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UBS-Risiko eindämmen? Am Schluss bleibt die Mikrosteuer

Urs Schnell /  Gegen künftige Grossbanken-Pleiten stellte Infosperber 13 Massnahmen vor. Politisch stossen fast alle auf starke Widerstände.

Infosperber publizierte am 17. April einen Katalog mit 13 Massnahmen, «um das Risiko von Grossbanken-Pleiten künftig auszumerzen». Die im Katalog enthaltenen Forderungen nach einer Erhöhung des ungewichteten Eigenkapitals auf 20 bis 30 Prozent und die Trennung des hochspekulativen Teils des Investmentbankings von den übrigen Teilen der UBS («Trennbankensystem») sind in Politik und Medien angekommen. Sie haben Chancen auf eine Realisierung. Die Monsterbank würde dadurch verkleinert, die Relation ihrer Bilanzgrösse zum BIP vermindert. Doch was wären die Folgen?

Erhöhung des Eigenkapitals

Am 2. Mai entschied der Nationalrat überraschend, global tätige Grossbanken müssten künftig ungewichtete Eigenmittel von mindestens 15 Prozent der Aktiven halten. Ein Entscheid, der in Richtung der von Infosperber publizierten Forderungen geht. Doch nicht Wenige zweifeln, ob der Ständerat nachziehen wird. Die NZZ schrieb: «Faktisch hiesse dies fast eine Verdreifachung des Eigenkapitals […] Die UBS müsste bei ihrer derzeitigen Bilanzsumme zusätzliches Kapital von etwa 100 Milliarden Franken beschaffen.» Und weiter: «Beobachter mutmassen, dass die UBS bei einer Verdreifachung der Schweizer Eigenmittelanforderungen ihren globalen Hauptsitz ins Ausland verlegen würde, um diese Vorgaben zu umgehen.» (NZZ 4.5.)

SP-Nationalrätin Jacqueline Badran meinte schon vor dem Nationalratsentscheid, eine Forderung von 20 Prozent hartem Eigenkapital sei „reichlich unausgegoren“ und „völlig unrealistisch“. Der UBS würden damit alle Aktionäre davonlaufen. (Sonntagszeitung, 2. April).

Folgende Befürchtung steht also im Raum: Schnürt die Schweiz eine zu strenge Eigenkapital-Regel, könnte sich die UBS mit der billig erworbenen CS ins Ausland absetzen. Damit sie im internationalen Geschäft gegenüber ausländischen Grossbanken keinen Wettbewerbsnachteil erfährt. 

Die Erhöhung der Eigenmittelquote bei systemrelevanten Banken haben Stanford-Ökonomin Anat Admati und ihr Kollege Martin Hellwig schon vor zehn Jahren propagiert. Sie schlugen ebenfalls eine Erhöhung auf 20 bis 30 Prozent Eigenkapital vor. Allerdings auf internationaler Ebene, verbindlich für alle. Die USA und Grossbritannien mit ihren beiden dominanten Finanzplätzen Wall Street und City of London sind bisher nicht darauf eingetreten. Sowohl eigenstaatliche Interessen wie die Bankenlobby waren zu stark. 

Trennbankensystem

Auch die Forderung nach Abtrennung der Investmentbank vom übrigen UBS-Bankengeschäft hat im Bundeshaus Chancen. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier werden allerdings Mühe haben, diese Teilung zu bestimmen. Wer sich das undurchsichtige Organigramm der alten CS anschaut, erkennt kaum, über welche Tochtergesellschaften das CS-Investmentbanking lief und wie dieses mit anderen Sparten der Vermögensverwaltung und des Asset Management verbunden war. Auch in der UBS sind die Bereiche verzahnt. UBS sagt zum Beispiel, der Bereich Global Family & Institutional Wealth sei «ein bereichsübergreifendes Servicemodell, das die Kapazitäten aus der Investment Bank und die Kundenbetreuung aus dem Bereich Global Wealth Management nutzt, um die Bedürfnisse von Unternehmern, Family Offices und deren Gesellschaften in den Bereichen Wertschriftenhandel und Investment, Risikomanagement sowie Finanz- und Bankdienstleistungen abzudecken […] Die Kundenbetreuung erfolgt über regionale funktionsübergreifende Teams […] Wir entwickeln die bereichsübergreifende strategische Partnerschaft zwischen Global Wealth Management und der Investment Bank weiter.» (Geschäftsbericht 2022, S. 20)

