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Die Tesla Factory mit eigener Adresse. © cc-by-nc Olaf Arndt

Streit um Elon Musks deutsche Gigafactory

Heinz Moser /  Als Vorzeigeprojekt des technischen Wandels gilt in Deutschland die Tesla-Fabrik vor Berlins Toren.

Von links bis rechts gilt Elon Musks Tesla-Fabrik in Brandenburg als Jahrhundertprojekt. Neue Arbeitsplätze im wirtschaftlich abgehängten Osten Deutschlands, modernste Technologie und der Beitrag zum Klimawandel sind mit der «Gigafactory» in Grünheide verbunden. Elektroautos mit der gesamten dazugehörigen Software und eine Batteriefabrik sind der Schlüssel zum erhofften Erfolg. Erst in den letzten Tagen hat der Autovermieter Hertz 100’000 neue Elektroautos 1 von Tesla bestellt – für unvorstellbare 3,5 Milliarden Euro. Der Chef persönlich, wie ein Rockstar mit Lederjacke gekleidet, meinte auf grosser Bühne: «Deutschland rocks».

Dennoch hat sich der Schwung für das Projekt in Deutschland in den letzten Wochen abgeflacht. Zwar steht die grün-schwarz-rote Regierung von Brandenburg nach wie vor hinter dem Projekt. So will das Land 120 Millionen Euro beisteuern, um die mit dem Projekt verbundene Batteriezellenfabrik zu realisieren. Obwohl die umweltrechtliche Genehmigung durch das Landesumweltamt noch aussteht, ist Jörg Steinbach (SPD), der Wirtschaftsminister von Brandenburg, überzeugt, dass die Genehmigung mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit kommt. International wäre es jedenfalls ein peinliches Desaster, wenn das hochgelobte Megaprojekt gar nicht oder erst mit grosser Verspätung realisiert werden könnte.

Kritik am Wasserhaushalt

Waren bisher die Kritiker am Tesla-Projekt nur eine winzige Minderheit – vor allem aus Kreisen der Umweltverbände, so hat eine Fernsehdokumentation der ARD in den letzten Tagen die Bedenken breit aufgenommen. Der Film begann mit einer öffentlichen Besichtigung des Tesla Werks in diesem Oktober. Geladen waren handverlesene Gäste, während Journalistinnen und Journalisten ausgeschlossen waren.

Unter schlechtem Stern stand auch ein Gespräch zwischen Elon Musk und dem damaligen Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Die beiden grinsten auf eine Frage der Bürgerinitiative gegen die Tesla-Fabrik. Nach dem unpassenden Lacher von Laschet zur Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen, der die Beliebtheit Laschets in den Keller trieb, erhielt dies eine symbolische Qualität. Die Bürgerinitiative kolportierte, dass sich die beiden über die ernsthaften Umweltsorgen lustig gemacht hätten.

Generell umstritten bleibt die Frage, ob die riesige Fabrikanlage eine Wasserknappheit in ihrem Umfeld auslösen könnte. Schon in diesem Sommer führten anhaltende Trockenheit und hohe Temperaturen dazu, dass die Spree weniger Wasser führt, meldete das Brandenburger Landesamt für Umwelt. Die neue Giga-Fabrik hat schon in der ersten Ausbaustufe mit ihren 12’000 Mitarbeitern den Verbrauch einer Kleinstadt.

Weitere Punkte in der Diskussion

Die Dokumentation der ARD legt den Finger auf weitere wunde Punkte, die bisher kaum öffentlich diskutiert wurden:

– Tesla verlangt von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine weit gehende Verschwiegenheitserklärung. Yahoo!Finanzen schreibt zur engen Auslegung dieser Klausel: «Sie dürfen keinerlei Auskunft über das Unternehmen gegenüber Dritten geben – selbst simpelste Fragen zum Arbeitsbeginn, ihrer genauen Abteilung oder der Dauer des Bewerbungsprozesses dürfen die Mitarbeiter nicht beantworten.»

– Die bestehende Bahnstation in der Nähe des Tesla-Geländes wird vor die Tore der Fabrik verlegt – und das auf Kosten der Öffentlichkeit.

– Unsicher ist auch, wie weit die Steuereinnahmen in Deutschland sprudeln werden. Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit meint in der ARD-Dokumentation, dass es unsicher sei, ob der durch Tesla erwirtschaftete Gewinn hier auch versteuert werde. Er geht davon aus, dass diese über die Niederlande abgerechnet werden könnten, um dann in einem Steuerschlupfloch in den USA zu verschwinden.

In dieser Woche wurde zudem vom Brandenburger Landesamt für Umwelt bekannt, dass die Online-Konsultation im Genehmigungsverfahren für die Tesla-Fabrik in Grünheide wiederholt werden muss. Der umweltpolitische Sprecher der Linken im Landtag, Thomas Domres, setzt dies unter das Stichwort: «Pleiten, Pech und Pannen bei Tesla-Genehmigung».

