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IEA: Entwicklung der CO2-Emissionen im Vergleich zu den CO2-Zielen © hpg

Energieverbrauch und Klimaziel klaffen auseinander

Hanspeter Guggenbühl /  Klimaforscher fordern die Halbierung des CO2-Ausstosses. Doch die Wachstumspolitik bewirkt eine stetige Zuname der Treibhausgase.

Der Ausstoss von Treibhausgasen sei soweit zu senken, dass sich das globale Klima um weniger als zwei Grad Celsius erwärmt. Soweit waren sich die Regierungen an den Klimakonferenzen in Kopenhagen und in Cancun einig. Doch verbindlichere Verpflichtungen lassen auf sich warten.

Wunsch contra Wirklichkeit

Um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, müssten die Emissionen von CO2 (Kohlendioxid) und weiteren Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 um mindestens 50 Prozent gesenkt werden. Das zeigt der jüngste Bericht des Wissenschaftsgremiums Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Auch dieses Ziel ist nicht neu: Schon am Klimakongress von 1988, in Toronto forderten die Teilnehmenden, der globale CO2-Ausstoss sei bis 2050 zu halbieren (siehe Grafik: Grüne Linie).

Doch Wunsch und Wirklichkeit klaffen seit zwei Jahrzehnten auseinander. Das belegen die jüngsten Resultate: Von 1990 bis 2008 nahmen die CO2-Emissionen aus fossilen Energieträgern – und damit der überwiegende Teil aller klimawirksamen Gase – weltweit um weitere 40 Prozent zu. Laut den neusten Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) vom November 2010 wird sich dieser Wachstumstrend fortsetzen (siehe Grafik: Rote Linien). Konkret: Im Szenario „Weiter wie bisher“ rechnet die IEA bis zum Jahr 2035 mit einer Verdoppelung der CO2-Emissionen gegenüber dem Stand von 1990. Beim Szenario „Neue Politik“ resultiert immer noch eine Zunahme um 69 Prozent.

Ans Wachstum gekoppelt

Die Zunahme von CO2 ergibt sich aus der Koppelung von Wirtschaft und Energieverbrauch: Der Einsatz der bequem förder- und nutzbaren Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas treibt die Wirtschaft an. Das Wachstum der Wirtschaft wiederum erhöht den Verbrauch der fossilen Energieträger, bei deren Verbrennung CO2 entsteht und entweicht. Dank Steigerung der Energieeffizienz wächst der CO2-Ausstoss zwar etwas langsamer als die Wirtschaft, dies vor allem in den Industriestaaten. Aber die erhoffte absolute Entkoppelung – also abnehmende CO2-Emissionen trotz weiterem Wirtschaftswachstum – hat sich nicht eingestellt und lässt laut Prognosen weiter auf sich warten.

„Klimapolitik ist eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit“, erklären die Regierungen an den Klimakonferenzen. Ihre langfristigen Klimaziele gehen davon aus, dass der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien den Energietrend wendet. In Realität aber hat die kurzfristige Wachstumspolitik – seit langem – stets Vorrang. So pumpten die Industriestaaten in den letzten Jahren weit mehr Geld in die Wirtschaft, um die Konjunktur anzukurbeln, als in Investitionen zur Reduktion der klimawirksamen Gase. Zudem subventionieren Industrie- und Entwicklungsländer zusammen die Nutzung von fossiler Energie mit jährlich mehr als tausend Milliarden Franken.

Energielobby negiert Klimaschutz

Den eklatanten Widerspruch zwischen Reduktionsziel beim CO2 und bevorzugter fossiler Energienutzung illustrierten zwei Aussagen am diesjährigen Weltenergiekongress (WEC), der drei Monate vor der Klimakonferenz in Cancun stattfand: „Der Zugang zu bezahlbarer Energie und die Energie als Wachstumsmotor sind stärker im Fokus als der Klimaschutz“, urteilte dort Johannes Teyssen, Präsident des WEC-Europa. Ins gleiche Horn stiess der Schweizer Erdgas-Vertreter Martin Seiffert: „Die Energiezukunft ist und bleibt fossil – CO2 hin oder her.“

Begründung: Um den wirtschaftlichen Rückstand gegenüber den Industriestaaten aufzuholen, wollen Entwicklungsländer auf den Einsatz der – noch billigen – fossilen Energieträger nicht verzichten. Aus diesem Grund wächst der CO2-Ausstoss in Schwellenländern wie China oder Indien zurzeit am stärksten. Die Industriestaaten, die pro Kopf immer noch am meisten CO2 verursachen, bekunden zwar den Willen, auf erneuerbare Energieträger umzusteigen. Doch dieser Umstieg braucht Zeit und kostet viel Geld, an dem es den stark verschuldeten Industriestaaten zurzeit mangelt.

Nur Krise wendete den Trend

Den Konflikt zwischen Wirtschaftswachstum und Klimaschutz spiegelt die Weltenergie-Statistik: Seit 1988, als die Klimaforscher erstmals eine Halbierung des CO2-Ausstoss forderten, hat der globale Energieverbrauch nur einmal abgenommen. Das war im Krisenjahr 2009. Im laufenden Jahr 2010 ist wieder mit einer Zunahme zu rechnen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

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