Es könnte für die neue UBS also kompliziert werden in der Trennbankenfrage. Insbesondere, weil die SVP eine harte Haltung fährt. Die Parteifraktion forderte am 13. Mai, die UBS müsse bis Mitte August darlegen, welches die «Hochrisiko-Teile» ihrer weitverzweigten Aktivitäten im In- und Ausland seien. Sie solle zugleich aufzeigen, wie sie diese Risiken «loszuwerden gedenkt». Erst dann könne über «eine taugliche Umsetzung der TBTF-Regelung verhandelt werden.» Oder über die Frage, ob die Schweiz gar keine Too-Big-To-Fail-Banken brauche.

Eine parteiübergreifende Allianz zwischen SVP, SP und Grünen scheint im Parlament nicht unmöglich. Niemand weiss bis anhin, was die UBS dann tun würde. Die Schweizer Geschäfte weitgehend behalten, den Rest ins Ausland verlegen? Oder ganz wegziehen? 

Verlegung des Hauptsitzes der UBS ins Ausland 

Die Meinungen über eine solche Sitzverlegung gehen auseinander. Peter Fischer, Chefökonom der NZZ, kommentierte am 25. März: «Der Schweiz […] sollte daran gelegen sein, dass die Übernahme gelingt […] Damit dem Schweizer Finanzplatz wenigstens ein richtig international aufgestellter, risikobewusster und gleichwohl profitabler einheimischer Vermögensverwalter erhalten bleibt, der auch die hiesige Realwirtschaft mit globalen Finanzdienstleistungen versorgen kann.» 

Weniger strikt war sein Redaktionskollege Hansueli Schöchli am 24. April. Er wägte Vor- und Nachteile einer Schweizer Grossbank gegeneinander ab und kam zu keinem definitiven Befund. Die UBS sei ein gefährliches «Klumpenrisiko». Der externe Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft sei nicht eindeutig: «Die Schweizer Wertschöpfung von UBS und CS zusammen dürfte 2021 etwa 1,5 Prozent der gesamten hiesigen Wirtschaftsleistung (BIP) ausgemacht haben.» Das sei kein Argument für eine Staatsgarantie. «Gäbe es die Grossbanken nicht, hätte die Schweiz nicht einfach ein ‘Loch’ von 1,5 Prozent des BIP, sondern die Ressourcen (Personal und Kapital) wären anderswo eingesetzt.» 

Die Grossbanken seien zwar wichtige Steuerzahler und hätten in den letzten zwanzig Jahren pro Jahr im Durchschnitt um die 500 Millionen Franken Gewinnsteuer entrichtet, «aber man muss bezahlte Steuern nicht gleich wieder mit Subventionen abgelten. Sonst gäbe es faktisch einen Steuersatz von null.» 

Was Dienstleistungen des Investmentbankings angehe, bräuchten «die allergrössten Schweizer Konzerne wie etwa Nestlé oder Novartis […] nicht wirklich eine Schweizer Grossbank; sie können auch auf ausländische Institute zugreifen.» Und bei mittelgrossen Unternehmen, so Schöchli, «würden wohl Schweizer Institute wie etwa eine ZKB oder ausländische Grossbanken einspringen.»

Daraus geht hervor, dass die Schweiz nach dem Verkauf der Swissair an die deutsche Lufthansa wohl auch die Sitzverlegung der UBS verkraften würde. Die faktische Staatsgarantie zugunsten der UBS, welche eine Subvention darstellt, wäre demnach durch das Parlament zu kippen beziehungsweise auf jene systemrelevanten Banken zu beschränken, deren Bilanzen im Verhältnis zum BIP wesentlich kleiner sind als die Bilanz der neuen Monsterbank. 

Die Schweiz von internationalen Regelungen abhängig?

Ob und wie eine eventuelle Abwicklung der UBS gelingen könnte, weiss gegenwärtig niemand. «Es gibt keine Variante eines Sanierungs- und Abwicklungssystems, das die Schweiz alleine entwickeln und die Finma ohne Verwerfungen anwenden könnte», schrieb die Handelszeitung am 13.4.23 und zitierte Hans Gersbach, Professor für Makroökonomie an der ETH Zürich: «Es führt nicht einfach zum Ziel, wenn die Finma nun versucht, mit ein paar Änderungen der TBTF-Regulierung die Sache zu lösen.» Die Schweiz könne alleine nichts ausrichten. Zuerst müsste die internationale Kooperation so weit sein, dass der Standard des Financial Stability Board (FSB) von allen übernommen werde.

