Bewässerungsanlage in einem Maisfeld

Bewässerungsanlage in einem Maisfeld im US-Bundesstaat Delaware, 2008 © public-domain U.S.Department of Agriculture

Weniger zum Essen, dafür «Nahrung» für Flugzeuge

Pascal Derungs /  Bis Mitte des Jahrhunderts sollen US-Fluggesellschaften 35 Millionen Gallonen «Bio-Kerosin» pro Jahr verwenden.*

Nach dem Schwindel mit «Bio»-Diesel kommt jetzt der Schwindel mit «Bio»-Kerosin. Diese pflanzlichen Treibstoffe werden nicht biologisch hergestellt. Nachhaltig sind sie auch nicht, weil sie der Nahrungsmittelproduktion fruchtbare Flächen wegnehmen und enorm viel Wasser verbrauchen.

In den USA sind die Fluggesellschaften schon jetzt gezwungen, kleinere Mengen des Agrar-Treibstoffs Ethanol ins Kerosin zu mischen. Der Wettlauf um die Betankung von Jets mit Ethanol kommt zu einer Zeit, in der der Flugverkehr weltweit rasant zunimmt und die Umweltbelastung durch die Luftfahrtindustrie steigt. Der Luftverkehr verursacht etwa 2,5 Prozent der gesamten CO2-Emissionen der Welt, eine Zahl, die sich nach Schätzungen von Experten bis 2050 verdreifachen wird. Die meisten grossen US-Fluggesellschaften haben sich verpflichtet, bis dahin kein zusätzliches Kohlendioxid mehr in die Atmosphäre zu blasen.

Das zwingt sie zur Umstellung auf Treibstoffe aus nachwachsenden Energiequellen. Ethanol ist ihr klarer Favorit. Die Ethanolproduzenten ihrerseits verlangen nach mehr energiereichem Mais. Die Maisbauern wiederum benötigen wegen Regenmangels mehr Grundwasser zur Bewässerung. Diese Kettenreaktion verursacht bereits jetzt Probleme mit den Grundwasserreserven, wie die «New York Times» (NYT) Anfang Dezember feststellte.

Hohe Maispreise haben den Anbau befeuert

Weite Teile Amerikas werden vom Maisanbau dominiert, fast 100 Millionen Hektar. Was einst Wald oder offene Prärie war, dient heute der Produktion von Mais, der Menschen und Vieh ernährt oder  ­̶  zu Ethanol verarbeitet  ­̶  Autos antreibt. Heute würden fast 40 Prozent der amerikanischen Maisernte in Ethanol umgewandelt, während es Mitte der 2000er Jahre noch etwa 10 Prozent waren, schreibt die NYT. Dies liege vor allem an den 2005 eingeführten staatlichen Vorgaben, die vorschreiben, dass Auto-Benzin mit Mindestmengen an erneuerbarem Kraftstoff gemischt werden muss.

Nach diesem Mandat seien die Maispreise in die Höhe geschossen. Die Landwirte hätten Millionen neuer Hektar Anbaufläche hinzugefügt bzw. bestehende Flächen auf Mais umgestellt. Und prompt sei der Grundwasserverbrauch mancherorts sprunghaft angestiegen.

Mais ist eine wasserintensive Pflanze und es kann Hunderte von Litern erfordern, um einen einzigen Liter Ethanol zu produzieren. Aber da die Fluggesellschaften und die Ethanolhersteller die Idee von Ethanol propagierten und ihre Lobbyisten auf Steuergutschriften für saubere Energie in Washington drängten, seien jetzt lebenswichtige Grundwasserströme ernsthaften Risiken ausgesetzt, mahnt die NYT.

Ethanol wird zum Allzweck-Heilmittel stilisiert

Ethanol sei sowohl von Demokraten als auch von Republikanern in der Ansicht gefördert worden, dass es gut für die Wirtschaft sei und gleichzeitig fossile Brennstoffe ersetze. Befürworter würden darauf verweisen, dass Ethanol auch im strategischen Interesse Amerikas liege, weil es die Abhängigkeit von ausländischem Öl verringere und den Markt für amerikanische Landwirte erweitere. Die Fluggesellschaften wiederum versprächen sich von Ethanol die sehnlichst erwünschte Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen, fasst die NYT die Gemengelage zusammen. Die Biden-Regierung werde bald über ihre Steueranreize für die Branche entscheiden. «Merken Sie sich meine Worte, in den nächsten 20 Jahren werden die Landwirte 95 Prozent des gesamten nachhaltigen Flugkraftstoffs liefern», sagte Präsident Biden im Juli.

