) erproben; es hat den Ausschluss israelischer Start-ups von der EU-Forschungsförderung blockiert. Dabei nehmen auch in Israel selbst die Proteste gegen die Kriegspläne der israelischen Regierung zu.

Eine Million gegen Netanjahu

Bundeskanzler Friedrich Merz hatte am 8. August angekündigt, die Bundesregierung werde «bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern» an Israel mehr genehmigen, «die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können».[1] Damit reagierte Merz auf die Entscheidung des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu, die Stadt Gaza einzunehmen, ihre Bevölkerung vollständig zu vertreiben und den gesamten Gazastreifen direkter militärischer Kontrolle zu unterwerfen. Die Entscheidung stösst in Israel selbst zunehmend auf Protest. Am 17. August nahmen mehr als eine Million Israelis an Demonstrationen und an Streiks gegen die weitere Eskalation des Krieges teil – rund ein Zehntel der gesamten Bevölkerung des Landes.[2]

Bereits zuvor hatte es massiven Widerstand aus den Streitkräften gegeben. So war berichtet worden, Generalstabschef Eyal Zamir habe intern eindringlich vor der erneuten Offensive gewarnt und darauf hingewiesen, sie könne zu «Erosion» in den nach zwei Jahren Krieg ohnehin erschöpften israelischen Streitkräften führen.[3] Die Zahl der Suizide von Soldaten, die im Gazakrieg eingesetzt werden, nimmt aktuell dramatisch zu.[4] Schon am 12. August hatten Hunderte pensionierte bzw. in Reserve befindliche Luftwaffenpiloten gegen Netanjahus Kriegspolitik demonstriert, darunter zahlreiche hochrangige Offiziere.[5]

Wenig wirksam

Ungeachtet der nicht nur international, sondern auch in Israel selbst stark anschwellenden Proteste ist die Reichweite des von Merz angekündigten Genehmigungsstopps stark begrenzt. Die Bundesrepublik war in den Jahren von 2020 bis 2024 laut den Statistiken des Forschungsinstituts Sirpri Israels zweitgrösster Rüstungslieferant – mit einem Wertanteil von rund 33 Prozent. Dabei bestand der Grossteil der deutschen Ausfuhren aus Lieferungen an Israels Marine, die U-Boote und Korvetten aus deutscher Produktion nutzt. Die der «Seeverteidigung» dienenden Lieferungen sind laut einem Papier des Bundeskanzleramts von dem Genehmigungsstopp nicht betroffen.[6] Dem steht offensichtlich nicht im Wege, dass die von German Naval Yards in Kiel hergestellten Korvetten der Sa’ar 6-Klasse eingesetzt wurden, um von See aus zur Zerstörung des Gazastreifens beizutragen.

Zudem ist nicht klar, ob zur Zeit überhaupt neue Genehmigungen anstehen. Die Umsetzung schon abgesegneter Rüstungslieferungen wird von Merz‘ Ankündigung nicht in Frage gestellt. [7] Die Rüstungsfirma Renk, die unter anderem Getriebe für israelische Kampfpanzer produziert, zieht eine Teilverlagerung ihrer Fertigung in die USA in Betracht, sollte sie Israel nicht mehr von Deutschland aus beliefern dürfen. Renk zieht zwei bis drei Prozent des Umsatzes aus dem Israel-Geschäft.[8]

Rüstungsimporte aus Israel

Jenseits der Exporte weitet die Bundesrepublik ihre Einfuhr israelischer Rüstungsprodukte systematisch aus. So soll nicht nur Ende des Jahres die erste Einheit des israelischen Luftverteidigungssystems Arrow 3 in Nordostdeutschland in Dienst gestellt werden; Arrow 3 wird von Israel Aerospace Industries (IAI) und dem US-Konzern Boeing hergestellt, wehrt ballistische Raketen ab und hat in Israels Krieg gegen Iran einen sehr umfassenden Praxistest absolviert. Die Luftwaffe will zudem laut Berichten auch Arrow 4 beschaffen, eine Weiterentwicklung von Arrow 3, die gegenwärtig bei IAI in Arbeit ist.[9]

Darüber hinaus will die Luftwaffe drei weitere IAI-Drohnen des Typs German Heron TP erwerben; fünf hat sie bislang – mit Kaufoption – geleast. Wie es heisst, sollen sechs der insgesamt acht Drohnen auf dem Fliegerhorst Jagel in Schleswig-Holstein stationiert werden, zwei auf der israelischen Air Base Tel Nof südlich von Tel Aviv.[10] Welche Aufgabe die deutschen Drohnen auf Tel Nof erfüllen sollen, ist unklar.