Die neuen «Entrepreneure» des digitalen Zeitalters

Insgesamt ist es erstaunlich, wie wenig bisher von politischer Seite das Riesenprojekt von Teslas Gigafactory kritisiert wurde. Fast alle politischen Parteien sehen darin die Zukunft der deutschen Autoindustrie. Während VW und andere ehemalige grosse Autobauer schwächeln, ist Tesla mit einer Billion Dollar gegenwärtig weltweit der wertvollste Autokonzern. Da möchten alle dabei sein und glauben, das grosse Los gezogen zu haben.

Der Erfolg der neuen Bosse der globalen Digitalkonzerne erinnert dabei an die grossen Enterpreneure des 19. Jahrhunderts – etwa in der Schweiz an Alfred Escher. Im Unterschied zu Unternehmern sind Entrepreneure abenteuerlustige Pioniere, die am Beginn des Maschinenzeitalters des 19. Jahrhunderts ganze Landschaften umpflügten und der Industrialisierung den Durchbruch verschafften. Im Geist der damaligen Zeit war Escher damals einer der führenden Eisenbahnunternehmer. In Wikipedia heisst es dazu: «Durch seine zahlreichen politischen Ämter und seine Gründungs- und Führungstätigkeit bei der Schweizerischen Nordostbahn, dem Eidgenössischen Polytechnikum, der Schweizerischen Kreditanstalt, der Schweizerischen Lebensversicherungs- und Rentenanstalt sowie der Gotthardbahn-Gesellschaft nahm Escher wie kein anderer Einfluss auf die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz im 19. Jahrhundert.»

Die Chance für Entrepreneure kommt jeweils mit den drastischen technologischen Umbrüchen der Gesellschaft. Kein Wunder, ist mit der Digitalisierung wieder eine Zeit dieser wirtschaftlichen Abenteurer angebrochen, die als Führungspersonen im digitalen Kapitalismus den Umbau der Gesellschaft vorantreiben. Elon Musk steht dabei nicht nur für Elektroautos sondern auch für Batteriefabriken und mit SpaceX für neue Impulse in der Raumfahrt. Ehrgeiziges Ziel dieses Unternehmens ist es, den Mars zu kolonialisieren. Zu SpaceX gehört zudem auch Starlink, ein Projekt für den weltweiten Satelliten-Internetzugang.

Musk steht dabei in Konkurrenz mit Jeff Bezos, dem Amazon-Gründer und Chef der US-Raumfahrtfirma Blue Origin. Beide wetteifern um den Erfolg im Weltall. Andere digitale Entrepreneure sind zum Beispiel Mark Zuckerberg von Facebook oder Bill Gates, der Microsoft gross gemacht hat und mit seiner Stiftung weltweit karitativ tätig ist.

Neben allen Utopien, welche die neuen Paradiesvögel des digitalen Wirtschaftens so faszinierend erscheinen lassen, zeigt das Beispiel von Elon Musk: Die neue Spezies der digitalen Entrepreneure rechnet so knallhart wie ihre Vorgänger im 19. Jahrhundert. Der grüne Kapitalismus hat zwar Digitalisierung, Klima- und Umweltschutz auf seine Fahnen geschrieben. Doch Kapital und Gewinn sind auch im digitalen Kapitalismus die Triebkräfte für den erhofften weltweiten Erfolg.

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1 in einer früheren Version stand hier 10’000. Korrekt ist 100’000.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Macht von Konzernen und Milliardären

Wenn Milliarden-Unternehmen und Milliardäre Nationalstaaten aushebeln und demokratische Rechte zur Makulatur machen.

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7 Meinungen

  • am 29.10.2021 um 12:13 Uhr
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    «Der grüne Kapitalismus hat zwar Digitalisierung, Klima- und Umweltschutz auf seine Fahnen geschrieben. Doch Kapital und Gewinn sind auch im digitalen Kapitalismus die Triebkräfte für den erhofften weltweiten Erfolg.» – Man kann hier auch vom «grünen Sozialismus» sprechen, denn ohne staatliche und politische Unterstützung und Förderung wären diese «Enterpreneure» und «Philanthropen» chancenlos. Politiker in Schlüsselpositionen, ja ganze Regierungen gehören zum wichtigsten Humankapital dieser Megaunternehmen.

  • am 29.10.2021 um 12:17 Uhr
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    Hier geht es doch nicht um Tesla. Es geht um die Tatsache, dass die deutsche Politik und Industrie die Digitalisierung kläglich verpasst haben. Die Abstützung der (Auto)Industrie auf eine hörige und unfähige Politikerkaste hat dazu geführt, dass die Überlebenschancen dieser Unternehemn drastisch gesunken sind. Hätte VW oder BMW ein ähnliches Werk hingestellt, hätte es vergleichbare Massnahmen gegeben, diese wären aber sicher anders oder nicht kommentiert worden. Zudem haben wir ja kürzlich im Infosperber gelesen, dass die deutsche und CH-Presse jahrelang versucht hat, Tesla in ein schlechtes Licht zu stellen. Dass die Automobilzeitschriften Europas durch einen deutschen Verlag beherrscht werden, trägt weiter dazu bei, dass objektive Informationen kaum erhältlich sind (wie hat ein Kollege von mir schon vor Jahren gesagt: Wenn Du ein Auto kaufen willst, schau Dir nur die amerikanischen JD-Power Prüfberichte an).

