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Die Rassentrennung galt in Zügen, Bussen, Schulen, Spitälern, Parks und Stränden © sa

UBS verschweigt dunkle Vergangenheit (Teil 1)

upg /  Jubliäumsschrift der UBS blendet Werbung für das rassistische Südafrika aus. Infosperber ruft die Rolle der Banken in Erinnerung.

«Das grenzt an Geschichtsklitterung», sagt der pensionierte UBS-Chefhistoriker Robert U. Vogler zur Jubiläumsschrift «150 Jahre im Bankgeschäft». Die Schrift ist in allen UBS-Filialen frei erhältlich und steht online zur Verfügung (siehe Link unten).
Unter mehreren gravierenden Lücken beanstandet Vogler im Tages-Anzeiger, dass die Jubiläumsschrift die führende Rolle der Bankgesellschaft während der Rassentrennung in Südafrika verschweigt. Die Bankgesellschaft habe den Apartheid-Staat verteidigt und im Verhältnis zur Grösse des Landes viel Geld verdient.
In der Jubiläumsschrift brüstet sich die UBS lediglich damit, dass «der Bankverein und die Bankgesellschaft in den frühen 1970er Jahren auf allen Kontinenten vertreten waren, von Australien bis Ost- und Südostasien, Südafrika sowie Nord- und Südamerika». Über das Geschäftsgebaren im Rassenstaat steht kein Satz. Infosperber ruft es in Erinnerung. Neben den Grossbanken predigten auch Schweizer Industriekonzerne, ein Schweizer Bundesamt und ein Schweizer Botschafter lange Zeit den Rassismus.

Bankgesellschaft verbreitete Propaganda-Broschüren
Die Schweizer Grossbanken profitierten von ihren Südafrika-Geschäften enorm. Die bereits 1972 in einem Dossier «Schweiz-Südafrika» veröffentlichten Fakten sind alles andere als ein Ruhmesblatt.
• Die UBS-Vorgängerbanken SBV und SBG halfen der Industrie mit Exportkrediten – wobei das Risiko der Bund übernahm. Für solche Kredite kassierten sie jedes Jahr rund 30 Millionen Franken Zinsen.
• Mehrere Vertreter der Bankgesellschaft sassen in Verwaltungsräten südafrikanischer Unternehmen.
• Die Grossbanken übernahmen auch den grössten Teil des südafrikanischen Goldhandels.
• Die moralische Absolution erteilte sich die Bankgesellschaft gleich selber mit Broschüren, die nur Gutes über die Apartheid-Politik zu berichten wussten (z.B. «Südafrika ist anders als die Welt glaubt» oder «Schwarz und Weiss in Südafrika»). Im Bulletin der Kreditanstalt, der dritten Schweizer Grossbank in Südafrika, schrieb Generaldirektor Lutz derart begeistert über seine Südafrika-Eindrücke, dass die südafrikanische Regierungspresse seinen Artikel in Südafrika verbreitete.

Schweizer Banken labten sich an Vermögen von Rassisten
Schweizer Banken verwalteten auch Vermögen von namhaften südafrikanischen Rassenpolitikern. Darunter befanden sich einige Typen, die schlimme Verbrechen begingen. Zum Beispiel der Arzt Wouter Basson. Er leitete ein Programm zur Entwicklung von tödlichen Bakterien, die ausschliesslich auf Pigmente von schwarzer Haut reagieren. Wouter Basson war mehrmals in der Schweiz und besuchte auch Divisionär Peter Regli vom militärischen Nachrichtendienst im Bundeshaus. Laut Regli handelte es sich um einen «Höflichkeitsbesuch». In der Zeitung «Le Temps» berichtete der langjährige Südafrika-Korrespondent Jean-Philippe Ceppi, dass südafrikanische Untersuchungsbehörden die Schweiz schon mehrmals um eine Aufklärung der Bankbeziehungen Bassons und seiner südafrikanischen Tarnfirmen bat. Die Öffentlichkeit erfuhr nichts von dieser Aufklärung, sofern sie je stattgefunden hat.
Eine zweite Horrorfigur ist Eugen De Kock, ehemaliger Chef der ultrageheimen Anti-Terror-Einheit «Vlaakplas», die Apartheid-Gegner umbrachte. Unter den Opfern waren Professoren, Studentenführer sowie Oppositionelle im Ausland. 1996 verurteilte ihn das höchste Gericht in Pretoria zweimal lebenslänglich wegen mehrerer Morde und über hundert anderer Anklagepunkte.
Kriminelles Geld bei der Kreditanstalt
Während der Verhöre gab er an, bei der Kreditanstalt in Zürich ein Konto unterhalten zu haben. Vor Gericht sagte De Kock aus: «Aus einem geheimen Fonds hatte die Geheimpolizei jährlich mehrere Millionen, um die geheimen Operationen der Vlaakplas und kriminelle Aktivitäten der Geheimpolizei zu finanzieren.» De Kock wird verdächtigt, in der Schweiz einen Kriegsschatz des Geheimdienstes verwaltet zu haben.
Zu ihrer Beziehung mit De Kock hatte die heutige Crédit Suisse mit Verweis auf das Bankgeheimnis nicht Stellung nehmen wollen. Die Zeitung «Le Temps» stellte trocken fest: «Es spielt offensichtlich keine Rolle, wenn jemand wegen mehrfacher Morde zweimal lebenslänglich verurteilt ist. Der ‹Todesengel› zählte zu den ehrenwerten Kunden der Kreditanstalt und geniesst deshalb noch heute das Privileg der helvetischen Diskretion.»
Crédit Suisse und UBS haben öffentlich noch nie etwas Selbstkritisches zu ihren vergangenen Geschäften in und mit Südafrika gesagt, geschweige denn ein Bedauern ausgedrückt. Die UBS verwies auf eine Aussage der Wahrheitskommission, wonach «aufgrund des Verhaltens ausländischer Kreditoren keinerlei Aktionen oder Forderungen abgeleitet werden können». Punkt.

