Tesla-Grünheide

Die «Gigafactory» im Umland von Berlin © cc-by-nc-3 Ralf Roletschek

Tesla und die Krise der deutschen Autoindustrie

Heinz Moser /  Draussen vor den Toren Berlins baut Tesla seine Gigafactory auf der grünen Wiese und krempelt die deutsche Automobilbranche um.

Vom Priestersee und Werlsee bis zum Liebenberger See erstreckt sich vor den Toren Berlins eine Seenplatte – bis vor kurzem fast unberührte Natur. Das hat sich verändert seit Elon Musk mit Tesla in der Grünheide sein neues europäisches Werk baut. Die Politik will demonstrieren, dass sich Bauprojekte um Berlin nicht jahrelang verzögern. Zur Erinnerung:  Der Flughafen Berlin Brandenburg war erst 13 Jahre später fertig als ursprünglich geplant, die Inbetriebnahme wurde unzählige Male verschoben. Der Bau der Gigafactory begann Anfang 2020, noch dieses Jahr sollen in Brandenburg Elektroautos gefertig werden und die weltgrösste Batteriefabrik in Produktion gehen..

Grünheide und die Umweltpolitik

Früh erkannte die Politik die Chance, die sich mit der Tesla Gigafactory bot. Die rot-schwarz-grüne Landesregierung brachte das Industriegebiet von Grünheide rasch ins Spiel, als Elon Musk nach einem Standort in Europa suchte. Trotz aller Belastungen für die Umwelt durch ein solches Riesenprojekt, äusserten sich selbst die Grünen in ihren Stellungnahmen zum Projekt der Gigafactory positiv:

«Der Landesverband begrüßt die Ansiedlung von Tesla in Grünheide in Brandenburg und wird den Ansiedlungsprozess kritisch und konstruktiv begleiten. Die Ansiedlung eines innovativen US-amerikanischen Autounternehmens unterstreicht noch einmal, dass der E-Antrieb bei Autos weiter auf dem Vormarsch ist und die deutsche Autoindustrie die Entwicklung verschlafen hat.»

Während die Grünen die durch einen solchen Bau entstehenden Umweltprobleme mit dem Ziel einer Energiewende durch Elektroantrieb verrechneten, blieben die kritischen Stimmen weitgehend auf Umweltverbände beschränkt. Einzig die Splitterpartei der Ökologisch Demokratischen Partei (ÖDP), die an den letzten Landtagswahlen gerade 0,6 Prozent der Stimmen erreicht hatte, forderte zusammen mit Bürgerinitiativen den Abbruch des Projekts von Tesla. Christian Rechholz, Bundesvorsitzender der ÖDP, warnte vor Wassermangel und extremer Dürre. Schon der laufende Bau der Gigafactory für die Elektroautos gefährde das Trinkwasserschutzgebiet, auf dem sie errichtet wird. Durch den zusätzlichen Bau der weltgrössten Batteriefabrik würden Brandenburg und Berlin dann endgültig auf dem Trockenen sitzen. Auch die rechte AfD versuchte sich mit der Ablehnung des Projekts zu profilieren. Im letzten Juni protestierte sie in Grünheide mit einer Kundgebung gegen den Standort der Fabrik – was bei Umweltschützern wie der Bürgerinitiative Grünheide vor allem Irritationen und Ablehnung erzeugte. Kopfschütteln erregte die Kritik der AfD Bayern, dass Tesla gezielt polnische Mitarbeiter anwerbe.

Abgeschmetterte Beschwerden

Der Naturschutzbund (NABU) und die Grüne Liga Brandenburg legten Beschwerde ein, um zu verhindern, dass Bäume auf dem Gelände der Gigafactory gefällt wurden. Sie befürchteten zudem, dass durch die Rodungen auf dem rund 83 Hektar großen Areal geschützte Eidechsen und Schlingnattern getötet würden. Danach musste Tesla die Rodung der Waldfläche vorläufig einstellen.

Doch die Klagen wurden in Rekordzeit abgeschmettert. Schon im Februar 2020 wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg die Anträge der Grünen Liga Brandenburg und des Vereins für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern gegen die vorzeitige Waldrodung zurück. Schon ab Sommer 2021 sollen 12’000 Mitarbeiter jährlich 500’000 Elektroautos produzieren.

Während die Erneuerung vieler Industriebrachen in der Berliner Region an bürokratischen Hürden gescheitert sind, belegt das Grossprojekt in Grünheide, dass es auch in Deutschland schnell gehen kann, wenn Politik und Wirtschaft ein Grossprojekt durchziehen wollen. Allerdings fehlt immer noch die endgültige Genehmigung für den Bau. Dieses Risiko nimmt der Konzern in Kauf. Er hat als Sicherheit 100 Millionen Euro hinterlegt, falls die Gigafactory zurückgebaut werden müsste. 