  • am 29.10.2021 um 13:51 Uhr
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    Es sind 100’000 Fahrzeuge bis Ende 2022 die Hertz bestellt, welche zum üblichen Verkaufspreis angeboten werden. Normalerweise gibts da grosse Rabatte.

    Darüber hinaus zu den Steuern ist anzumerken: Es werden hier 12’000 direkte Stellen geschaffen. D.h. 12’000 Leute erhalten ihren Lohn. Und sogar für ungelernte Arbeitskräfte ist es gar nicht mal schlecht bezahlt für Deutschland. Nebst den 12’000 direkt Beschäftigten werden sich noch weitere Firmen drum herum ansiedeln. Ich schätze mal, da kommen nochmals 4’000 – 5’000 weitere Jobs hinzu.
    Das sind dann alles Leute die Steuern zahlen, aus Geldern, die sie von Tesla bekommen. Das mit «Firmen» und «keine Steuern» zahlen wird immer so in den Raum geworfen.

    Und beschweren tun sich z.B. Umweltverbände, welche u.a. von der VW Bank gesponsert werden – honni soit qui mal y pense.

  • am 29.10.2021 um 14:41 Uhr
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    Stiftung Bill & Melinda Gates Stiftung caritativ???

  • am 29.10.2021 um 15:43 Uhr
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    Abgesehen von den beschriebenen Problemen bin ich nicht sicher, ob eine Tesla-Fabrik überhaupt wünschenswert ist, irgendwo. Als Pionier-Elektroauto war das Tesla Konzept OK, und umweltfreundlicher als Benziner dürften die Autos bei genügend gefahrenen Kilometer auch sein, aber die Modelle sind immer noch zu stark übergewichtig und übermotorisiert, um unsere Mobilitätsprobleme mehr als marginal zu verbessern. Sowie fahrende Datenkraken. Und, jeder Tesla-Käufer trägt zu Musk’s Weltraumabenteuer bei. Auch wenn elektrisch, ein Fahrzeug von gestern.

  • am 29.10.2021 um 16:11 Uhr
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    Danke für Ihren erhellenden Beitrag, Heinz Moser! Es ist schon äußerst peinlich, wie der Großkapitalist Musk von der Brandenburgischen Landesregierung hofiert wird. Dass eine solche Riesenfabrik extreme Umweltschäden bereits verursacht hat und weiter verursachen wird, sollte selbst dem letzten Klimawandelignoranten bewusst sein. Nicht nur durch die enorme Flächenversiegelung, den gigantischen Wasser- und Energiebedarf, sondern auch durch ihren Bau selbst (Zement hat eine desaströse Klimabilanz). Die für die Arbeitskräfte erforderlichen Infrastrukturausbauten (Verkehr, Wohnungen, soziale und Versorgungseinrichtungen etc.) machen das Problem nicht kleiner. Abgesehen davon, dass die Produktion der Fahrzeuge und Batterien sowie deren Stromverbrauch auch kein Argument pro Klima sind. Ja, Beschäftigung in strukturschwachen Regionen ist nötig, aber zuallererst im Bereich des Klimaschutzes. Zusätzliche Autos auf unseren schon arg demolierten Straßen braucht kein Mensch. Und die bereits vorhandenen Fahrzeuge werden nicht weniger, die E-Mobile kommen ja zusätzlich auf den Markt. Dazu passt auch der Hinweis, dass die Steuern aus diesem Unternehmen nicht unbedingt in «Deutschland sprudeln werden». Anstatt die Wirtschaft zukünftig zu dezentralisieren in kleinere, überschau- und kontrollierbare Einheiten, werden die Superkonzerne weiter bevorzugt. Ein schlimmes Zeichen für die Schwäche in der Politik und die Stärke des Lobbyismus. Und wir können bloß hilf- und stimmlos zusehen.

  • am 2.11.2021 um 04:29 Uhr
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    Wie bastelt man einen Weltkonzern:
    1. Man erkennt wie die weitere wirtschaftliche Entwicklung läuft z. B. Internethandel Elektroautomobilität ( beides muss natürlich «grün» angepinselt werden ), dann sucht man Investoren oder man fängt «klein» an ( Bezos in der Garage , allerdings mit mehreren Millionen im Rücken aus seiner Zeit als Investmentbanker)
    2. Suche nach billigen Arbeitskräften oder Hightech Robotereinsatz
    3. Werbung: Bei Amazon kann man Karriere machen (Fernsehwerbung) Tesla ist grün und supernachhaltig (Lithiumabbau in einem gigantischen Ausmaß, die Schäden werden kleingeredet.
    4. Dann spendet man für die Umwelt (Bezos bis 2030 10 Milliarden)

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