Das sei «allerdings unwahrscheinlich», so die Handelszeitung.

Werfen wir noch einen Blick auf die andern Massnahmen, die Infosperber in seinem Dossier zur Diskussion stellt. Etwa die Zertifizierung von Finanzprodukten, die Eingrenzung von Verbriefungspraktiken, die Strafverfolgung toxischer Finanzprodukte oder die Reduktion des Derivatevolumens. Dazu eine Regulierung von Schattenbanken, die bessere Kontrolle der Aktivitäten von Hedge-Fonds und der Private-Equity-Fonds.

In den meisten genannten Punkten ist ein Alleingang der Schweiz politisch wohl nicht durchsetzbar, ein internationaler Konsens jedoch in weiterer Ferne. 

Deshalb bleiben die systemrelevanten Grossbanken ein hohes gesellschaftliches Risiko in einem bizarren Finanzsystem, in dem das Schuldenmachen über jeden Horizont hinausgeht.

Wenigstens eine der Forderungen wäre rasch umsetzbar: Solange Grossbanken von einer impliziten Staatsgarantie profitieren, sollen sie dem Bund eine Prämie zahlen müssen, wie dies bei Rückversicherungen der Fall ist. Oder mit regelmässigen Beiträgen einen Krisenfonds äufnen, der im Notfall mindestens einen Teil der benötigten Mittel decken würde.

Eine Mikrosteuer als möglicher Ausweg

In der Schweiz versuchte ein kreatives Komitee mit zwei Finanzprofessoren mittels Volksinitiative eine schweizerischen Mikrosteuer auf bargeldlosem Zahlungsverkehr einzuführen (siehe dazu das Infosperber-Dossier). Damit für die Allgemeinheit ausserhalb des Spielkasinos auch etwas übrig bleibe. 

Doch Corona und die fehlende Verankerung bei den Parteien führten 2020 bereits im Stadium der Unterschriftensammlung zu einem Scheitern. Vielleicht wäre eine verbesserte Neuauflage der Initiative mit breiterer Abstützung ein erster Schritt nach vorn.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Dossier Finanzcasino.xx
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Infosperber-Dokumentation
zum Debakel der Credit Suisse:
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Über das aufgeblähte Finanzcasino, das sich zur Hälfte in Schattenbanken abspielt, hat Infosperber in zehn Teilen informiert.

Zum Infosperber-Dossier:

Banken

Die Macht der Grossbanken

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5 Meinungen

  • am 30.05.2023 um 12:24 Uhr
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    Hohe Eigenkapitalquoten würden nicht zur Verlegung des ganzen UBS-Geschäftes ins Ausland führen. Das Kerngeschäft der UBS, die private Vermögensverwaltung, bliebe auf jeden Fall in der Schweiz.
    Das «undurchsichtige Organigramm der alten CS» spricht nicht gegen, sondern für ein Trennbankensystem. Die richtige Trennung zwischen «Bank» und «Investment Banking» ist machbar, die Geschichte der USA zeigt dies.
    Ein Alleingang der Schweiz bei Eigenkapitalforderungen und Trennbankensystem ist möglich, ohne «internationalen Konsens». Das würde zu einer Abwanderung von Geschäften aus den Schweizer Banken führen. Das ist schliesslich der Zweck dieser Änderungen.
    Eine «Versicherungsprämie» der Grossbanken für eine «impliziten Staatsgarantie» ist eine ganz schlechte Idee. Die «implizierte Staatsgarantie» muss eliminiert werden.
    Die kreative Idee zweier Finanzprofessoren für eine Mikrosteuer ist eine Schnapsidee, mit der sich nicht einmal 100’000 Unterschriften zusammenbringen liessen.