Die Autoindustrie wird umgepflügt

Dass es bei der Tesla-Fabrik um mehr geht als um ein gewöhnliches Industrieprojekt, wird schon an der Stellungnahme der Grünen ersichtlich, mit der sie das Projekt ausdrücklich unterstützten. Sie sehen darin einen «Weckruf für die deutsche Automobilindustrie, die bisher den Einstieg in die E-Mobilität und damit eine zukunftsweisende Wirtschaftsentwicklung verpennt hat».  Für die Bundeskanzlerin Angela Merkel ist das Tempo, mit dem die Gigafactory realisiert wird, ein Beispiel dafür, wie man mit den deutschen Gesetzen und Fördermöglichkeiten in kurzer Zeit Dinge durchsetzen kann.

Tesla soll jener Innovationskraft in Deutschland Schub verleihen, die den deutschen Automobilfirmen nicht mehr zugetraut wird. Professor Stefan Bratzel von der «Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach» kommentiert in der «Zeit»:

«Gleichzeitig hat Tesla die Kunden technologisch überzeugt. Das Model S überwindet die Reichweitenangst, die den Kaufimpuls für Elektroautos hemmt, mit Hilfe einer großen Zahl von Lithium-Ionen-Akkus, die Reichweiten von über 500 Kilometern ermöglichen.»

Tesla – neues Vorzeigeunternehmen für die Automobilindustrie

Die Bewältigung solcher Zukunftsängste ist in einer Zeit wichtig, wo die Flaggschiffe der Benziner wie Daimler, Volkswagen und BMW bei der E-Mobilität zunehmend abgehängt erscheinen. Während ihr Stern in der Autoindustrie verblasst, steht die Brandenburger «Gigafactory» für die Energiewende in der Autoindustrie.

Zwar versuchen auch die deutschen Automobilhersteller die Kurve zu kriegen, aber ihnen läuft die Zeit davon. So könnte Tesla das trojanisches Pferd in der Automobilwirtschaft werden, das die Firmenlandschaft umpflügt. Mit dem Brandenburger Grossprojekt sollen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Einerseits soll Deutschland weiterhin Standort einer weltweit führenden Autobauer-Nation bleiben. Gleichzeitig sollen damit Arbeitsplätze gesichert werden, welche durch den Einbruch der Beschäftigten in einer Krisenindustrie auf der Kippe stehen.

Für Berlin und sein brandenburgisches Umland ist Tesla zudem ein Hoffnungsschimmer, um die langfristige Strukturschwäche der Wirtschaft zu überwinden. Man erinnere sich: Westberlin war wirtschaftlich immer ein Leichtgewicht, das durch die DDR vom Westen abgekapselt war. Und nach der Wende gehörte auch Brandenburg zu jenen ostdeutschen Bundesländern, die wirtschaftlich in der Deindustrialisierung landeten. Schon 2001 hatte Brandenburg gehofft, vom Autobauer BMW den Zuschlag für ein Autowerk in Grünheide zu erhalten. BMW wollte dafür rund eine Milliarde D-Mark investieren, entschied sich am Schluss aber für Leipzig.

Tesla gilt als Chance für die ostdeutschen Länder, nun doch zum Zug zu kommen. Die Brandenburger Gigafactory könnte die neue Zukunft der deutschen Premium-Autobauer sein. Kein Wunder, dass die grüne Wirtschaftssenatorin Ramona Pop auf Twitter meinte: «Wer Visionen hat, kommt nach Berlin! Willkommen in der Metropolregion, Tesla!»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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2 Meinungen

  • am 11.02.2021 um 11:39 Uhr
    Permalink

    Natürlich fühlt es sich schlecht an, wenn mann die gefällten Bäume sieht, aber der Nutzen für die Umwelt der daraus entsteht ist viiel Grösser.
    Ich denke, das ist eine gute Sache.

  • am 12.02.2021 um 01:48 Uhr
    Permalink

    «… 2001 hatte Brandenburg gehofft, vom Autobauer BMW den Zuschlag für ein Autowerk in Grünheide …»
    Die Betroffenen Anwohner wissen also seit mind. 20 Jahren, dass so etwas in dieser provisorisch bewaldeten Industriezone kommen dürfte.
    Bäume – Ergänzung:
    https://teslamag.de/news/wald-ausgleichsflaechen-fuer-tesla-gigafactory-26711 21.1.20:
    «… Tesla hat zugesagt, statt wie vorgeschrieben dieselbe, sogar die dreifache Fläche aufzuforsten. Und wie der RBB jetzt berichtet, sind die dafür benötigten Standorte gefunden. … »
    und das Aufforsten hat begonnen: https://www.forstpraxis.de/tesla-aufforstung/

    Themenbezogene Interessenbindung: zufriedener Tesla-Fahrer seit 2015 🙂

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