Postagentur Kaufdorf Metzgerei Anderegg

Die Post nennt es «Filiale mit Partner»: Postagentur in Kaufdorf BE. © Marco Diener

Viele Postagenturen sind am Ende

Marco Diener /  Zuerst schloss die Post tausende von Poststellen. Und nun gehen auch Postagenturen zu.

4100 Poststellen gab es 1970 in der Schweiz. Inzwischen sind es laut der Konsumentenzeitschrift K-Tipp nur noch deren 773. Damit hat die Post ihr Versprechen gebrochen. Im Sommer 2017 hatte sie das «Postnetz der Zukunft» vorgestellt und angekündigt, «langfristig ein Postnetz mit den versprochenen 800 bis 900 eigenbetriebenen Poststellen zu betreiben». Doch das ist alles bereits Makulatur.

Minus 2500 Poststellen

Allein in den letzten beiden Jahrzehnten hat die Post fast 2500 Poststellen abgebaut. Diesen epochalen Kahlschlag fing sie teilweise durch die Eröffnung von Postagenturen auf. Das sind Schalter in Dorfläden, Gemeindeverwaltungen oder Apotheken, die nur ein Rumpfsortiment anbieten.

Keine Auslandpakete mehr

Doch nun schliessen auch Postagenturen. Zum Beispiel diejenige in der Bäckerei Merz in Luzern. Geschäftsleiterin Nathalie Nowak sagte dem K-Tipp: «Es gibt zu viel Ärger mit den Postgeschäften.» Die Post ändere immer wieder die Spielregeln. So können die Kunden neuerdings keine Auslandpakete mehr aufgeben, sofern sie die Zolldeklaration nicht selber im Internet ausfüllen. Solche Änderungen führten zu langen Diskussionen, berichtet Nowak. Die Angestellten hätten dafür keine Zeit. Die Rechnung gehe nicht mehr auf.

Von kurzer Dauer

Manche Postagenturen existieren nur kurz. Diejenige in Glion VD eröffnete im Herbst 2020. Kommenden Frühling schliesst sie wieder – nach nur zweieinhalb Jahren. Die Postkunden werden künftig mit einem Hausservice vorliebnehmen müssen.

Entschädigung sinkt

2021 kündigten 51 Geschäfte ihren Postagentur-Vertrag. Letztes Jahr sogar deren 73. Der Inhaber eines Lebensmittelladens im Kantons Schwyz erklärt, er hätte von der Post plötzlich 20 Prozent weniger für seine Arbeit erhalten. Die Post begründet die Kürzung damit, dass die Posttheke kleiner und einfacher zu bedienen sei als früher.

«Filiale mit Partner»

Obwohl die Posttheke meist in einer Ecke untergebracht ist, nennt die Post ihre Postagenturen grossspurig «Filiale mit Partner». Dabei ist es gerade umgekehrt. Die Post hat sich einfach in einen bestehenden Laden eingemietet. Es müsste eigentlich «Dorfladen mit Postnische» heissen.

Keine Bareinzahlungen

Ärgerlich ist auch, dass die Postagenturen nur einen Teil der Post-Dienstleistungen anbieten. So sind beispielsweise keine Bareinzahlungen möglich. Euros gibt es nicht. Pakete, die über 100 Zentimeter lang sind, können Postagenturen nicht annehmen. Zahlungen ins Ausland lassen sich nicht tätigen. Einzelne Briefmarken verkaufen sie nicht; es gibt nur Zehner-Blöcke. Postkonti können Kunden nicht eröffnen lassen. Und manche Postagenturen sind am Montag oder am Mittwoch sowie während der Betriebsferien geschlossen.

Postagentur Kaufdorf Metzgerei Anderegg
Postagentur in Kaufdorf BE: Mittwochs geschlossen. Während der Betriebsferien ebenfalls.

Nur 50 Franken

Vor gut fünf Jahren zeigte eine K-Tipp-Stichprobe überdies, dass die Post die Angestellten der Postagenturen schlecht geschult hat. So frankierten sie in sieben von neun Fällen ein Paket falsch. Zudem war der Bezug von 500 Franken in mehreren Fällen nicht möglich, weil die Ladenkasse fast leer war. Einmal gab’s nur gerade 50 Franken.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

9 Meinungen

  • am 27.01.2023 um 11:15 Uhr
    Permalink

    Das ist erst ein kleiner Teil des Abbaus der Leistungen:
    Briefkästen: permanente Reduktion der Standorte, Leerung bereits am Morgen um 8 Uhr (Aufgabe A-Post um 17 Uhr, morgen zustellen ist kaum mehr möglich).
    Zustellung: kein zuverlässiger Fahrplan, mal um 10 Uhr mal am Nachmittag nach 14 Uhr
    Tarife: Erhöhung bei Reduktion der Leistungen
    und dann wäre da noch Postfinance:
    Anstatt Vergünstigungen für elektronisches Erfassen und Konto-Abwicklung, Zusatzgebühren wenn ich die Verarbeitung (die eigentlich Postfinance machen muss) nicht selber ausführe!