Diese ehrgeizigen Ziele würden fast eine Verdoppelung der Ethanolproduktion erfordern, rechnet die NYT nach. Dies werde eine der wichtigsten Ressourcen des Landes vermutlich weiter schädigen: das Grundwasser.

Die Grundwasserreserven sind vielerorts am Anschlag

In diesem Jahr ergab eine Datenuntersuchung der New York Times, dass das Grundwasser landesweit gefährlich erschöpft ist, vor allem durch die Übernutzung durch die Landwirtschaft. Da der Klimawandel die Niederschlagszuverlässigkeit beeinträchtige und Dürren verstärke, werde die steigende Nachfrage nach Ethanol den Druck auf Amerikas empfindliche Grundwasserleiter weiter erhöhen, um sie für die Bewässerung zu nutzen.

«Wir sind auf dem besten Weg, den Wasserverbrauch massiv zu erhöhen, ohne wirklich zu wissen, wie empfindlich unsere Grundwasserleiter sind», zitiert die NYT Jeffrey Broberg, der als Berater für Wassernutzung und Gründer der Minnesota Well Owners Organization tätig ist.

Zwischen 1964 und 2017 sei die bewässerte Anbaufläche für Mais um fast 500 Prozent gestiegen, und in einigen Gebieten zeige sich eine starke Belastung des Grundwassers, insbesondere dort, wo es lange dauere, bis sich die unterirdischen Grundwasserleiter wieder füllen, wenn sie erschöpft sind.

Im Westen von Minnesota seien die Anträge für neue Bewässerungsbrunnen inmitten des ersten Ethanol-Booms sprunghaft angestiegen. Die dortigen Aufsichtsbehörden sagten, dass sie mehr Genehmigungen für die Grundwassernutzung erteilt hätten, als nachhaltig gepumpt werden könne.

In Teilen Nebraskas sei der Grundwasserspiegel wegen forcierter Bewässerung bereits so stark gesunken, dass die lokalen Regulierungsbehörden die Nutzung hätten einschränken müssen.

Wasserschonende Alternativen zu Mais haben kaum Chancen

Das Energieministerium, das an der Ausarbeitung der Regeln mitwirkt, die es pflanzlichen Kraftstoffen ermöglichen würden, als nachhaltiges Flugbenzin zu gelten, habe in einer Erklärung festgehalten, dass «der Wasserverbrauch ein entscheidender Bestandteil der Diskussion über die Nachhaltigkeit ist», hält die NYT fest. Sie verweist auf eine Studie des Ministeriums aus dem Jahr 2016, die zu dem Schluss kam, dass die Vereinigten Staaten die Belastung der Grundwasserleiter erheblich verringern könnten durch die Verlagerung der Produktion auf Pflanzen, die keine oder kaum Bewässerung benötigen, wie verschiedene Arten von Stroh, Gräsern und Bäumen.

Die NYT erinnert daran, dass wissenschaftliche Studien seit langem die Frage stellten, ob Ethanol aus Mais tatsächlich klimafreundlicher sei als fossile Brennstoffe. Mais benötige sehr viel Land und nehme während seines Wachstums relativ wenig Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf. Das Anpflanzen, Düngen, Bewässern, Ernten, Transportieren und Destillieren von Mais zu Ethanol erfordere Energie, die derzeit grösstenteils aus fossilen Brennstoffen stamme.

Doch viele Experten seien überzeugt, dass die ehrgeizigen Ziele der Regierung – 35 Milliarden Gallonen nachhaltiger Flugkraftstoff pro Jahr aus allen Quellen bis Mitte des Jahrhunderts – speziell energiereiche Pflanzen erfordern würden, insbesondere Mais. Um im Rahmen von Bidens Steuergutschriftenprogramm als nachhaltiger Flugkraftstoff zu gelten, müsste der Kraftstoff allerdings um einiges klimafreundlicher hergestellt werden, z. B. unter Verwendung erneuerbarer Energien für die Ernte, die Herstellung oder den Transport.