  • am 30.05.2023 um 14:46 Uhr
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    Herzlichen Dank für die Übersicht der Möglichkeiten um die Risiken von Schweizer Banken zu minimieren.
    Ich denke, dass die Position der Schweiz auf dem globalen Parkett nicht optimal ist.
    Anstatt immer nach golbaler Einigkeit (Finanzproblematik, Flüchtlingsproblematik CO2-Problematik usw.) zu suchen wäre es sinnvoll nationale Einigkeit anzustreben. Villeicht würde es schon genügen, wenn sich die Schreibenden im Infosperber zusammensetzen würden und versuchen grundsätzlich Einigkeit hin zu bekommen und die Verfassung entsprechend zu ändern.
    Urs Schnell schlägt eine Massnahme die von der Schweiz alleine umgesetzt werden könnte schon vor, die Mikrosteuer oder Finanztransaktionssteuer. Mein Vorschlag wäre noch die Einführung einer Ressourcen-Lenkungsbagabe, wobei die Mikrosteuer ebenfalls als Ressourcen – Lenkungsabgabe ausgestaltet werden könnte. Ich wäre an einer solchen Veranstaltung auf jeden Fall sehr gerne dabei.

  • am 30.05.2023 um 16:46 Uhr
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    Da sind viele gute Ansätze, die jedoch in der Praxis im heutigen Umfeld (Bankenaufsicht, Politik; Macht der Banken, Lobbying etc.) nur bedingt oder gar nicht umsetzen lassen, weil z.B. der politische Wille fehlt oder es aus praktischen Gründen nicht möglich ist.
    Die griffigste u einer der zweckmässigsten Massnahmen war schon immer, dass die Uebeltäter persönlich belangt werden d.h. mit Gefängnis u hohen persönlichen Strafen oder Konkurs. Ein Beispiel ist der amerikanische ENRON-Fall, der durch eine Whistleblowerin, S. Watkins, an die Oeffentlichkeit kam und die Konsequenzen hatte, dass Top-Management bis zu 16 Jahren Gefängnis aufgebrummt bekamen u die Prüfgesellschaft Arthur Anderson aufgelöst wurde. Eine solche Abschreckung ist extrem effizient, denn der drohende Verlust der Freiheit u Konkurs sind für die finanziell unabhängigen Uebeltäter äusserst bedrohlich!
    Ein CH-Whistleblower-Schutz hätte die CS gerettet, behaupte ich! Die dubiosen CS-Geschäfte wären früher aufgeflogen!

    • am 31.05.2023 um 10:30 Uhr
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      Der Vorschlag für einen gesetzlichen Schutz von Whistleblowern ist gut. Im Falle der Credit Suisse gab es Whistleblower: Einige Kommentatoren auf Inside Paradeplatz (IP). Die Reaktion der Bank: Eine massive Zivilklage und eine Strafklage gegen das Medium IP. Ziele der Klagen: Ausschalten von IP, Offenlegung der Whistleblower.
      Dass für bankengesetzliche Massnahmen zum Too Big To Fail Problem «der politische Wille fehlt» oder dass solche «aus praktischen Gründen nicht möglich» sind, glaube ich nicht. Vor einer Woche hat der Bundesrat eine «Vernehmlassung zur Einführung einer staatlichen Liquiditätssicherung» veröffentlicht (https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-95415.html). Im Rahmen dieses Verfahrens wird die politische Schlacht um das Too Big To Fail Problem geschlagen werden. SP und SVP haben sich bereits in Stellung gebracht.

      • am 1.06.2023 um 03:01 Uhr
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        Ich hoffe, dass Sie mit dem «politischen Willen» u «aus praktischen Gründen» Recht haben.
        Diesbezüglich fehlt mir der Glaube, denn die «Erfolgreichen» (z.B. Manager, Offshore-Anwälte) sind diejenigen, welchen es gelingt, die Regulierungen u Gesetze trotz besserem Wissen legal zu umgehen, um Profit- oder Bonus-Maximierung zu betreiben. Der CS-Fall ist ein Musterbeispiel. Hinzu kommt, ein totales Systemversagen (Politik, FINMA, BankG und Justiz), das die CS-Katastrophe mitverursachte. Auch das Parlament hat dazu beigetragen, mit der Einschränkung der Meinungs- u Pressefreiheit im Jahr 2015, indem es Journalisten unter das CH-Bankgeheimnis stellte.
        Die Klagen gegen IP sind ein Glücksfall für die CH, denn sie zeigen Herr u Frau Schweizer, wie Uebeltäter (CS, JB etc.) die Wahrheit manipulieren wollen. Jetzt ist zu hoffen, dass die Richterschaft das schmutzige Spiel nicht schützt, was praktisch jedoch zu erwarten ist.
        Die 2023-Big-To-Fail-Schlacht darf kein «Scharmützel» werden!

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