Ende Juli wurde schliesslich bekannt, Deutschland werde bei Israels zweitgrösster Waffenschmiede Elbit, die der Bundeswehr unter anderem Puls-Raketenwerfer liefern soll, auch Selbstschutzsysteme für die Transportflugzeuge A400M kaufen – für gut 260 Millionen US-Dollar.[11] Israels Einfluss auf die Bundeswehr wächst damit.

KI-Kriegsführung

Dies umso mehr, als die israelische Rüstungsindustrie und insbesondere Rüstungs-Start-ups immer entschiedener nach Deutschland und Europa drängen. Hintergrund ist zum einen, dass die europäischen Nato-Staaten ihre Militäretats auf 3,5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts aufstocken wollen – zuzüglich 1,5 Prozent für militärisch nutzbare Infrastruktur –, was Rüstungsfirmen gewaltige Geschäfte verspricht.

Zum anderen wirkt sich aus, dass vor allem die Bundesrepublik in Sachen Cyber- bzw. KI-Kriegsführung massive Defizite aufweist. Dies bietet insbesondere israelischen Unternehmen – darunter zahlreiche Start-ups –, die die militärische Nutzung von KI rasant vorantreiben und im Gaza-Krieg umfassende Praxistests durchführen konnten, attraktive Chancen. Der Anteil der Ausfuhr nach Europa am gesamten israelischen Rüstungsexport ist bereits von weniger als 30 Prozent im Jahr 2022 auf 54 Prozent im Jahr 2024 gestiegen.[12]

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat vor kurzem eine enge deutsch-israelische Kooperation in der «Cyberabwehr» in Aussicht gestellt.[13] Pläne der EU-Kommission, Israel vom EU-Forschungsprogramm Horizon Europe auszuschliessen, scheiterten kürzlich insbesondere an Berlin.[14] Die Massnahme hätte vor allem israelische Start-ups getroffen, die etwa bei der militärischen Nutzung von KI führend sind.[15]

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[1] Bundeskanzler Friedrich Merz erklärt zur Entwicklung in Gaza. bundesregierung.de 08.08.2025.
[2] Ariela Karmel, Nava Freiberg: Hundreds of thousands demonstrate in Tel Aviv at end of nationwide day of hostage protests. timesofisrael.com 18.08.2025.
[3] Military chief said to clash with Netanyahu over plans to conquer Gaza, son’s tweet. timesofisrael.com 06.08.2025.
[4] IDF reports sharp rise in soldier suicides. france24.com 15.07.2025.
[5] Itay Stern: Hundreds of retired air force officers protest Israel’s war in Gaza. npr.org 14.08.2025.
[6] Julian Olk, Frank Specht: Israel-Entscheidung von Merz sorgt für Entrüstung in der Union. handelsblatt.com 10.08.2025.
[7] Bundesregierung schränkt Lieferungen nach Israel ein. Frankfurter Allgemeine Zeitung 09.08.2025.
[8] Laura Pitel, Mehul Srivastava: Defence supplier Renk threatens to sidestep German ban on Israel arms exports. ft.com 13.08.2025.
[9] Lars Hoffmann: Bundeswehr möchte israelisches Waffensystem Arrow 4 beschaffen. hartpunkt.de 07.05.2025.
[10] Lars Hoffmann: Luftwaffe beschafft drei weitere Drohnen des Typs German Heron TP. hartpunkt.de 13.06.2025.
[11] Elbit Systems erhält Auftrag über 260 Millionen US-Dollar für Selbstschutzsysteme der deutschen A400M-Flotte. esut.de 28.07.2025.
[12] Wilhelmine Stenglin: Armaments cooperation: How Israeli start-ups aim to penetrate the German market. table.media 23.07.2025.
[13] S. dazu Der «Cyber Dome».
[14] Shona Murray, Maïa de La Baume: EU fails to agree Israeli suspension from research fund over Gaza. euronews.com 30.07.2025.
[15] David Matthews: European Commission wants to suspend Israel from parts of Horizon Europe. sciencebusiness.net 28.07.2025.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Online-Plattform german-foreign-policy.com. Diese «Informationen zur deutschen Aussenpolitik» werden von einer Gruppe unabhängiger Publizisten und Wissenschaftler zusammengestellt, die das Wiedererstarken deutscher Grossmachtbestrebungen auf wirtschaftlichem, politischem und militärischem Gebiet kontinuierlich beobachten. Infosperber veröffentlicht hier eine leicht gekürzte und aktualisierte Fassung des Beitrags vom 25.8.2025.
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