Die Mais-Ethanol-Lobby ist ein mächtiger Player

Gemäss NYT sagen die Fluggesellschaften, dass die erneuerbaren Kraftstoffoptionen, die es heute für den Antrieb von Flugzeugen gebe, zu teuer seien und sie zwingen würden, die Ticketpreise zu erhöhen. Die Zugabe von Ethanol in die Mischung hingegen  – so die Airlines  – würde diese Kosten erheblich senken und es ihnen ermöglichen, die Beimischung erneuerbarer Energien zu Kerosin zu steigern.

Die Landwirte argumentierten, dass der Anbau viel effizienter geworden sei – und dies auch weiterhin werde. Gemäss den Bauern würden nicht unbedingt grosse Mengen an zusätzlichem Wasser benötigt. Es bleibe jedoch fraglich, ob Verbesserungen bei Saatgut, Düngemitteln und Bewässerungspraktiken dafür ausreichen würden, um die Maisproduktion deutlich zu steigern, ohne mehr Wasser zu benötigen, beharrt die NYT.

Die Ethanolhersteller seien unterdessen bestrebt, neue Märkte zu erschliessen, da der Boom der Elektrofahrzeuge die Nachfrage nach mit Ethanol angereichertem Benzin bedrohe.

Angesichts der bevorstehenden nationalen Wahlen, bilanziert die NYT skeptisch, sei der Druck auf die Politik in den Bundesstaaten des Corn Belt gross, die steuerlichen Anreize für die Mais- und die Ethanolproduktion auszuweiten.

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*Der Vorspann gab die im Text zitierte Aussage des US-Präsidenten in einer ersten Version des Artikels nicht korrekt wider. Die Redaktion entschuldigt sich für den Fehler.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

Dsenflugzeug

Flugverkehr

Freiheit für die einen, Klimakiller und Lärmbelästiger für andere. Auf jeden Fall ist er hoch subventioniert.

Frderung_Subventionen

Konzerne kassieren Subventionen

Freier Markt? Milliarden an Steuergeldern für Grossbanken, Industrie- und Landwirtschaftskonzerne.

Kuh

Landwirtschaft

Massentierhaltung? Bio? Gentechnisch? Zu teuer? Verarbeitende Industrie? Verbände? Lobbys?

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4 Meinungen

  • am 18.12.2023 um 11:29 Uhr
    Permalink

    Dazu passt die Sage vom Titisee im Schwarzwald:
    «Einst lag dort eine reiche Stadt, deren Bewohner in ihrem Hochmut Brotlaibe aushöhlten u. dann als Schuhe missbrauchten.
    Dies erboste eine Fee derart, dass sie mit ihrer Filzhaube den Seebach verstopfte, sodass sich der Titisee bildete u. die Stadt mit ihren Bewohnern verschlang.»

  • am 18.12.2023 um 14:57 Uhr
    Permalink

    Weihnachtszeit ist ….Märchenzeit…auch in USA

  • am 18.12.2023 um 18:31 Uhr
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    Einfach grässlich! Die Menschheit benimmt sich so, wie wenn sie einige Promille des Etanols im Blut hätte. Und die Jets werden kaum klimafreundlicher, da zwei Drittel des Klimaschadens von den Kondenstreifen selbst ausgeht (Wasserdampf und Partikel), nicht dem CO2.

  • am 18.12.2023 um 22:09 Uhr
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    Diese ganze «Bio»-Treibstoff-Produktion ist reinste Augenwischerei.

    Gemäss Wikipedia (Bioethanol) kann man aus einer Tonne Getreide Ethanol mit einem Energieinhalt von 8480 MJ Energieinhalt herstellen. Für diesen Herstellungsprozess (vom Getreideanbau bis zur Verarbeitung) muss man jedoch 6417 MJ Energie einsetzen. Bleiben also noch 2063 MJ Nettoertrag, was 77 kg Ethanol aus einer Tonne Getreide entspricht.
    Weltweit wird in einem Jahr gemäss statista.com 1200 Mio. t Mais geerntet. Würde man alles zu Ethanol verarbeiten, würde ein Nettoertrag von 92 Mia. kg Ethanol resultieren, was 30,8 Mia. Gallonen entspricht. Das würde also nicht einmal reichen, um diese angepeilten 35 Mia. Gallonen zu produzieren.
    Die 35 Mia. Gallonen wären aber nur ein kleiner Teil des Bedarfes. Heute werden pro Jahr gemäss globometer.com 154 Mia. Gallonen Flugtreibstoff verbraucht.

    Und: Eigentlich brauchen wir diesen Mais ja sowieso als Nahrungsmittel.

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