Raquel Sena Witwe

Raquel Sena, Witwe eines getöteten Bananenarbeiters, sagte vor dem Geschworenengericht aus. © democracynow

Chiquita für Tötung von Bananenarbeitern verantwortlich

pressenza /  US-Gericht verurteilte den Konzern, den Familien 38 Millionen Dollar zu zahlen. Chiquita habe die tötenden Paramilitärs finanziert.

Das Urteil eines Gerichts im US-Bundesstaat Florida wurde schon am 10. Juni 2024 gefällt. SRF und Zentralplus haben kurz berichtet.

Es sei «eine deutliche Botschaft an Unternehmen auf der ganzen Welt, die auf Kosten der Menschenrechte Profit machen», erklärte Marco Simons, Anwalt der Umweltorganisation Earth Rights International (ERI), die in dem Fall geklagt hatte. 

Am Ende des 17 Jahre dauernden Prozesses befanden die Geschworenen Chiquita Brands für acht Morde der AUC-Kräfte verantwortlich. Das Unternehmen finanzierte die AUC zwischen 1997 und 2004 mit regelmässigen Zahlungen von mindestens 1,7 Millionen Dollar in der fruchtbaren Bananenanbauregion im Norden Kolumbiens. Agnieszka Fryszman, eine weitere Anwältin, die die Klägerinnen und Kläger vertritt, sagte: «Das Urteil bringt die getöteten Ehemänner und Söhne nicht zurück, aber es weist die Verantwortung für die Finanzierung des Terrorismus dorthin, wo sie hingehört: auf Chiquitas Türschwelle.» Das Urteil verpflichtet Chiquita, 16 Angehörige von Bauern und andere Zivilisten zu entschädigen, welche Paramilitärs der AUC bei verschiedenen Angriffen getötet hatten.

Der Konzern Chiquita Brands, der aus der United Fruit Company hervorging, hat gegen das Urteil Berufung angekündigt.

Sollte das Urteil aus Florida bestätigt werden, könnte es Hunderte ähnlicher Klagen vor US-Gerichten beeinflussen, die von Angehörigen anderer Opfer der AUC-Gewalt gegen linke Guerillas in dem internen bewaffneten Konflikt eingereicht wurden, der Kolumbien mehr als sechs Jahrzehnte lang erschütterte. 

Gustavo Petro auf X
Reaktion von Kolumbiens Präsident Gustavo Petro auf X

Der linke Präsident Kolumbiens, Gustavo Petro, kritisierte die Justiz seines Landes: «Warum konnte die US-Justiz feststellen, dass Chiquita Brands die Paramilitärs in Urabá finanziert hat, und nicht die kolumbianische Justiz?»

Die Kämpfer der AUC haben schwere Menschenrechtsverletzungen begangen», sagte Erika Guevara Rosas, Untersuchungsleiterin bei Amnesty International.

Die Verbrechen der AUC gegen die Bauern trugen dazu bei, die Position von Chiquita in den Regionen Urabá und Magdalena im Norden Kolumbiens zu stärken. 

Das US-Justizministerium bezeichnete das Vorgehen des Unternehmens während des langen Gerichtsverfahrens als «moralisch verwerflich». Die Opfer begrüssten die Nachricht als Anerkennung ihres Leids und als Chance auf Wiedergutmachung. Eine Betroffene wurde von Earth Rights International wie folgt zitiert: «Wir kämpfen seit 2007. Wir befinden uns nicht freiwillig in diesem Prozess, sondern Chiquita hat uns durch ihr Handeln in diesen Prozess hineingezogen. Wir haben eine Verantwortung gegenüber unseren Familien, und wir müssen für unsere Familien kämpfen.»

Chiquitas Verteidigungsstrategie: «Wir wurden selber erpresst»

Zusätzlich zu ihren Argumenten bezüglich der illegalen Zahlungen an die Paramilitärs präsentierten die Anwälte der Kläger auch Zeugen, darunter ehemalige AUC-Führer und Chiquita-Mitarbeiter, die das US-Unternehmen beschuldigten, den AUC-Kräften direkte materielle Unterstützung zukommen zu lassen, darunter Benzin, Transportmittel und die Nutzung der von Chiquita Brands kontrollierten Verladedocks. Die AUC nutzten diese Ressourcen, um mehrfach Waffen zu importieren.