Schwarze bei Löhnen und Sozialleistungen diskriminiert
Das «Centre Europe-Tiers Monde» in Genf nahm unter Leitung von Professoren die Aktivitäten der Schweiz in Südafrika an Ort und Stelle unter die Lupe. Das Dossier «Schweiz-Südafrika» betraf neben den Grossbanken auch Schweizer Industriebetriebe. Zum Beispiel Hoffmann-La-Roche, die in Südafrika Medikamente, Aromen und Geschmacksstoffe produzierte: Dank qualifizierteren Posten, von denen Schwarze ausgeschlossen waren, verdienten weisse Angestellte fünfmal so viel wie Schwarze. In einer Roche-Fabrik arbeiteten schwarze und weisse Frauen an den genau gleichen Maschinen gleich produktiv. Trotzdem entlöhnte Roche die schwarzen Frauen schlechter. Für diese Arbeiten hatte Roche nur deshalb auch weisse Frauen angestellt, weil dies gesetzlich vorgeschrieben war.
Die Krankenversicherung von Roche deckte bei den Schwarzen ausschliesslich die Beschäftigten selber, bei den Weissen aber die ganze Familie. In der Schweiz beschrieb Roche in ihren Publikationen das Rassenregime nur in schönen Farben und unterstützte die apartheid-freundliche Schweizerisch-Südafrikanische Gesellschaft.
Auch heute noch sieht Roche keinen Grund, diese Vergangenheit aufzuarbeiten. Hauseigene Publikationen schweigen sich darüber aus. Ein Roche-Sprecher erklärte: «Wir haben uns entsprechend internationaler Normen bezüglich der Versorgung der Bevölkerung mit medizinischen und humanitären Gütern verhalten». Punkt.
Auch Nestlé benachteiligte Schwarze bei Löhnen
Die meisten Fabriken in Südafrika hatte Nestlé. Im Jahr 1971 gestand der Nestlé-Personalchef in Pietermaritzburg, dass Nestlé die schwarzen Arbeiter schlechter entlöhnte als andere Industriebetriebe der Stadt. Nestlé passte diese Löhne daraufhin den «Durchschnittswerten der Region» an. Bei der Verpackung von Konfiserien und Schokoladen arbeiteten Schwarze Seite an Seite mit Weissen und verrichteten die genau gleiche Arbeit. Aber wegen ihrer Hautfarbe zahlte Nestlé diesen Schwarzen weniger Lohn. Das gleiche galt für Büroarbeiterinnen in fünf Milch verarbeitenden Fabriken. Die Pensionskasse war für alle Weissen ab Arbeitsantritt obligatorisch, für die Schwarzen erst nach dreijähriger Dienstzeit.
An der Nestlé-Generalversammlung im Jahr 1971 verlangte ein Aktionär in Lausanne Auskunft über die Lohn- und Sozialpolitik der Nestlé in Südafrika. Verwaltungsratspräsident Corthesy versprach, im nächsten Geschäftsbericht entsprechende Angaben zu machen. Doch Nestlé löste dieses Versprechen nie ein. Heute sieht das Unternehmen keinen Grund, zur Versöhnung in Südafrika beizutragen. Laut dem langjährigen Konzernsprecher François-Xavier Perroud hat der Nahrungsmittelkonzern seine damalige Politik bisher nicht aufgearbeitet. Punkt.
Auf Kritik an Rassenpolitik allergisch reagiert
Auch die Industrieunternehmen BBC, Sulzer, Alusuisse, Ciba-Geigy, Bührle, Schindler und Schmidheiny machten in Südafrika gute Geschäfte. Die meisten ihrer Exponenten reagierten auf Kritik an der Rassenpolitik allergisch. Als der Schweizer Botschafter Auguste Lindt an der Uno-Menschenrechtskonferenz 1968 das Apartheid-System «moralisch» verurteilte, da die Menschenrechte «ständig und systematisch» verletzt würden, intervenierte der beunruhigte BBC-Verwaltungsrat und CVP-Nationalrat Paul Eisenring mit einer parlamentarischen Anfrage. SP-Bundesrat Willy Spühler antwortete dem enttäuschten BBC-Mann: «Was Lindt erklärt hat, decke ich, ohne einen Vorbehalt gegenüber dem Gesagten anzubringen.»

Obwohl die Schweizer Behörden das Rassenregime in der Öffentlichkeit moralisch verurteilten, handelten sie anders. Infosperber wird in einem zweiten Teil beschreiben, wie Schweizer Behörden das Apartheidregime unterstützten und über fragwürdige Aktivitäten von Schweizer Banken und Unternehmen in Südafrika nicht nur schweigend hinweggingen, sondern diese aktiv förderten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor hatte die Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika als Journalist verfolgt.

Zum Infosperber-Dossier:

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