    • am 27.01.2023 um 21:42 Uhr
      Permalink

      Die Postkunden sind sehr anspruchsvoll und glauben tatsächlich für einen Fränkli oder einen Eurino gibts´absoluten Spitzenservice, daran sollte man vielleicht auch mal denken …

  • am 27.01.2023 um 11:27 Uhr
    Permalink

    In Deutschland mit Dhl …ein Paket von Deutschland nach Portugal Dauer eine Woche
    In Deutschland mit der Post einbrief innerhalb Deutschlands Dauer eine Woche
    Die Boten, völlig überlastet und unterbezahlt. Eine Briefträgerin beklagte sich beim Abteilungsleiter, daß sie überlastet ist. Der Abteilungsleiter gab ihr einen Tip: «Machen Sie Bodybuilding».
    Ein Briefträger, immer unglaublich freundlich, schnell, klein und leicht übergewichtig wurde darauf hingewiesen, daß er abnehmen solle. Glücklicherweise ist er mit einer Rechtsanwältin verheiratet und da bekam der Abteilungsleiter einen Brief aus der Kanzlei und von da an war der etwas «unterbelichtete» ruhiger geworden.

  • am 27.01.2023 um 11:40 Uhr
    Permalink

    Erhellend! Auch in Ö wurde die Post so heruntergewirtschaftet; Subunternehmer mit teils zweifelhafter Arbeitsmoral liefern die Pakete aus. Filialen kommen herunter und sind unterbesetzt. Neue Langzeitstellen werden hier nicht mehr geschaffen. Bald soll alles komplett automatisiert und digitalisiert sein. Menschlicher Kundenkontakt ist nicht mehr gewünscht. Man muss wie Amt eine Nummer ziehen. Dass die Post genau die Bahn einen grundlegenden Auftrag in der Daseinsfürsorge und Arbeitsplatzsicherung erfüllt, ist irgendwie vollständig von der Agenda verschwunden. Hauptsache, die Vorstände verdienen gut und jemand sahnt bei der Digitalisierung ordentlich ab.

    • am 27.01.2023 um 21:44 Uhr
      Permalink

      …ich kann Ihrer Beschreibung nur zustimmen…

  • am 27.01.2023 um 12:34 Uhr
    Permalink

    Kundennähe? War einmal! Die Post nimmt ihren Auftrag nicht ernst und trägt ihre Probleme auf dem Buckel ihrer «Partner» aus. Dabei hatte die Idee Potential: Für die Post geringere Fixkosten und für die kleineren Läden eine Erweiterung des Angebots, welche dem 1-Stop-Shopping bei den Grossverteiler etwas entgegensetzt. Es ist m.E. leider absehbar, dass es vielen Geschäften ähnlich gehen wird wie dem Reformhaus Müller, das im Januar 2023 nach 100 Jahren aufgeben musste. Vermutlich dürfen wir uns auf automatisierte Postschalter mit KI-Interface in der Migros, Coop & Co. «freuen».

  • am 27.01.2023 um 18:21 Uhr
    Permalink

    Die Ursache ist m.E. der Neoliberalismus (aka Kannibalismuswirtschaft) der Turbokapitalisten , indem Zwecks privater Gewinnmaximierung und Monopolisierung die Infrastruktur unserer Volkswirtschaft an die Wand gefahren wird.

    Mir ist das Staatsmonopol lieber als das von Blackrock, Vanderguard, Gates o.ä. aber ich weiss, ich bin in der Minderheit.

    Es gibt immer noch viel zuviele ‹Schlafschafe›, welche den Turbokapitalisten geradezu hörig sind, Hauptsache die Superreichen werden noch reicher.

  • am 27.01.2023 um 19:25 Uhr
    Permalink

    Früher, die vielen kleinen Bahnstations-Schalterräume und die Postfilialen, übers Land verstreut, das war (neben dem unmittelbaren praktischen Nutzen und der Vermeidung von unnötigem Verkehr) Heimat, Kultur. Dafür hätte sichs gelohnt. Hingegen wofür die Kulturförderung heute die Millionen ver(….), oje. Ich finde, letztlich hats die Mehrheit ja selbst verbockt anlässlich der Volksabstimmung Service Public, es sei auch erinnert an die Volksabstimmung Einheits-Krankenkasse (vgl. Suva).

  • am 28.01.2023 um 03:19 Uhr
    Permalink

    Ich denke, bei der derzeitigen Entwicklung wird auch dieser Bereich von dem reichsten Konzern der Schweiz übernommen, der Migros. Ob das gut oder nicht gut ist, kann ich nicht beurteilen. Die Müller Bioladenkette ging kürzlich Konkurs. Nahezu fast jedes Produkt dieser Ladenkette konnte man in den letzten Jahren auch günstiger als analoges Produkt bei der Migros erwerben. Auch die Online-Verfügbarkeit ist derjenigen Anderer in vielen Bereichen überlegen. Die digitale Zeit ist schnelllebig und Konkurrenz im Logistik-Bereich auf Kosten der Angestellten führt dazu, daß sich Firmen wie die Post zu Tode konkurrieren. Ich nehme an, das zumindest die Migros ihren Angestellten den gesetzlichen Mindestlohn bezahlen wird. Nur wenige Nischenbereiche der Wirtschaft sind noch lohnend für kleinere Betriebe, die breiten Grundversorgungen der Bevölkerung liegen immer mehr in den Händen von grossen Konzernen. Vielleicht liege ich falsch mit diesem Eindruck, aber mir kommt es so vor.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...