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Medikamente verzehren jeden vierten Prämienfranken © dreamstime

Pharma: «Teure Pillen erhalten Arbeitsplätze»

upg /  Die Pharmaindustrie verteidigt die hohen Schweizer Preise mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen. Professor Tilman Slembeck kontert.

In keinem andern Land beanspruchen Medikamente einen so hohen Anteil der gesundheitlichen Grundversorgung wie in der Schweiz: Ein ganzes Viertel der Krankenkassenprämien gehen für Medikamente drauf.
Die extrem hohen Kosten für Medikamente verteidigte die Pharmaindustrie im Januar 2011 unter anderem erneut mit den vielen Arbeitsplätzen, welche sie in der Schweiz schaffe. Da stellt sich die Frage: Sollen die Schweizerinnen und Schweizer möglichst noch teurere und auch noch viel mehr Arzneimittel schlucken, damit möglichst viele Pharma-Arbeitsplätze erhalten bleiben?

Pharma redet auf Professoren ein

Die Pharma-Lobby versucht teilweise erfolgreich, Wirtschaftsprofessoren für ihr Argument zu gewinnen. Sie sollen mit ihrem Ansehen darauf hinweisen, dass die Pharmabranche eine der blühenden Industrien in der Schweiz und ein grosser Arbeitgeber sei. Diese volkswirtschaftliche Bedeutung würden die hohen Preise rechtfertigen.
Beim St. Galler Professoren und Gesundheitsökonomen Tilman Slembek sind Vertreter der Pharmabranche mit diesen Argumenten an den falschen geraten: «Sie versuchten mich dazu zu bewegen, ‹endlich einmal› den volkswirtschaftlichen Nutzen des Gesundheitswesens hervorzuheben, statt immer nur dessen Kosten», erzählt Slembeck in seinem Blog.

Wunderpille würde Zehntausende von Arbeitsplätzen kosten

Die grösse einer Branche, die hauptsächlich mit Zwangsabgaben finanziert und nur wenig den Marktmechanismen ausgesetzt ist, sage «sehr wenig» über die volkswirtschaftliche Nützlichkeit aus. Slembeck lädt zu folgendem Gedankenexperiment ein: Falls ein Wundermittel erfunden würde, das alle Krankheiten beseitigen könnte, würden wir dieses einsetzen, selbst wenn dadurch Zehntausende von Arbeitsplätzen verloren gingen.

Ökonomische Auslegeordnung

In seinem längeren Konter untersucht Gesundheitsökonom Slembeck den Einfluss von Gesundheitsausgaben auf die Gesundheit, den abnehmenden Nutzen höherer Gesundheitsausgaben und plädiert für das Erfassen der Behandlungsqualität. Ärzte und Spitäler hätten «sich bisher insbesondere gegen Qualitätsvergleiche erfolgreich gewehrt».


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