Unter den ehemaligen paramilitärischen Anführern, die im Prozess aussagten, war Salvatore Mancuso, einer der berüchtigtsten Kommandeure der AUC und ein wichtiger Zeuge in mehreren laufenden Untersuchungen von Fällen paramilitärischer Finanzierung vor dem kolumbianischen Gericht für Übergangsjustiz.

Mancuso sagte aus, dass Führungskräfte von Chiquita mit dem obersten paramilitärischen Anführer Carlos Castaño Gil persönlich zusammengetroffen seien, dem Sprecher und politischen Chef der AUC, der weithin als «Pate des Paramilitarismus» in Kolumbien gilt. Die beiden Parteien handelten eine Zahlung als Gegenleistung für die Sicherheitsdienste der AUC gegen linke Rebellengruppen in der Region aus, welche die Infrastruktur von Chiquita angegriffen hatten.

ACCU Paramilitärs in Kolumbien
Kämpfer der ACCU in Kolumbien, die zu den Vereinigten Selbstverteidigungskräften Kolumbiens (AUC) gehört.

Anstatt die von den Paramilitärs begangenen Gräueltaten zu leugnen, erklärten die Hauptzeugen der Chiquita-Verteidigung, dass der brutale Ruf der AUC und ihre Neigung zu Menschenrechtsverletzungen den Führungskräften zu jener Zeit wohl bekannt gewesen seien. Chiquita habe sich vor deren Gewalt gefürchtet und deshalb mit den AUC zusammenarbeiten müssen.

Chiquita argumentiert, dass sie von den AUC erpresst wurden und die Finanzierung unter Zwang und aus Angst um ihre eigene Sicherheit und die ihrer Mitarbeiter erfolgte.

Doch ein anderer ehemaliger AUC-Führer, Raúl Hasbún, sagte aus, dass die Paramilitärs Chiquita entgegen den Behauptungen des Unternehmens niemals zur Zahlung von Erpressungsgeldern gezwungen hätten. Ebenso wenig hätten die AUC-Kräfte jemals die Betriebe von Chiquita Brands angegriffen – eine Tatsache, die Charles «Buck» Keiser, der die Geschäfte von Chiquita in Kolumbien von 1987 bis 2000 leitete, bei der Befragung während seiner eigenen Aussage im Gerichtssaal am 3. Mai 2024 zugab.

Im Gegenteil: Die AUC stellten Chiquita fast unmittelbar nach ihrer Gründung als paramilitärische Gruppe in der Region Sicherheitsteams in mehreren Departementen im Norden des Landes zur Verfügung, und zwar im Gegenzug für eine regelmässige Finanzierung.

Nach den gerichtlichen Feststellungen aus dem Jahr 2007 zahlte das Unternehmen den Paramilitärs der AUC 3 Cent pro Dollar für jede aus dem Land exportierte Kiste Bananen.

Wiedergutmachung für eine längst fällige Schuld

Im Rahmen der Ermittlungen im Jahr 2007 gab Chiquita zu, illegale Zahlungen geleistet und zunächst versucht zu haben, diese als legitime Geschäftsausgaben zu verschleiern. Das Unternehmen wurde in diesem Fall zu einer Geldstrafe von 25 Millionen Dollar verurteilt, aber die Opfer der AUC haben nie etwas von diesem Geld gesehen.

Für Ignacio Gómez ist das Urteil eine lang ersehnte persönliche Rechtfertigung. Er war der erste Journalist in Kolumbien, der diese Anschuldigungen vor 21 Jahren öffentlich machte, und im Laufe der Jahre musste er die Bemühungen von Chiquita Brands ertragen, seine Arbeit durch Gerichtsverfahren zu unterdrücken, sowie Drohungen von paramilitärischen Kräften. «Ich habe jahrelang auf diese Entscheidung gewartet», sagte er. «Und für Kolumbien kann die Bedeutung dieser Entscheidung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Der frühere Lateinamerika-Korrespondent Romeo Rey fasst die Entwicklung regelmässig zusammen und verlinkt zu Quellen. Zudem Beiträge von anderen Autorinnen und Autoren.

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Eine Meinung zu

  • am 5.07.2024 um 12:40 Uhr
    Permalink

    wer überwacht ob die betroffenen Familien bzw. deren Hinterbliebene auch tatsächlich zu ihrem Geld kommen? Wer fragt nach, ausser ein paar wenigen Journalisten?

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